§ 1 InsVV
Erster Abschnitt - Vergütung des Insolvenzverwalters
§ 1 InsVV - Berechnungsgrundlage
(1) 1Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. 2Wird das Verfahren nach Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben oder durch Einstellung vorzeitig beendet, so ist die Vergütung nach dem Schätzwert der Masse zurzeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen.
(2) Die maßgebliche Masse ist im Einzelnen wie folgt zu bestimmen:
- 1. 1Massegegenstände, die mit Absonderungsrechten belastet sind, werden berücksichtigt, wenn sie durch den Verwalter verwertet werden. 2Der Mehrbetrag der Vergütung, der auf diese Gegenstände entfällt, darf jedoch 50 vom Hundert des Betrages nicht übersteigen, der für die Kosten ihrer Feststellung in die Masse geflossen ist. 3Im Übrigen werden die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände nur insoweit berücksichtigt, als aus ihnen der Masse ein Überschuss zusteht.
- 2. Werden Aus- und Absonderungsrechte abgefunden, so wird die aus der Masse hierfür gewährte Leistung vom Sachwert der Gegenstände abgezogen, auf die sich diese Rechte erstreckten.
- 3. Steht einer Forderung eine Gegenforderung gegenüber, so wird lediglich der Überschuss berücksichtigt, der sich bei einer Verrechnung ergibt.
- 4. 1Die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten werden nicht abgesetzt. 2Es gelten jedoch folgende Ausnahmen:
- a) Beträge, die der Verwalter nach § 5 als Vergütung für den Einsatz besonderer Sachkunde erhält, werden abgezogen.
- b) Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, so ist nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt.
Fassung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 in Insolvenzverfahren, welche vor dem 1. Oktober 2020 beantragt worden sind:
- 5. Ein Vorschuss, der von einer anderen Person als dem Schuldner zur Durchführung des Verfahrens geleistet worden ist, und ein Zuschuss, den ein Dritter zur Erfüllung eines Insolvenzplans geleistet hat, bleiben außer Betracht.
- 5. Ein Vorschuss, der von einer anderen Person als dem Schuldner zur Durchführung des Verfahrens geleistet worden ist, und ein Zuschuss, den ein Dritter zur Erfüllung eines Insolvenzplans oder zum Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung vor Ablauf der Abtretungsfrist geleistet hat, bleiben außer Betracht.
Fassung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 in Insolvenzverfahren, welche nach dem 30. September 2020 beantragt worden sind:
Literatur:
Graeber, Alexa / Graeber, Thorsten: Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung im Insolvenzverfahren und deren Auswirkungen auf die Vergütung des Insolvenzverwalters, InsbürO 2016, 487
Graeber, Thorsten: Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters bei Berücksichtigung von Aus- und Absonderungsrechten, InsbürO 2005, 122
Graeber, Thorsten: Die Abfindung von Aus- und Absonderungsrechten durch den Insolvenzverwalter und ihre Auswirkungen in der Vergütungsberechnung, InsbürO 2006, 415
Graeber, Thorsten: Der Abgeltungssteuerbetrag als Bestandteil der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung, ZInsO 2013, 1834
Graeber, Thorsten: Die Regelung des § 1 Abs. 2 InsVV ist nichtig, ZInsO 2018, 141
Graeber, Thorsten: Änderung der InsVV in § 1 II Nr. 5 InsVV entsprechend dem Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, NZI 2020, 921
Graeber, Thorsten: Die Änderungen der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung durch die Gesetze vom 22.12.2020: Eine Analyse, NZI 2021, 370
Graeber, Thorsten / Wipperfürth, Sylvia: § 765a ZPO im Insolvenzverfahren – Vollstreckungsschutz und die Auswirkungen auf die Insolvenzmasse sowie die Vergütung des Insolvenzverwalters, ZInsO 2023, 1233
Haarmeyer, Hans: Zur Feststellung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters im Planverfahren, ZInsO 2000, 241
Hentrich, Dirk: Zum Umgang mit ungerechtfertigten Bereicherungen der Insolvenzmasse, ZInsO 2015, 1093
Keller, Ulrich: Die Zulässigkeit der Beauftragung mit dem Insolvenzverwalter gesellschaftlich verbundener Unternehmen und der Anrechnungstatbestand nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 lit. a) InsVV, DZWIR 2000, 265
Keller, Ulrich: Die Vergütung des Insolvenzverwalters bei Unternehmensfortführung, DZWIR 2009, 231
Knapp, Tobias Alexander: Das Vergütungsrecht des Insolvenzverwalters, eine etwas andere Perspektive – von der Behandlung der rückfließenden Gelder, ZInsO 2021, 2363
Lechleitner, Matthias: Zum Vorsteuerabzug der Insolvenzmasse aus der Vergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, ZInsO 2015, 1382
Prasser, Conny: Die Berechnung der Vergütung bei vorzeitigem Ausscheiden des Insolvenzverwalters, ZInsO 2006, 862
Prasser, Conny: Berücksichtigung des Mehrbetrags gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV bei einem Verwertungsüberschuss, InsbürO 2022, 153
Prasser, Conny: Rechnerische Umsetzung des BGH-Beschlusses vom 22.07.2021 (Az. IX ZB 85/19) / hälftige Feststellungskostenbeiträge als absolute Höchstgrenze gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV, InsbürO 2023, 62
Reck, Reinhard: Das Ende der Erhöhung der Insolvenzmasse aufgrund von Vorsteuererstattungen aus der Vergütung?, ZInsO 2011, 267
Reck, Reinhard / Schmittmann, Jens M.: Die Berechnungsgrundlage der Vergütung und der pagatorische Zahlungsbegriff, ZInsO 2015, 2254
Reck, Reinhard: Geldtransit, durchlaufende Posten und Kostenerstattungen und die Teilungsmasse, ZInsO 2011, 567
Schmittmann, Jens: Vorsteuer aus Verwaltervergütung, InsbürO 2011, 224
Scholz-Schulze, Andreas / Reck, Reinhard: Das Abgrenzungsdilemma im Bereich der Unternehmensfortführung und Lösungsvorschläge, InsbürO 2010, 97
Wipperfürth, Sylvia / Graeber, Thorsten: Masseverbindlichkeiten gem. § 55 Abs. 4 InsO und die Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters, InsbürO 2021, 429
Inhalt:
- I. Berechnungsbasis der Vergütung eines Insolvenzverwalters
- II. Bestimmung der Berechnungsmasse im Regelverfahren, § 1 Abs. 1 Satz 1
- 1. Pflicht zu Schlussrechnungslegung
- 2. Inhalt der Schlussrechnung
- 3. Bindung des Insolvenzgerichts an die Schlussrechnung
- 4. Behandlung sog. durchlaufender Rechnungspositionen
- a. Beispiel: Inempfangnahme von Geldern für Andere
- b. Beispiel: Ausgleich von Kosten der Insolvenzmasse durch Andere
- c. Beispiel: ungerechtfertigte Bereicherung der Masse
- d. Beispiel: zurückfließende Beträge aus Zahlungen auf Masseverbindlichkeiten
- e. Beispiel: Rückforderungsansprüche der Insolvenzmasse
- 5. Behandlung der Umsatzsteuer aus der Verwaltervergütung
- a. Umsatzsteuererstattungen aus der Verwaltervergütung
- Beispiel einer Berechnung der Auswirkungen einer Umsatzsteuererstattung aus der Verwaltervergütung nach BGH v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13
- b. Zur Kritik an der Berücksichtigung des Umsatzsteuerrückflusses
- c. Notwendiger Vortrag zum Umsatzsteuerrückfluss
- d. Voraussetzung: sicher zu erwartende Masseerhöhung
- Beispiel einer Berechnung der Auswirkungen einer Umsatzsteuererstattung aus der Verwaltervergütung
- e. Behandlung von Abgeltungssteuerbeträgen
- f. Umsatzsteueranteil der Verwertungserlöse
- 6. Behandlung von Pflichtteils- und Erbansprüchen in der Berechnungsgrundlage
- 7. Berücksichtigung des nicht verwerteten Vermögens
- 8. Berücksichtigung von Ansprüchen aus Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung
- 9. Berücksichtigung von (Sondermasse-)Ansprüchen nach §§ 92, 93 InsO in der Berechnungsgrundlage?
- 10. Massegenerierung gegen den Willen der Gläubigerversammlung
- 11. Keine Begrenzung der Berechnungsgrundlage durch die Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen
- 12. Unterscheidung zwischen Massezuflüssen und Leistungen an den Insolvenzverwalter
- 13. Unpfändbares Vermögen
- 14. Zahlungen an andere Personen als Bestandteil der Berechnungsgrundlage
- 15. Nichtberücksichtigung von Aussonderungsgegenständen
- 16. Neuerwerb und Forderungen aus der vorläufigen Verwaltung
- 17. Einnahmen einer "kalten Zwangsverwaltung"
- 18. Berücksichtigung zukünftiger Massezuflüsse
- 19. Einzug fremder Forderungen und Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlage
- 20. Behandlung der umsatzsteuerlichen Organschaft in der Berechnungsgrundlage
- 21. Freiwillige, überobligatorische Leistungen des Insolvenzschuldners
- III. Bestimmung der Berechnungsmasse bei einer Beendigung des Verfahrens durch einen Insolvenzplan, § 1 Abs. 1 Satz 2
- IV. Bestimmung der Berechnungsmasse bei vorzeitiger Beendigung des Verfahrens, § 1 Abs. 1 Satz 2
- 1. Gründe für eine vorzeitige Beendigung
- 2. Schätzung der Berechnungsmasse
- 3. Schätzwerte bei Anfechtungsansprüchen
- 4. Buchwerte
- 5. Schätzung bei einem Wechsel der Insolvenzverwalter
- 6. Maßgeblichkeit des Tätigkeitszeitraums des Verwalters
- 7. Einschätzung, welche Gegenstände als Bestandteile der Insolvenzmasse anzusehen sind
- 8. Keine Begrenzung der Schätzung der Insolvenzmasse durch Kosten und Insolvenzforderungen
- V. Umgang mit Massezuflüssen nach Erstellung einer Schlussrechnung
- VI. Bestimmung der Berechnungsmasse bei Erteilung einer Restschuldbefreiung vor Beendigung des Verfahrens / Asymmetrische Verfahren
- VII. Bestimmung der Berechnungsmasse bei einer vorzeitigen Erteilung einer Restschuldbefreiung gem. § 300 InsO
- VIII. Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2
- IX. Einzelheiten zur Bestimmung der Berechnungsmasse, § 1 Abs. 2
- 1. Berücksichtigung von Absonderungsrechten, § 1 Abs. 2 Nr. 1
- a. Grundsatz
- b. Einzelheiten zu besonderen Vermögenspositionen im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1
- c. Berücksichtigung des Verwertungsüberschusses, § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3
- d. Behandlung nachrangiger Absonderungsrechte im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1
- e. Behandlung des Ersatzabsonderungsrechts
- Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 inkl. Zuschlag und Überschreitung der Kappungsgrenze gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19
- Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 inkl. Zuschlag und Überschreitung der Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 entspr. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19
- Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 mit einem massemehrenden Zuschlag gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19
- Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1, bei einem Verwertungsüberschuss
- Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 inkl. Zuschlag gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19 bei Vereinbarung einer überobligatorischen Massebeteiligung
- f. Wahlrecht / Wahlpflicht des Insolvenzverwalters bei § 1 Abs. 2 Nr. 1?
- g. Verwertung ohne Verwertungsrecht
- 2. Behandlung von abgefundenen Aus- und Absonderungsrechten, § 1 Abs. 2 Nr. 2
- 3. Berücksichtigung eines Aufrechnungsüberschusses, § 1 Abs. 2 Nr. 3
- 4. Auswirkung der Kosten des Insolvenzverfahrens und der sonstigen Masseverbindlichkeiten auf die Berechnungsgrundlage, § 1 Abs. 2 Nr. 4
- a. Grundsatz: Keine Berücksichtigung in der Berechnungsgrundlage, § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1
- b. Ausnahme: Abzug von Vergütungen für besondere Sachkunde nach § 5, § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a)
- c. Ausnahme: Begrenzung auf den Überschuss einer Unternehmensfortführung, § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b)
- aa) Berücksichtigung sämtlicher Ausgaben während und für die Betriebsfortführung
- bb) Notwendigkeit einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung
- cc) Behandlung von Kündigungsfristlöhnen u.a. "Sowieso-Kosten"
- dd) Behandlung der Duldung einer Fortführung durch den Insolvenzschuldner
- ee) Behandlung mehrerer Unternehmungen des Insolvenzschuldners
- ff) Abgrenzung der Unternehmensfortführung im Eröffnungsverfahren von der des eröffneten Verfahrens
- gg) Behandlung der durch die Unternehmensfortführung verursachten Einkommenssteuerverbindlichkeit
- hh) Behandlung von nicht oder nicht vollständig befriedigten Masseverbindlichkeiten der Unternehmensfortführung
- ii) Behandlung von nicht oder nicht vollständig befriedigten Masseverbindlichkeiten des Eröffnungsverfahrens in der Vergütung der Insolvenzverwalters des eröffneten Verfahrens
- jj) Abgrenzung der Einnahmen aus der Unternehmensfortführung von den Verwertungseinnahmen
- 5. Behandlung von Massekrediten und Vorschüssen, § 1 Abs. 2 Nr. 5
- 6. Behandlung von Zahlungen zum Zwecke der Einreichung einer vorzeitigen Restschuldbefreiung, § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F., in den nach dem 30. September 2020 beantragten Insolvenzverfahren
- 7. Prozessfinanzierung
- 1. Berücksichtigung von Absonderungsrechten, § 1 Abs. 2 Nr. 1
- X. Bestimmung der Berechnungsmasse bei mehreren Insolvenzverwaltern
- XI. Bestimmung der Berechnungsmasse des Sonderinsolvenzverwalters
I. Berechnungsbasis der Vergütung eines Insolvenzverwalters
Rdnr. 1 Die Vergütung eines Insolvenzverwalters berechnet sich auf der Basis des Wertes der Insolvenzmasse. Dieser Wert ergibt sich regelmäßig aus dem bei der Verwertung erzielten Erlös.1 Zur Insolvenzmasse i.S.v. 63 Abs. 1 Satz 2 InsO gehören auch mit Absonderungsrechten belastete Immobilien.2 Je höher der Wert der Insolvenzmasse ist, umso höher fällt die auf der Basis dieses Berechnungswerts nach § 2 zu ermittelnde Vergütung aus, welche über angemessene Zu- und Abschläge nach § 3 auf die Besonderheiten des Einzelfalls anzupassen ist. Verfehlt ist es, in diesem Zusammenhang von einer "Teilungsmasse" zu sprechen. Der aus dem Konkursverfahren stammende Begriff der "Teilungsmasse" wurde vom Gesetzgeber bewusst nicht für das neue Insolvenzverfahren übernommen. Genauso, wie der "Konkursverwalter" durch den Insolvenzverwalter und der "Sequester" durch vorläufigen Insolvenzverwalter ersetzt wurde, wurde die "Teilungsmasse" der VergVO – Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats vom 25.05.1960 durch den spezifischen Begriff der Insolvenzmasse ersetzt. Der Begriff Teilungsmasse ist daher in Insolvenzverfahren nicht zu verwenden.
2 BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046
Rdnr. 2 Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO wird der Regelsatz der Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens berechnet. Soweit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV die Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet wird, auf die sich die Schlussrechnung bezieht, enthält dies trotz der unterschiedlichen Formulierung keinen anderen zeitlichen Anknüpfungspunkt für den Wert der Insolvenzmasse als § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO.1 Maßgeblich für die Berechnungsgrundlage ist daher die gesamte Insolvenzmasse.2 Der BGH ergänzt dies durch den Zusatz "die für eine Verteilung unter den Gläubigern zur Verfügung steht"2. Dies ist jedoch fehlerhaft, da von der Insolvenzmasse immer nur der geringere Teil für eine Verteilung an die Gläubiger zur Verfügung steht, der nach dem zuvor vorzunehmenden Abzug der Kosten des Verfahrens gem. § 53 InsO verbleibt. Der Wert des für eine Verteilung unter den Gläubigern zur Verfügung stehenden Masse, der Teilungsmasse, ist daher immer geringer als der Wert der Insolvenzmasse. Der Gesetzgeber hat aber ausdrücklich davon abgesehen, den Wert der an die Gläubiger zu verteilenden Masse als Ausgangsbasis der Verwaltervergütung vorzugeben. Insoweit widerspricht der Ansatz des BGH der gesetzlichen Regelung.
2 BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33; BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82; BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118; so auch Schoppmeyer, NZI 2024, 41, 43
Rdnr. 2a Zur Berechnungsgrundlage für die Vergütung zählen somit alle Vermögenswerte, die zum Zeitpunkt der Beendigung der zu vergütenden Tätigkeit zu dem gesicherten und verwalteten Vermögen gehört haben.1 Demgemäß soll die Vergütung des Insolvenzverwalters nach der gesetzgeberischen Konzeption der § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 66 InsO, § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Satz 3 InsVV erst zu einem Zeitpunkt festgesetzt werden, zu dem sämtliche Massezuflüsse abgeschlossen sind. Gegenstand der Schlussrechnung ist allerdings nicht nur die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung vorhandene Masse. Die Schlussrechnung hat vielmehr auf den Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens abzustellen.2 Diese gesetzgeberische Wertung stößt jedoch hinsichtlich zukünftiger Massezuflüsse an Grenzen. Dies gilt insbesondere, sofern der Schuldner über laufendes Einkommen verfügt. Insoweit ergibt sich aus § 196 Abs. 1 InsO, dass Massezuflüsse aus dem pfändbaren Einkommen der Schlussverteilung nicht entgegenstehen.3 Daher hindert ein laufendes Einkommen des Schuldners auch nicht die Aufhebung des Verfahrens gemäß § 200 Abs. 1 InsO.3 Wertloses Vermögen oder Vermögensteile, welche nicht zugunsten der Insolvenzmasse realisiert werden können, erhöhen den Wert der Insolvenzmasse nicht.4
2 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82; BGH v. 26.01.2006 - IX ZB 183/04, NZI 2006, 237 = ZInsO 2006, 203; BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
3 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82
4 BGH v. 16.12.2021 - IX ZB 24/21, NZI 2022, 279 = ZInsO 2023, 1551
Kernentscheidungen
Hat der Insolvenzverwalter einem Prozessfinanzierer einen Teil der streitigen Forderung abgetreten oder sich verpflichtet, einen bestimmten Teil des Erlöses an den Prozessfinanzierer auszuzahlen, erhöht nur der Teil des Erlöses die Berechnungsgrundlage, welcher der Insolvenzmasse nach Abzug der dem Prozessfinanzierer zustehenden Beträge zufließt.
BGH v. 16.12.2021 - IX ZB 24/21, NZI 2022, 279 = ZInsO 2023, 1551
___________________________________________________Die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters richtet sich nicht nach dem am Verfahrensende stehenden Guthabensaldo, sondern dem Wert der Insolvenzmasse, welche der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters unterliegt oder während des Verfahrens unterlag.
BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33; BGH v. 05.03.2015 - IX ZR 164/14, NZI 2015, 362 = ZInsO 2015, 742
___________________________________________________Zur Berechnungsgrundlage zählen sämtliche Massezuflüsse, die auch tatsächlich an die Masse ausbezahlt werden und daher die Masse erhöhen. Im Hinblick auf den Tätigkeitsumfang des Insolvenzverwalters ist eine Beschränkung auf solche Massezuflüsse, die tatsächlich zur Verteilung unter die Insolvenzgläubiger kommen, nicht geboten.
BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33
Rdnr. 3 § 1 gilt nur für eröffnete Insolvenzverfahren inkl. evtl. Nachtragsverteilungen. Für Entschuldungsverfahren gem. § 286 ff. InsO nach Aufhebung des eröffneten Insolvenzverfahrens gem. § 200 InsO sieht § 14 eine besondere Regelung für die Berechnungsgrundlage der Vergütung eines Treuhänders vor. Die Regelung des § 14 geht in Entschuldungsverfahren der allgemeinen Regelung des § 1 vor. § 1 ist für die Vergütung eines Treuhänders auch nicht ergänzend heranzuziehen.
Rdnr. 4 Diese Verknüpfung zwischen dem wirtschaftlichen Ergebnis des Insolvenzverwalters und der Vergütung des Insolvenzverwalters stellt einen Anreiz für jeden Insolvenzverwalter dar, sich um einen möglichst hohen Wert der Insolvenzmasse zu bemühen. Jede Steigerung des Wertes der Insolvenzmasse führt ebenso zu einer Erhöhung der Vergütung des Insolvenzverwalters als auch zu einer größeren Ausschüttung an die Insolvenzgläubiger. Die Bemühungen des Insolvenzverwalters um eine Massemehrung erfolgen damit sowohl im Eigeninteresse des Insolvenzverwalters als auch im Interesse der Insolvenzgläubiger. Die Masse ist damit ein Indikator für den Aufwand des Verwalters in einem Insolvenzverfahren.1
Rdnr. 5 Ein Vergleich zwischen dem Wert der Insolvenzmasse und dem Gesamtbetrag der gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Forderungen findet nicht statt. Weder der Wert der Insolvenzmasse noch der Berechnungswert für die Verwaltervergütung wird durch die in dem Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen begrenzt.1 Auch wenn in Einzelfällen die Insolvenzmasse durch Erbschaften2 oder Lotteriegewinne3 eine Höhe erreicht, dass neben den Kosten des Insolvenzverfahrens sämtliche Gläubigerforderungen befriedigt werden können und ein nicht erheblicher Vermögensrest an den Insolvenzschuldner auszukehren sein wird, ist eine Kürzung des Berechnungswerts nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Tätigkeitsumfang des Insolvenzverwalters ist eine Beschränkung auf solche Massezuflüsse, die tatsächlich zur Verteilung unter die Insolvenzgläubiger kommen, nicht geboten.4 Zum einen hat der Gesetzgeber davon abgesehen, dass Masseverbindlichkeiten die Berechnungsgrundlage mindern. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV werden die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht abgesetzt. Zum anderen hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, dass eine Begrenzung der Berechnungsgrundlage auf die Höhe der Schulden ausscheidet.5 Daraus ergibt sich, dass die tatsächliche Höhe der am Ende des Insolvenzverfahrens erzielten Masse für die Berechnungsgrundlage ausschlaggebend ist; für welche Zwecke die vorhandene Insolvenzmasse einzusetzen ist, ist für die Berechnungsgrundlage regelmäßig unerheblich.4 Allenfalls kann ein Abschlagsgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 wegen einer großen Masse und geringen Anforderungen zu prüfen sein.6
2 BGH v. 11.05.2006 - IX ZR 42/05, NZI 2006, 461 = ZInsO 2006, 705; BGH v. 01.03.2007 - IX ZB 280/05, NZI 2007, 412 = ZInsO 2007, 372
3 AG Göttingen v. 08.09.2011 - 74 IN 235/09, NZI 2012, 32 = ZInsO 2011, 2002
4 BGH v. 19.11.2020 - IX ZB 10/19, NZI 2021, 190 = ZInsO 2023, 1555; BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33
5 BT-Drucks. 12/2443 S. 130
6 BGH v. 01.03.2007 - IX ZB 280/05, NZI 2007, 412 = ZInsO 2007, 372
II. Bestimmung der Berechnungsmasse im Regelverfahren, § 1 Abs. 1 Satz 1
1. Pflicht zu Schlussrechnungslegung
Rdnr. 6 Welche Ergebnisse im Einzelverfahren aus den Verwertungs- und Verwaltungshandeln des Insolvenzverwalters einer Vergütungsfestsetzung zugrunde zu legen sind, hat sich aus der Schlussrechnungslegung des Insolvenzverwalters zu ergeben, zu welcher der Insolvenzverwalter nach § 66 InsO und auch der vorläufige Insolvenzverwalter1 nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO i.V.m. § 66 InsO verpflichtet sind. Diese Rechnungslegungspflicht besteht dabei nicht nur in den vollständig abgeschlossenen Insolvenzverfahren, sondern auch bei einer vorzeitigen Amtsbeendigung2, zu der es durch eine Neuwahl eines Insolvenzverwalters nach § 57 InsO, einer Entlassung des Insolvenzverwalters nach § 59 InsO oder durch eine vorzeitige Einstellung des Verfahrens insgesamt kommen kann.
2 BGH v. 29.03.2007 - IX ZB 153/06, NZI 2007, 397 = ZInsO 2007, 539; BGH v. 10.11.2005 - IX ZB 168/04, NZI 2006, 165 = ZInsO 2006, 29
2. Inhalt der Schlussrechnung
Rdnr. 7 Aus der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters hat sich zu ergeben, welche Vermögensgegenstände (Mobilien, Immobilien, Forderungen, Rechte usw.) der Insolvenzverwalter zu Beginn seines Amtes vorgefunden hat und mit welchem Ergebnis diese verwertet worden sind. Auch die Einnahmen außerhalb der Verwertung sind nachvollziehbar darzustellen. Die Ausgaben der Insolvenzverwaltung, die sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO und die Kosten i. S. von § 54 InsO sind in der gleichen Weise zu erläutern. Aus dieser Schlussrechnung hat sich ohne weitere Prüfung, allenfalls durch Verweise auf konkrete Unterlagen der Verfahrensakte, zu ergeben, wie erfolgreich die Tätigkeit des Insolvenzverwalters wirtschaftlich betrachtet war, wie sich die Berechnungsmasse zusammensetzt und aufgrund welcher Umstände und Positionen für die Verteilung ab die Insolvenzgläubiger ein geringerer Betrag zur Verfügung steht als der der Summe aller Einnahmen.
Rdnr. 8 Die Behandlung besonderer Vermögenspositionen ist in § 1 Abs. 2 geregelt. Sie hierzu Einzelheiten zur Bestimmung der Berechnungsmasse, § 1 Abs. 2.
3. Bindung des Insolvenzgerichts an die Schlussrechnung
Rdnr. 9 Die Ergebnisse der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters sind für das Insolvenzgericht für die weitere Berechnung der Verwaltervergütung bindend. Das Insolvenzgericht hat zwar die Berechtigung, insgesamt oder zu einzelnen Punkten der Schlussrechnung vom Insolvenzverwalter Erläuterungen und/oder Nachweise zu verlangen. Es ist jedoch nicht in der Lage, die vom Insolvenzverwalter vorgebrachten Ergebnisse durch eigene Positionen zu ersetzen. Hält das Insolvenzgericht einzelne Positionen für fehlerhaft, kann es jedoch eigene Ermittlungen zur Überprüfung anstellen1, hierzu auch einen Sachverständigen beauftragen und gegebenenfalls das als richtig erkannte und nachgewiesene Ergebnis anstelle der Position des Insolvenzverwalters berücksichtigen. In jedem Fall ist die Berechnungsgrundlage von Amts wegen festzustellen, gegebenenfalls zu schätzen.2
2 BGH v. 10.06.2021 - IX ZB 51/19, Rdnr. 10; BGH v. 21.07.2016 - IX ZB 70/14, Rdnr. 83, DZWIR 2016, 540 = NZI 2016, 796 = ZInsO 2016, 1637
4. Behandlung sog. durchlaufender Rechnungspositionen
Rdnr. 10 Da sich die Vergütung des Insolvenzverwalters sich gem. § 63 Abs. 1 S. 2 InsO, § 1 Abs. 1 InsVV nach dem Wert der Insolvenzmasse, also gem. § 35 InsO dem Vermögen des Insolvenzschuldners zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzüglich dem während des Verfahrens Erlangten bemisst, sind alle Vermögenspositionen, welche während des Insolvenzverfahrens zum Insolvenzschuldner bzw. die Insolvenzmasse gelangen bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen.1 Die Beantwortung der Frage, an welche Person ein konkreter Massezufluss nach den Regeln des Insolvenzverfahrens ganz oder teilweise weiterzuleiten ist, beeinflusst die Beurteilung, ob es sich um Insolvenzmasse entspr. § 35 InsO handelt, nicht. Alle Zuflüsse, die sich auf die Kosten des Verfahrens gem. § 54 InsO auswirken sind als Teile der Insolvenzmasse in die Berechnungsgrundlage der Verwalterverfügung aufzunehmen. Auch Zuflüsse, welche weder dem Insolvenzschuldner noch den Insolvenzgläubigern zukommen sollten und gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO als ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse als sonstige Masseverbindlichkeit vor eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger auszugleichen sind, sind nicht mit dem Hinweis, es handele sich nur um einen bloßen „durchlaufenden Rechnungsposten“ bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage außer Betracht zu lassen. Bereits die Qualifikation als sonstige Masseverbindlichkeit macht deutlich, dass der entsprechende Betrag aus der Masse zu leisten wäre, was bedingt, dass er zuvor Bestandteil der Masse geworden sein muss. Folglich erhöht ein solche Zufluss den Wert der Berechnungsgrundlage. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach durchlaufende Posten bei der Berechnungsgrundlage stets unberücksichtigt zu bleiben hätten.2 Zahlungseingänge auf ein Insolvenzanderkonto des Insolvenzverwalters welche nicht in die Insolvenzmasse geflossen sind, sind dagegen nicht als Teile der Insolvenzmasse anzuerkennen.3
2 BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33
3 BGH v. 18.12.2008 - IX ZR 192/07, NZI 2009, 245 = ZInsO 2009, 521; LG Heilbronn v. 21.06.2013 – 1 T 385/12
Kernentscheidung
Zahlungen, die auf einem von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter oder Treuhänder eingerichtetes Anderkonto eingehen, fallen weder in das Schuldnervermögen noch in die Masse, sondern stehen ausschließlich dem Anwalt zu.
BGH v. 18.12.2008 - IX ZR 192/07, NZI 2009, 245 = ZInsO 2009, 521
Rdnr. 11 Zahlungseingänge, die der Masse zufallen, um an den wahren Empfangsberechtigten weitergeleitet zu werden, erhöhen die Insolvenzmasse nicht und sind bei der Bestimmung der Berechnungsgrundlage nicht zu berücksichtigen.1
Rdnr. 12 Von diesen sog. durchlaufenden Rechnungspositionen ohne Auswirkung auf die Höhe des Werts der Insolvenzmasse sind jedoch diejenigen Eingänge zu unterscheiden, welche mit ihrem Zufluss gleichzeitig eine Verpflichtung der Insolvenzmasse verbinden, den entsprechenden Betrag oder einen Teil davon an einen Massegläubiger weiterzuleiten. Die Differenzierung zwischen den eine Insolvenzmasse erhöhenden Zuflüssen und den als sog durchlaufende Rechnungsposition irrelevanten Zuflüssen ist evtl. anhand unterschiedlicher Beispiele erklärbar.
a. Beispiel: Inempfangnahme von Geldern für Andere
Rdnr. 13 Beispiel: Die Insolvenzschuldnerin erhält im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit Gelder als Vertreterin für einen ihrer Geschäftspartner. Diese Gelder sind keine Insolvenzmasse und als durchlaufender Rechnungsposten auch dann nicht in der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung zu berücksichtigen, wenn das Geld auf dem Anderkonto des Insolvenzverwalters eingeht. Hat ein Insolvenzverwalter im Rahmen einer Prozessfinanzierung Teile der einzuklagenden Forderung an den Prozessfinanzierer abgetreten, sind diese Teile auch dann nicht innerhalb der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, wenn der insoweit Verpflichtete die Gesamtforderung an den Insolvenzverwalter leistet.1 Siehe hierzu insbes. § 1 Rdnr. 253 ff.
Kernentscheidung
Hat der Insolvenzverwalter einem Prozessfinanzierer einen Teil der streitigen Forderung abgetreten oder sich verpflichtet, einen bestimmten Teil des Erlöses an den Prozessfinanzierer auszuzahlen, erhöht nur der Teil des Erlöses die Berechnungsgrundlage, welcher der Insolvenzmasse nach Abzug der dem Prozessfinanzierer zustehenden Beträge zufließt.
BGH v. 16.12.2021 - IX ZB 24/21, NZI 2022, 279 = ZInsO 2023, 1551
Beispielsentscheidung
Die Übertragung des Kündigungs- und Einziehungsrechtes des Rückkaufswertes einer massefremden Versicherung an den Insolvenzverwalter führt bei Ausübung und Verwertung vergütungsrechtlich nur in Höhe der korrespondierenden Masseansprüche zu einer Massemehrung.
Der Überschuss aus der Verwertung der Forderung ist bereits unter vergütungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht dem Bereicherungsausgleich zuzuordnen, sondern entsprechend den aus- oder absonderungsrechtlichen Regeln zu betrachten.
AG Düsseldorf v. 29.05.2017 - 502 IN 195/12, ZInsO 2017, 1339
b. Beispiel: Ausgleich von Kosten der Insolvenzmasse durch Andere
Rdnr. 14 Beispiel: Der Insolvenzverwalter beauftragt seinen Sozius mit der Vertretung der Masse in einem Rechtsstreit. Der Prozess endet zum Vorteil der Masse. Der verurteilte Gegner zahlt an die Masse 8.000,00 € zur Deckung der entstandenen Anwaltskosten. Der Verwalter leitet den Betrag an seinen Sozius weiter.1 Auch dies erhöht die Berechnungsgrundlage nicht, da es entsprechend der der amtlichen Begründung zu § 1 Abs. 2 selbstverständlich sein dürfte, "dass von der Masse verauslagte Kosten, die später wieder eingehen, die Berechnungsgrundlage nicht vergrößern können".2 Dass sich die Pflicht des Leistenden evtl. aus einem Schadensersatzanspruch ergibt, ändert diese Bewertung nicht, da auch hier zu berücksichtigen ist, dass der Schadensersatzanspruch den Schädiger dazu zwingt, den Insolvenzschuldner bzw. die Masse so zu stellen, wie sie ohne das schädigende Ereignis stünde. Eine Verbesserung der Insolvenzschuldnerin, der Masse, der Insolvenzgläubiger oder des Insolvenzverwalters ist damit nicht bezweckt.
2 BGH v. 19.11.2020 - IX ZB 21/20, NZI 2021, 245 = ZInsO 2021, 113; LG Schwerin v. 27.02.2009 - 5 T 280/07, ZInsO 2009, 2311; Stephan/Riedel, InsVV, 2, Auf. 2021, § 1 Rdnr. 92; Hess, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 5; dagegen Zimmer, InsVV, 2017, § 1 Rdnr. 54; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 82
Kernentscheidung
Vom Prozessgegner erstattete Prozesskosten und von der Gerichtskasse erstattete, nicht verbrauchte Gerichtskosten sind gegen die von der Masse verauslagten Kosten zu verrechnen; sie erhöhen die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht.
BGH v. 19.11.2020 - IX ZB 21/20, NZI 2021, 245 = ZInsO 2021, 113
Rdnr. 15 Beispiel: Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das Unternehmen auf einen Erwerber übertragen. Das bisherige Pachtverhältnis wird durch den Insolvenzverwalter sofort gekündigt. Gem. § 109 InsO ist die Insolvenzmasse verpflichtet, den Pachtzins für die Kündigungsfrist zu zahlen. Der Insolvenzverwalter hat mit dem Erwerber eine Übernahme von Miet- und Pachtzinsen vereinbart, so dass der Erwerber verpflichtet ist, die Insolvenzmasse von diesen Pachtzinsen freizustellen.
Da keine Unternehmensfortführung im eröffneten Verfahren vorliegt, sind Zahlungen auf diesen Pachtzins in keinem Fall Kosten einer Unternehmensfortführung im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b). Zahlt der Insolvenzverwalter diesen Pachtzins aus der Masse, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 InsO. Kommt der Erwerber seiner Verpflichtung dadurch nach, dass er den entsprechenden Betrag an die Insolvenzmasse zahlt, ist dieser Betrag vollständig als Zufluss zur Insolvenzmasse zu werten. Zwar stellt er sich als Ausgleich einer sonstigen Masseverbindlichkeit dar, doch handelt es sich wirtschaftlich betrachtet nur um einen Teil der Kaufpreisverpflichtung des Erwerbers. Die Zuordnung eines Teils des Kaufpreises zu einer sonstigen Masseverbindlichkeit ändert den Grund für diese Leistung nicht ab. Da der Erwerber diese Leistung nur als Teil seiner Verpflichtungen für den Erhalt des Unternehmens vorgenommen hat, muss die Zuordnung zum Kaufpreis und damit uneingeschränkt zur Insolvenzmasse erhalten bleiben, da auch Beteiligte des Insolvenzverfahrens nicht in der Lage sind, Abweichungen mit Wirkung auf vergütungsrechtliche Zuordnungen vorzunehmen. Da in diesem Fall die Verpflichtung des Erwerbers, eine sonstige Masseverbindlichkeit zu ersetzen oder nicht entstehen zu lassen, ihren Grund allein in der Zahlungsverpflichtung durch den Unternehmenserwerb hat, sind sämtliche Leistungen unabhängig von ihrem Zahlungsweg dem Kaufpreis zuzuordnen und dementsprechend ungekürzt in die Insolvenzmasse als Basis der Vergütung des Insolvenzverwalters aufzunehmen. Zahlt der Erwerber entsprechend seiner Verpflichtung direkt an den Verpächter, so dass eine Zahlung auf eine sonstige Masseverbindlichkeit aus der Insolvenzmasse nicht erfolgen musste, ist bei der Verbuchung darauf zu achten, dass auch diese Zahlung, welche nicht an die Insolvenzmasse erfolgte, als wirtschaftlicher Massezufluss zu werten ist.
Rdnr. 16 Sollte sich der Ausgleichsanspruch des Insolvenzschuldners auf eine Handlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beziehen, in diesem Fall also ein Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten für eine Tätigkeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden haben, ist der eingehende Betrag jedoch vollständig zu berücksichtigen, da dann kein Ausgleich von Kosten der Insolvenzmasse vorliegt. Dies gilt auch für evtl. Verzugszinsen.1
c. Beispiel: ungerechtfertigte Bereicherung der Masse*
Rdnr. 17 Beispiel: Auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin geht eine Zahlung ein, die nicht für die Insolvenzschuldnerin bestimmt war. Damit wird der Zahlbetrag Insolvenzmasse, verbunden mit einer sonstigen Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO, da der Betrag an den Leistenden zurückzuzahlen ist.1 Der Wert einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse ist in der Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Gerichtskosten sowie der Vergütung des Insolvenzverwalters vollständig zu berücksichtigen.2 Nichts anderes gilt, wenn eine rechtsgrundlose Zahlung auf ein vom Insolvenzverwalter eingerichtetes Insolvenzsonderkonto erbracht wird, aus dem die Masse berechtigt ist.3 Zur Behandlung einer Bereicherung des Insolvenzverwalters durch Zahlung auf das Anderkonto siehe Unterscheidung zwischen Massezuflüssen und Leistungen an den Insolvenzverwalter - Rdnr. 68 f.
2 BGH v. 05.03.2015 - IX ZR 164/14, NZI 2015, 362 = ZInsO 2015, 742; Prasser/Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 4/15, § 1 InsVV Rdnr. 83. Einschränkend noch Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 86, welche nur den Betrag berücksichtigen wollen, der z.B. im Fall einer eintretenden Masseunzulänglichkeit in der Masse verbleibt.
3 BGH v. 09.06.2016 - IX ZB 27/15, ZInsO 2016, 1604 (anders die Vorinstanz LG Bochum v. 16.04.2015 - I-7 T 82/15)
Kernentscheidung
Der durch eine irrtümliche Überweisung erlangte Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen seine Bank erhöht die Berechnungsgrundlage für die Kosten des Insolvenzverfahrens.
BGH v. 05.03.2015 - IX ZR 164/14, NZI 2015, 362 = ZInsO 2015, 742
Beispielsentscheidung
Die Übertragung des Kündigungs- und Einziehungsrechtes des Rückkaufswertes einer massefremden Versicherung an den Insolvenzverwalter führt bei Ausübung und Verwertung vergütungsrechtlich nur in Höhe der korrespondierenden Masseansprüche zu einer Massemehrung.
Der Überschuss aus der Verwertung der Forderung ist bereits unter vergütungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht dem Bereicherungsausgleich zuzuordnen, sondern entsprechend den aus- oder absonderungsrechtlichen Regeln zu betrachten.
AG Düsseldorf v. 29.05.2017 - 502 IN 195/12, ZInsO 2017, 1339
Rdnr. 18 Die Pflicht des Insolvenzverwalters auf Herausgabe der rechtsgrundlosen Bereicherung ist jedoch auf das beschränkt, was in der Masse als Bereicherung noch vorhanden ist (§ 818 Abs. 3 BGB).1 Der Insolvenzverwalter hat dem Bereicherungsanspruch die Entreicherung der Masse nach § 818 Abs. 3 BGB entgegen zu halten.2 Hierzu hat der Insolvenzverwalter die den Wegfall der Massebereicherung begründenden Umstände darzulegen und zu beweisen.3 Ein solcher Fall wird immer dann vorliegen, wenn neben den Masseverbindlichkeiten eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger in Betracht kommt. Da die Insolvenzmasse durch die fehlerhafte Überweisung um genau den Betrag der ungerechtfertigten Bereicherung größer ist als ohne den Bereicherungsvorgang, erhöht sich die für die Berechnung der Verfahrenskosten und die Verwaltervergütung maßgebliche Berechnungsgrundlage.1 Obwohl sich der Bereicherungsvorgang und eine Rückzahlung an den Entreicherten insbesondere in Fällen einer vollständigen Kostendeckung für die Insolvenzgläubiger als ein neutraler Vorgang darstellt, würden die Insolvenzgläubiger bei einer vollständigen Befriedigung des Bereicherungsanspruchs immer mit höheren Kosten belastet, welche einzig und allein durch den Bereicherungsvorgang entstanden sind. Denn mit der Ein- und Auszahlung des Betrages der ungerechtfertigten Bereicherung erhöhen sich die Kosten des Verfahrens, welche aus dem für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehenden Betrag finanziert werden. Diese Folge für die Verteilung der Insolvenzmasse haben jedoch nicht die Insolvenzgläubiger zu tragen.1 Die Insolvenzordnung weist das Risiko der Erhöhung der Verfahrenskosten aus einer aufgedrängten Bereicherung durch einen Massegläubiger nicht der Masse zu. Es gibt auch keinen insolvenzrechtlichen Grund, warum dieses Risiko die Masse und damit in erster Linie die Insolvenzgläubiger tragen sollten. Vielmehr spricht auch aus Sicht der Insolvenzordnung alles dafür, dass das Risiko der Erhöhung der Verfahrenskosten infolge der Erhöhung der Berechnungsgrundlage der Bereicherungsgläubiger zu tragen hat.1
2 BGH v. 05.03.2015 - IX ZR 164/14, NZI 2015, 362 = ZInsO 2015, 742; BGH v. 08.05.2008 - IX ZR 229/06, NZI 2008, 426 = ZInsO 2008, 619
3 BGH v. 05.03.2015 - IX ZR 164/14, NZI 2015, 362 = ZInsO 2015, 742; BGH v. 12.05.2011 - IX ZR 133/10, NZI 2011, 586 = ZInsO 2011, 1151
Rdnr. 19 Um dem Bereicherungsgläubiger den Entreicherungseinwand aus den hierdurch erhöhten Gerichtskosten des Verfahrens und der entsprechend erhöhten Verwaltervergütung geltend machen zu können bedarf es jedoch insbesondere hinsichtlich der Verwaltervergütung einer bindenden Festsetzung des Vergütungsanspruchs durch das Insolvenzgericht. Dem Rückzahlungsanspruch des Entreicherten kann der Insolvenzverwalter gem. § 242 BGB in Höhe der von ihm erwarteten Mehrvergütung ein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten, bis seine Vergütung rechtskräftig festgesetzt ist und festgestellt werden kann, ob und in welcher Höhe die rechtsgrundlose Massemehrung zu einer Erhöhung der Vergütung geführt hat.1 Zur Bemessung des hierbei zu bestimmenden Abschlags siehe § 3 - Abschlag wegen Bereicherungsansprüchen gegen die Insolvenzmasse
d. Beispiel: zurückfließende Beträge aus Zahlungen auf Masseverbindlichkeiten
Rdnr. 20 Beispiel: Eine Masseverbindlichkeit des Insolvenzschuldners wird versehentlich doppelt geleistet. Die zweite Zahlung wird nach Erkennung der Fehlüberweisung an die Masse zurückerstattet.1 Eine Einberechnung des Rückflusses der aus der Insolvenzmasse geleisteten Zahlung in die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung würde diesen Masseteil doppelt berücksichtigen. Für die Bestimmung der Insolvenzmasse nach § 1 ist sowohl die Zahlung als auch der Rückfluss außer Betracht zu lassen.2
2 MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 42
Rdnr. 21 Grundsätzlich hat insoweit zu gelten, dass jeder Massezufluss (=Masserückfluss), der wirtschaftlich betrachtet aus einer sonstigen Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 InsO stammt, nicht als neue Insolvenzmasse anzusehen und damit erneut in der Berechnungsgrundlage gem. § 1 InsVV zu berücksichtigen ist.1 Ein Rückfluss von Zahlungen auf sonstige Masseverbindlichkeiten des § 55 Abs. 1 InsO in das für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehende Vermögen führt nur dazu, dass an Stelle einer Verwendung dieses Betrages für eine sonstige Masseverbindlichkeit eine Verwendung zu Gunsten der Insolvenzgläubiger ermöglicht wird. Durch den Rückfluss eines solchen Betrages zeigt sich nur, dass dieser Betrag nicht für eine sonstige Masseverbindlichkeit benötigt wird; eine Vermehrung der Insolvenzmasse, welche eine zusätzliche Berücksichtigung in der Berechnungsgrundlage rechtfertigen würde, ist damit jedoch nicht verbunden. Es fehlt an einer Erweiterung der verteilungsfähigen Insolvenzmasse.2
2 Schoppmeyer, NZI 2024, 41, 46
e. Beispiel: Rückforderungsansprüche der Insolvenzmasse
Rdnr. 22 Dies gilt auch für andere Rückforderungsansprüche der Insolvenzmasse. Zuflüsse, die auf einem Rückforderungsanspruch der Masse beruhen, sind nicht als durch eine Erhöhung der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen.
Rdnr. 23 Beispiel: Nachdem eine überhöhte Forderung vollständig beglichen wurde, fordert der Insolvenzverwalter die Rückzahlung des zu viel gezahlten Betrags. Geht dieser Betrag beim Insolvenzverwalter ein, ist er bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage nicht zu berücksichtigen.1
5. Behandlung der Umsatzsteuer aus der Verwaltervergütung
Rdnr. 24 Die beim Insolvenzschuldner eingehenden Umsatzsteueranteile sind unabhängig davon, ob der Insolvenzschuldner umsatzsteuerabführungspflichtig ist oder nicht, grundsätzlich Bestandteil der Insolvenzmasse und damit bei der Ermittlung des Berechnungswertes gem. § 1 zu berücksichtigen.
a. Umsatzsteuererstattungen aus der Verwaltervergütung
Rdnr. 25 Mit Umsatzsteuerrückflüssen in die Insolvenzmasse ist nicht anders umzugehen als mit anderen Massezuflüssen nach bzw. bei Erstellung der Schlussrechnung. Beträge aus Umsatzsteuererstattungen sind ungekürzt Teile der Insolvenzmasse.1 Dementsprechend sind Einnahmen, die noch nicht feststehen, grundsätzlich bei der Bestimmung der Berechnungsmasse entsprechend § 1 nicht zu berücksichtigen.2 Anders sind jedoch die Massezuflüsse zu behandeln, die zwar noch nicht eingegangen sind, deren Eingang jedoch schon mit Sicherheit feststeht. Steht ein Massezufluss mit Sicherheit fest, ist dieser bereits bei der Schlussrechnung und der hierauf gestützten Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigen.2 Dies gilt auch bei der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Siehe auch § 11 Rdnr. 93: Umsatzsteuerrückfluss aus der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters.
2 BGH v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13, NZI 2015, 388 = ZInsO 2015, 711; BGH v. 25.10.2007 - IX ZB 147/06, NZI 2008, 97 = ZInsO 2007, 1347; BGH v. 17.07.2008 - IX ZB 150/07; BGH v. 01.07.2010 - IX ZB 66/09, ZInsO 2010, 1503; BGH v. 10.03.2011 - IX ZB 210/09, NZI 2011, 326 = ZInsO 2011, 791; AG Friedberg v. 07.07.2015 - 60 IN 202/10, NZI 2015, 908 = ZInsO 2015, 2543
Rdnr. 26 Dies gilt auch allgemein für Steuererstattungsansprüche der Masse, die nach Einreichung der Schlussrechnung mit Sicherheit zu erwarten sind. Auch diese sind bei einer Bejahung eines sicheren Massezuflusses in die Berechnungsmasse einzubeziehen, also dann, wenn sicher zu erwarten ist, dass diese Steuerbeträge auch tatsächlich an die Masse ausbezahlt werden und daher diese erhöhen.1 Der Umstand, dass diese Massezuflüsse nicht vor Erstellung der Schlussrechnung eingingen, kann im Einzelfall willkürlich sein. Gleichwohl erhöhen auch diese Zuflüsse die Insolvenzmasse. Damit ist es ist auch gerechtfertigt, sie bei der Vergütung des Verwalters zu berücksichtigen.2
2 BGH v. 25.10.2007 - IX ZB 147/06, NZI 2008, 97 = ZInsO 2007, 1347; LG Stralsund v. 23.07.2007 - 2 T 87/07, NZI 2007, 16 = ZInsO 2007, 1045; ablehnend LG Schwerin v. 27.02.2009 - 5 T 280/07, ZInsO 2009, 2311
Rdnr. 27 Bei der Umsatzsteuerrückerstattung in die Insolvenzmasse in Höhe der nach § 7 festzusetzenden Umsatzsteuer auf die Vergütung und die Auslagen des Insolvenzverwalters, des vorläufigen Insolvenzverwalters1, des Treuhänders, eines (vorläufigen) Sachwalters sowie der Mitglieder des Gläubigerausschusses liegt folgende Situation zugrunde: Die Masse bzw. die Insolvenzschuldnerin ist umsatzsteuerabführungspflichtig und hat auf die von ihr erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen die hierauf entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Dies berechtigt sie im Gegenzug, die von ihr gezahlten Umsatzsteuerbeträge gemäß § 15 UStG als Vorsteuer abzuziehen. Eine für die Insolvenzmasse vorteilhafte Situation besteht dann, wenn für den maßgeblichen Besteuerungszeitraum ein Überschuss der Vorsteuerbeträge festgestellt wird. Aus den nach der Festsetzung von Vergütung, Auslagen und Umsatzsteuer entnommenen Beträgen hat der Insolvenzverwalter den Umsatzsteuerbetrag an das Finanzamt abzuführen. Diese Umsatzsteuer wird also aus der Insolvenzmasse finanziert und ist in der Situation eines Überschusses an Vorsteuerbeträgen vom Finanzamt zu erstatten und an die Masse auszubezahlen.2 Die sicher zu erwartende Steuerrückerstattung ist als Massezuwachs anzusehen.3 Dem Insolvenzverwalter obliegt es, diesen Umsatzsteuererstattungsanspruch geltend zu machen und zur Masse zu ziehen.4 Verletzt er diese Pflicht, ist er gemäß § 60 InsO allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet.4
2 Ebenso BGH v. 17.07.2008 - IX ZB 150/07; BGH v. 01.07.2010 - IX ZB 66/09, ZInsO 2010, 1503; BGH v. 10.03.2011 - IX ZB 210/09, NZI 2011, 326 = ZInsO 2011, 791
3 BGH v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13, NZI 2015, 388 = ZInsO 2015, 711; LG Stralsund v. 23.07.2007 - 2 T 87/07, NZI 2007, 16 = ZInsO 2007, 1045
4 BGH v. 25.10.2007 - IX ZB 147/06, NZI 2008, 97 = ZInsO 2007, 1347
Rdnr. 28 Soweit die nach § 7 festgesetzte Umsatzsteuer von dem Überschuss der Vorsteuerbeträge abgedeckt wird und auch bei der evtl. vorzunehmenden Differenzierung zwischen den unternehmerischen und dem umsatzsteuerlich irrelevanten privaten Bereich des Insolvenzschuldners durch das Finanzamt zu berücksichtigen ist, bewirkt die Umsatzsteuerfestsetzung des Insolvenzgerichts im Festsetzungsbeschluss einen Zufluss zur Insolvenzmasse, der sich auf die Höhe der Gerichtskosten, die Verwaltervergütung und insbesondere die Befriedigung der Gläubiger auswirkt. Siehe hierzu das Rechenbeispiel Rdnr. 29. (Bei einem Zusammenkommen von Verwertung privaten Vermögens und der Geschäftsausstattung betrifft die Vorsteuerabzugsberechtigung nur die auf den unternehmerischen Teil entfallenden Teile.1)
Kernentscheidungen
Eine Umsatzsteuererstattung, die die Masse bei Einreichung der Schlussrechnung mit Sicherheit noch zu erwarten hat, ist bei der Bemessungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters zu berücksichtigen.
Das gilt auch dann, wenn sich dieser Anspruch aus dem Vorsteuerabzug hinsichtlich der festzusetzenden Vergütung des Verwalters ergibt.BGH v. 25.10.2007 - IX ZB 147/06, NZI 2008, 97 = ZInsO 2007, 1347
Entgegen BGH das LG Schwerin v. 27.02.2009 - 5 T 280/07, ZInsO 2009, 2311
___________________________________________________Eine zu erwartende Umsatzsteuererstattung an die Insolvenzmasse wegen des Vorsteuerabzugs hinsichtlich der festzusetzenden Vergütung des Verwalters ist im Voraus bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters nur in der Höhe zu berücksichtigen, die sich aus der ohne Vorsteuererstattung berechneten Vergütung ergibt.
BGH v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13, NZI 2015, 388 = ZInsO 2015, 711
___________________________________________________Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des - zum Vorsteuerabzug berechtigten - Unternehmens wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
BFH v. 15.04.2015 - V R 44/14, ZInsO 2015, 1328
___________________________________________________Dient ein Insolvenzverfahren über einen Nachlass sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des vormals als Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigten Erblassers wie auch der Befriedigung von dessen Privatverbindlichkeiten, ist der Gesamtrechtsnachfolger aus den Leistungen des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Nachlassinsolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
BFH v. 21.10.2015 - XI R 28/14, NZI 2016, 370 = ZInsO 2016, 764
___________________________________________________1. Im Insolvenzverfahren einer KG, die ihre Tätigkeit bereits vor Insolvenzeröffnung eingestellt hatte, ist über den Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters nach der früheren Unternehmenstätigkeit der KG zu entscheiden.
2. Der Insolvenzverwalter hat seine Leistung erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erbracht. Ein Vorsteuerabzug bereits im Insolvenzverfahren kommt daher nur nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 UStG in Betracht.
BFH v. 02.12.2015 - V R 15/15, ZInsO 2016, 762
Beispielsentscheidung
In die Berechnungsgrundlage der Vergütung eines abgewählten Insolvenzverwalters kann i.a.R. eine USt-Erstattung, die aufgrund des der Insolvenzmasse bzgl. seiner Vergütung zustehenden Vorsteuerabzugsrechts mit Sicherheit zu erwarten ist, nicht einbezogen werden.
AG Norderstedt v. 18.06.2021 – 66 IN 70/13, ZInsO 2021, 1987
Rdnr. 29Nach der Entscheidung des BGH1 ist für die (erste) Vergütungsfestsetzung nicht der gesamte zu erzielende Umsatzsteuerbetrag zu berücksichtigen, sondern nur der Umsatzsteuerbetrag, der sich aus einer Berechnungsgrundlage ohne Berücksichtigung des Umsatzsteuerzuflusses ergibt.2 Die Vergütungsberechnung ist nach dem BGH wie folgt vorzunehmen:
2 Während der BGH auch in seiner Entscheidung v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13, NZI 2015, 388 = ZInsO 2015, 711, ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass auch später zufließende Umsatzsteuerbeträge durch ergänzende Festsetzungen zu berücksichtigen sind, schließt dies AG Hamburg v. 23.05.2016 - 67g IN 184/07, ZVI 2016, 330, ausdrücklich aus: "Um zu vermeiden, dass ein abermaliger Umsatzsteuererstattungsanspruch wieder zur Erhöhung der Insolvenzmasse und damit zu einer Erhöhung der Verwaltervergütung führt, kann der Umsatzsteuererstattungsanspruch nur einmal korrigierend und damit masseerhöhend geltend gemacht werden."
Berechnung der Auswirkungen einer Umsatzsteuererstattung aus der Verwaltervergütung nach BGH v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13
Für diese Berechnung wurden die Zahlen der Entscheidung des BGH v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13 (NZI 2015, 388 = ZInsO 2015, 711) übernommen.
Berechnungsgrundlage vor dem Vergütungsantrag: 4.475,27 €
Regelvergütung: 1.790,11 €
Auslagenpauschale 30%: 537,03 €
Zustellungsauslagen: 18 €
netto insgesamt: 2.345,14 €
19% Umsatzsteuer hierauf: 445,58 €Entsprechend der Entscheidung BGH v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13 (NZI 2015, 388 = ZInsO 2015, 711) ist die Berechnungsgrundlage um diesen Umsatzsteuerbetrag zu erhöhen.
Die Vergütung ist nach BGH wie folgt festzusetzen:
Berechnungsgrundlage also 4.475,27 € plus 445,58 € = 4.920,85 €
Regelvergütung: 1.968,34 €
Auslagenpauschale 30%: 590,50 €
Zustellungsauslagen: 18 €
netto insgesamt: 2.576,84 €
19% Umsatzsteuer hierauf: 489,60 €(Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss ist zuzustellen und öffentlich bekannt zu machen.)
Der Insolvenzverwalter wird diese 489,60 € gegenüber dem Finanzamt geltend machen. Entsprechend der sicheren Erwartung des Verwalters und des Insolvenzgerichts wird das Finanzamt der Masse diesen Betrag auch ersetzen. Der tatsächliche Massezufluss beträgt 489,60 € und nicht nur die für die Festsetzung angesetzten 445,58 €.
Dieser neue, durch das Insolvenzgericht nicht berücksichtigte Massezufluss um 44,02 € berechtigt den Verwalter eine ergänzende Vergütungsfestsetzung zu beantragen.1 Das Insolvenzgericht wird sich dieser Neufestsetzung nicht erwehren können, da aus diesem weiteren Massezufluss eine bessere Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu erwarten ist, was das Insolvenzgericht nicht verhindern darf.
Nachdem die Zahlung des Finanzamts dem Massekonto in Höhe von 489,60 € gutgeschrieben wurde, hat das Insolvenzgericht auf Antrag des Verwalters eine Ergänzungsfestsetzung vorzunehmen:
1. notwendige Ergänzungsfestsetzung:
Berechnungsgrundlage also nun 4.475,27 € plus 489,60 € = 4.964,87 €
Regelvergütung: 1.985,95 €
30 % Auslagen: 595,79 €
Zustellungsauslagen: 18 €
netto insgesamt: 2.599,74 €
19% Umsatzsteuer hierauf: 493,95 €(Auch dieser Vergütungsfestsetzungsbeschluss ist zuzustellen und öffentlich bekannt zu machen.)
Der Insolvenzverwalter wird nun erneut die Differenz zwischen diesem Umsatzsteuerbetrag (493,95 €) und dem Betrag des ersten Umsatzsteuerausweises in der ursprünglichen Vergütungsfestsetzung (489,60 €) in Höhe von 4,35 € gegenüber dem Finanzamt geltend machen. Evtl. erkennt das Finanzamt dies an und erstattet auch diesen Betrag an die Masse. Damit ist die Vergütung erneut zu berechnen (so der Verwalter nicht darauf verzichtet).
2. notwendige Ergänzungsfestsetzung:
Berechnungsgrundlage also nun 4.475,27 € plus 493,95 € = 4.969,22 €
Regelvergütung: 1.987,69 €
30 % Auslagen: 596,31 €
Zustellungsauslagen: 18 €
netto insgesamt: 2.602,00 €
19% Umsatzsteuer hierauf: 494,38 €(Auch dieser 3. Festsetzungsbeschluss ist zuzustellen und öffentlich bekannt zu machen.)
Konsequenterweise kann auch die erneut eingetretene Differenz zur Grundlage eines weiteren Vergütungsergänzungsantrags gemacht werden. Inzwischen stehen die damit verbundenen Belastungen durch die Neubeantrag und Neufestsetzung allerdings in keinem angemessenem Verhältnis zu den zu erzielenden Massezufluss.
3. notwendige Ergänzungsfestsetzung:
Berechnungsgrundlage also nun 4.475,27 € plus 494,38 € = 4.969,65 €
Regelvergütung: 1.987,86 €
30 % Auslagen: 596,36 €
Zustellungsauslagen: 18 €
netto insgesamt: 2.602,22 €
19% Umsatzsteuer hierauf: 494,42 €(Letztlich ist auch der 4. Festsetzungsbeschluss zuzustellen und öffentlich bekannt zu machen.)
Zur Verdeutlichung ist diese Berechnung zuende zu bringen:
4. notwendige Ergänzungsfestsetzung:
Berechnungsgrundlage also nun 4.475,27 € plus 494,42 € = 4.969,69 €
Regelvergütung: 1.987,88 €
30 % Auslagen: 596,36 €
Zustellungsauslagen: 18 €
netto insgesamt: 2.602,24 €
19% Umsatzsteuer hierauf: 494,43 €(Wie die anderen Beschlüsse wäre auch 5. Beschluss über die Vergütungsfestsetzung zuzustellen und öffentlich bekannt zu machen.)
Durch eine weitere Erhöhung der Berechnungsgrundlage um die letzte Differenz von 0,01 € verändert sich die Vergütungsfestsetzung nicht mehr.
Fazit
Die vom BGH vorgegebene Vorgehensweise führt, da sie auf die mathematischen Notwendigkeiten aus dem Vergütungssystem der InsVV nicht eingeht, zu mehreren Festsetzungen, Zustellungen und Veröffentlichungen, ohne einen Vorteil zu bewirken. Vielmehr ist sie geeignet zu verhindern, dass der Masse aus der an das Finanzamt tatsächlich abgeführten Umsatzsteuer ein Betrag zufließt, der eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger erhöht.
Bei einer Berechnungsweise wie in dem Berechnungsbeispiel unter Rdnr. 34, welche allerdings vom BGH abgelehnt wurde, könnte in erheblich einfacherer Weise der tatsächliche Massezufluss berücksichtigt werden, ohne dass dies mit Nachteilen für einen der Beteiligten verbunden wäre.
Sollte ein prognostizierter Massezufluss tatsächlich einmal ausbleiben wäre ist das Insolvenzgericht nicht gehindert, die ursprüngliche Festsetzung auf den richtigen Betrag der Berechnungsgrundlage zu korrigieren. Dem Insolvenzverwalter kann hierzu unproblematisch aufgegeben werden, dass Insolvenzgericht über die Höhe des konkreten Massezuflusses zu informieren.
Wirtschaftliche Auswirkungen dieses Massezuflusses aus der Umsatzsteuer der Verwaltervergütung:
In diesem Beispiel nach den Zahlen des BGH erhält die Masse aus der vom Insolvenzverwalter abgeführten Umsatzsteuer insgesamt zusätzliche 494,44 €.
Der nun höhere Wert der Insolvenzmasse ist bei der Ermittlung der Gerichtskosten zu berücksichtigen!
Die Netto-Vergütung des Verwalters erhöht sich um 257,10 € (=52% des Massezuflusses),
188,48 € stehen zusätzlich zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung (=38% des Massezuflusses) und
48,86 € fließen als Umsatzsteueranteil wieder an das Finanzamt (=10% des Massezuflusses).
Rdnr. 30In jedem Fall der Berücksichtigung von nur prognostizierten Massezuflüssen in der Vergütungsfestsetzung ist dem Insolvenzverwalter aufzugeben, dem Insolvenzgericht über die konkrete Höhe des tatsächlich erfolgten zusätzlichen Massezuflusses Bericht zu erstatten. Ergibt sich hieraus, dass der konkrete Massezufluss hinter dem prognostizierten und berücksichtigten Betrag zurückgeblieben ist, ist das Insolvenzgericht berechtigt, auch ohne einen Antrag die bereits vorgenommene Vergütungsfestsetzung auch zu Lasten des Insolvenzverwalters abzuändern. Eine bereits eingetretene Rechtskraft hinsichtlich der (ersten) Vergütungsentscheidung steht einer Abänderung nicht entgegen, da der Umstand, dass der erwartete Massezufluss unterbleibt, nicht Bestandteil der Vorentscheidung gewesen ist.
b. Zur Kritik an der Berücksichtigung des Umsatzsteuerrückflusses
Rdnr. 31 Der Entscheidung des BGH wird zum Teil entgegengehalten, dass durch die Umsatzsteuerrückerstattung die Insolvenzmasse tatsächlich nicht erhöht werde, sondern nur die aus der Insolvenzmasse gezahlten Kosten wieder zur Insolvenzmasse zurückfließen.1 Hierbei wird auf die Begründung zur InsVV zu § 1 verwiesen, dessen letzter Absatz folgendes enthielt: "Nicht übernommen worden ist § 2 Nr. 3 Abs. 2 der bisherigen Vergütungsverordnung: Es dürfte selbstverständlich sein, daß von der Masse verauslagte Kosten, die später wieder eingehen, die Berechnungsgrundlage nicht vergrößern können."
§ 2 Nr. 3 Abs. 2 VergVO lautete: "Gehen verauslagte Prozeß- oder Vollstreckungskosten wieder ein, so werden sie gegen die verauslagten Kosten verrechnet."
Rdnr. 32 Diese Kritik übersieht, dass es sich bei dem Umsatzsteuerrückfluss nicht um verauslagte Kosten handelt. Es handelt sich vielmehr um eine sonstige Masseverbindlichkeit der Masse, welche nur aufgrund einer besonderen Konstellation ausnahmsweise wieder zur Masse zurückfließt. Dies ist nicht damit zu vergleichen, dass die Masse Beträge für Drittschuldner auslegt, die später von den Drittschuldnern ausgeglichen werden.
Rdnr. 33 Aus den besonderen Umständen des Umsatzsteuerrückflusses ergibt sich eine insbesondere für die Insolvenzgläubiger vorteilhafte Situation. Während der an die Insolvenzgläubiger ausschüttbare Betrag ohne einen Umsatzsteuerrückfluss um die Höhe der Brutto-Vergütung inkl. des Umsatzsteuerbetrags verringert wird, erhalten die Insolvenzgläubiger bei einem Umsatzsteuerrückfluss trotz der Heraufsetzung der Verwaltervergütung mehr. Dieser besondere Vorteil der Insolvenzgläubiger beruht auf dem Vorsteuerguthaben des Insolvenzschuldners und gelangt nur deshalb in die Insolvenzmasse, weil dem Insolvenzverwalter ein Umsatzsteuerausgleich zu gewähren ist. Angesichts des Verhältnisses zwischen dem besonderen Massezufluss und der sehr geringen zusätzlichen Vergütung des Insolvenzverwalters hieraus fehlt es an einer Begründung, entgegen dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 4 diesen Massezufluss nicht in der Vergütung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen.
c. Notwendiger Vortrag zum Umsatzsteuerrückfluss
Rdnr. 34 Die nach § 7 festzusetzende Umsatzsteuer wirkt sich nur dann auf die Vergütung des Insolvenzverwalters positiv aus, wenn folgende Voraussetzungen zusammen vorliegen:
- - Umsatzsteuerpflichtigkeit der Insolvenzmasse
- - Überschuss der Vorsteuerbeträge zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin
Rdnr. 35 Der Zufluss über die Umsatzsteuererstattung wird einerseits durch die Höhe der nach § 7 festgesetzten Umsatzsteuer und anderseits durch den Betrag des Vorsteuerguthabens begrenzt. Während die Umsatzsteuer nach § 7 dem Insolvenzgericht bekannt ist bzw. berechnet wird, hat es ohne weiteren Vortrag des Insolvenzverwalters keine Kenntnisse über die Umsatzsteuerpflichtigkeit und die Höhe des Vorsteuerüberschusses. Hierzu hat der Insolvenzverwalter spätestens in seinem Vergütungsantrag vorzutragen.
Praxistipp
Um den Umsatzsteuerzufluss aus der Verwaltervergütung für eine Erhöhung der Berechnungsgrundlage nutzen zu können, ist im Vergütungsantrag vorzutragen, dass und weshalb eine Umsatzsteuerpflichtigkeit der Insolvenzmasse vorliegt und in welcher - den Umsatzsteuerzufluss übersteigenden - Höhe ein Vorsteuerüberschuss vorliegt.
Rdnr. 36 Sollte der Vortrag des Insolvenzverwalters keine Ausführungen zur Umsatzsteuerpflicht und der Höhe des Vorsteuerüberschusses enthalten, hat das Insolvenzgericht den Insolvenzverwalter aufzufordern, seinen Vortrag hierzu zu ergänzen. Erst dann, wenn das Insolvenzgericht positiv feststellen kann, dass für die Zeit nach Einreichung der Schlussrechnung aufgrund der auf die Verwaltervergütung zu zahlenden Umsatzsteuer tatsächlich eine Umsatzsteuererstattung sicher zu erwarten ist, kann es diese bei der Bemessungsgrundlage berücksichtigen.1 Ist ein Massezufluss, insbesondere mangels eines nachvollziehbaren und belegten Vortrags des Insolvenzverwalters, nicht nachvollziehbar, ist die Umsatzsteuer nach § 7 nicht in der Berechnungsmasse entsprechend § 1 zu berücksichtigen.
Rdnr. 37 Einen Automatismus zwischen einer Umsatzsteuerfestsetzung und einem Massezufluss gibt es nicht. Allein der Hinweis auf die Umsatzsteuerpflichtigkeit der Insolvenzmasse bzw. der Insolvenzschuldnerin ist nicht ausreichend, um die Umsatzsteuer nach § 7 als Massezufluss anzuerkennen und bei der Berechnungsmasse zu berücksichtigen. Erschöpft sich der Vortrag des Insolvenzverwalters zu diesem Punkt auf einen Hinweis auf die Umsatzsteuerpflichtigkeit der Insolvenzschuldnerin kann das Insolvenzgericht die Berücksichtigung der Umsatzsteuer nach § 7 in der Berechnungsmasse entsprechend § 1 berechtigterweise ablehnen.1 In Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen hat der Insolvenzverwalter substantiiert vorzutragen, ob der Insolvenzschuldner umsatzsteuerpflichtig war, ob die Voraussetzung für eine Umsatzsteuerrückfluss vorliegen und welcher Teil der aus der Masse geleisteten Umsatzsteuer mit Sicherheit zurückfließen wird. Da in diesen Verfahren sowohl das unternehmerische Vermögen als auch das Privatvermögen durch den Insolvenzverwalter zu verwerten ist, wird gem. § 15 Abs. 2 UStG nicht der volle Vorsteueranspruch aus dem Vergütungsantrag zur Masse fließen.2 Der Insolvenzverwalter hat in diesem Fällen nachvollziehbar darzulegen, welche konkreten Beträge bzw. Anteile hiervon in die Masse fließen werden. Ist er hierzu nicht in der Lage, solle der mögliche Massezufluss nicht berücksichtigt werden und eine Änderung der Vergütungsfestsetzung erst dann vorgenommen werden, wenn ein entsprechender Betrag tatsächlich beim Insolvenzverwalter eingegangen ist.
2 BFH v. 15.04.2015 - V R 44/14, ZInsO 2015, 1328, Sächsisches FG v. 23.07.2014 – 2 K 698/14, EFG 2015, 169. Ausführlich hierzu Reck, ZInsO 2011, 267
d. Voraussetzung: sicher zu erwartende Masseerhöhung
Rdnr. 38 Ebenso wie bei anderen, zu erwartenden Massezuflüssen ist es ausreichend, wenn die Masseerhöhung sicher zu erwarten ist.1 Dazu genügt es, wenn nach dem normalen Lauf der Dinge ohne besondere Zweifel damit gerechnet werden kann, dass sich der zu erwartende Massezufluss auch tatsächlich einstellen wird. Die sichere Erwartung ist nicht mit einer Sicherheit zu verwechseln. Eine Sicherheit besteht nur dann, wenn der Massezufluss tatsächlich erfolgt ist. Solange dies nicht der Fall ist, sind immer Möglichkeiten denkbar, welche nicht vorherzusehen waren, gleichwohl einen Massezufluss verhindern können.
Rdnr. 39 Für die Vergütungsberechnung des Insolvenzverwalters bedeutet dies, dass immer dann, wenn der Insolvenzverwalter die Voraussetzungen für einen Massezufluss aus der auf seine Vergütung und seine Auslagen festzusetzenden Umsatzsteuer substantiiert vorträgt und keine Anhaltspunkte vorhanden sind, die gegen einen Massezufluss sprechen, dieser Massezufluss dadurch zu berücksichtigen ist, dass die Berechnungsgrundlage um den entsprechenden Betrag zu erhöhen ist. Dabei steht es dem Verwalter frei, den nur sicher zu erwartenden Massezufluss bereits in seinem (ersten) Vergütungsantrag zu berücksichtigen. Entscheidet sich der Verwalter, diesen Massezufluss erst später geltend zu machen, wenn der Betrag bereits tatsächlich geflossen ist, ist er durch die bereits rechtskräftig gewordene Vergütungsfestsetzung nicht gehindert.1
Kernentscheidung
Ein nach der Einreichung des Vergütungsantrags bei Gericht erfolgender Massezufluss stellt eine neue Tatsache dar, die grundsätzlich eine nachträgliche Festsetzung der Vergütung ermöglicht. Berücksichtigt der Insolvenzverwalter bei seinem ersten Vergütungsantrag sicher zu erwartende, zukünftige Massezuflüsse nicht, führt dies nicht zur Präklusion für einen ergänzenden Festsetzungsantrag.
BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82
Beispiel einer Berechnung der Auswirkungen einer Umsatzsteuererstattung aus der Verwaltervergütung
Die Insolvenzschuldnerin ist vorsteuerabzugsberechtigt und kann geleistete Umsatzsteuer bis zu einem Betrag von 100.000 € ersetzt verlangen.
Berechnungsgrundlage vor dem Vergütungsantrag: 400.000 €
Vergütung des Verwalters 125 % des Regelsatzes nach § 2 Abs. 1 bei einer Verfahrensdauer von 3 Jahren.1. Rechenschritt: Errechnung der grundlegenden Umsatzsteuer
Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV bei 400.000 € = 34.750,00 €
125 % hiervon = 43.437,50 €
Auslagen für 3 Jahre (maximal 30 % von 34.750 €),
beschränkt auf 9.000 € (36 Monate à 250 €) = 9.000,00 €Festsetzung ohne Berücksichtigung des Massezuflusses:
Vergütung: 43.437,50 €
Auslagen 9.000,00 €
insgesamt netto 52.437,50 €
19 % Umsatzsteuer hierauf 9.963,13 €Durch die Umsatzsteuer zu erwartender Massezufluss = 9.963,13 €
2. Rechenschritt: Berücksichtigung des Massezuflusses
Erhöhung der Berechnungsgrundlage von 400.000 €
um die Umsatzsteuer + 9.963,13 €
auf = 409.963,13 €Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV bei 409.963,13 € = 35.048,89 €
125 % hiervon =43.811,11 €
Auslagen für 3 Jahre (maximal 30 % von 35.048,89 €)
beschränkt auf 9.000 € (36 Monate à 250 €) = 9.000,00 €Festsetzung mit Berücksichtigung des Massezuflusses:
Vergütung: 43.811,11 €
Auslagen: 9.000,00 €
insgesamt netto: 52.811,11 €
19 % Umsatzsteuer hierauf: 10.034,11 €Ergebnis in diesem Beispiel:
Durch die Berücksichtigung des Massezuflusses aus der Umsatzsteuer von 9.963,13 € erhöhte sich die Netto-Vergütung des Insolvenzverwalters um 373,61 € (= ca. 3,75 %).
In diesem Beispiel wurde der Massezufluss aus der Umsatzsteuer nur einmalig berücksichtigt. Die Erhöhung der Berechnungsgrundlage hat aber neben der Erhöhung der Vergütung auch eine weitere Erhöhung der Umsatzsteuer zur Folge. Auch diese ist einzuberechnen und dementsprechend die Berechnung erneut vorzunehmen.
Rdnr. 41 Zwar ist das LG Stralsund1 der Ansicht, die Erhöhung der Masse um die zurückfließende Umsatzsteuer dürfe nicht endlos zu einer Masseerhöhung führen und sei daher nur einmalig zu berücksichtigen, doch gibt es weder eine endlose Berücksichtigung noch eine mehrmalige Berücksichtigung. Das LG Stralsund verwechselt dabei den Umstand, dass der zu erwartende Massezufluss aus der Umsatzsteuer in mehreren Rechenschritten ermittelt werden muss, mit einer mehrfachen Berücksichtigung. Denn wie das bisherige Beispiel zeigt, stimmt die im zweiten Rechenschritt ermittelte Umsatzsteuer (10.034,11 €) nicht mit der des ersten Rechenschrittes (9.963,13 €) überein. Um den richtigen Betrag zu ermitteln, sind weitere Rechenschritte notwendig, die allerdings nicht endlos gehen, wie das LG Stralsund in Verkennung der mathematischen Folgen annimmt.
Fortsetzung des Berechnungsbeispiels:
Nunmehr ermittelter Massezufluss aus der Umsatzsteuer = 10.034,11 €
3. Rechenschritt: Einberechnung der erneuten Auswirkungen auf die Umsatzsteuer
Erhöhung der Berechnungsgrundlage von 400.000 €
um die Umsatzsteuer + 10.034,11 €
auf = 410.034,11 €
Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV bei 410.034,11 € = 35.051,02 €
125 % hiervon = 43.813,78 €
Auslagen für 3 Jahre (maximal 30 % von 35.051,02 €),
beschränkt auf 9.000 € (36 Monate à 250 €) = 9.000,00 €
Festsetzung mit Berücksichtigung des Massezuflusses:
Vergütung 43.813,78 €
Auslagen 9.000,00 €
insgesamt netto 52.813,78 €
19 % Umsatzsteuer hierauf 10.034,62 €
Nun beträgt die Differenz zwischen dem Umsatzsteuerbetrag des 2. Rechenschrittes (10.034,11 €) gegenüber dem des 3. Rechenschrittes (10.034,62 €) noch 0,51 €.4. Rechenschritt: Erneute Einberechnung der weiteren Wirkungen
Erhöhung der Berechnungsgrundlage von 400.000 €
um die Umsatzsteuer + 10.034,62 €
auf = 410.034,62 €
Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV bei 410.034,62 € = 35.051,04 €
125 % hiervon = 43.813,80 €
Auslagen für 3 Jahre (maximal 30 % von 35.051,04 €)
beschränkt auf 9.000 € (36 Monate à 250 €) = 9.000,00 €Festsetzung mit Berücksichtigung des Massezuflusses:
Vergütung 43.813,80 €
Auslagen 9.000,00 €
insgesamt netto 52.813,80 €
19 % Umsatzsteuer hierauf 10.034,62 €
Im 4. Rechenschritt hat sich die Netto-Vergütung um 0,02 € erhöht, was allerdings keine Auswirkung auf die Höhe des Umsatzsteuerbetrages hat. Weitere Rechenschritte sind daher nicht notwendig.Ergebnis:
Bei einem Massezufluss durch die Umsatzsteuer auf die Vergütung und Auslagen des Insolvenzverwalters erhöht sich die ursprüngliche Netto-Vergütung des Insolvenzverwalters in diesem Fall von 43.437,50 € (ohne Berücksichtigung des Massezuflusses) auf 43.813,80 €, mithin um 376,30 €, d.h. um weniger als 1 %.
Durch die durch den Massezufluss bewirkte Erhöhung der Verwaltervergütung erhöht sich der Umsatzsteuerbetrag von 9.963,13 € auf 10.034,62 €, d.h. um 71,49 €.
Nach der Entscheidung des BGH v. 26.02.20151 ist der Massezufluss aus der Umsatzsteuer auf die Verwaltervergütung und damit die Auswirkungen auf die Vergütungshöhe jedoch in der ersten Vergütungsfestsetzung nicht auf diese Weise zu berechnen. Vielmehr ist nur derjenige Vorsteuerbetrag in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen, der sich nach der ohne eine Vorsteuererstattung ermittelten Vergütung des Insolvenzverwalters bemisst.2 Zwar kann und muss auch nach dieser Entscheidung des BGH der Insolvenzverwalter den Vorsteuerbetrag, der sich aus der so (unter Einbeziehung der "ersten" Vorsteuererstattung) ermittelten Vergütung und der von ihm entsprechend auszustellenden Rechnung3 ergibt, für die Masse beim Finanzamt geltend machen. Kommt es zu einer Vorsteuererstattung, dann stellt dies einen nachträglichen Massezufluss dar, der grundsätzlich erneut bei der Berechnungsgrundlage berücksichtigt werden und zu einer weiteren Erhöhung der Vergütung führen kann. Der BGH zieht hieraus jedoch nicht die Konsequenz, entsprechend der obigen Berechnung die vollständigen und sicher absehbaren Massezuflüsse bei der Vergütungsberechnung zu berücksichtigen, da nicht sicher sei, dass die entsprechenden Erstattungen auch tatsächlich vollständig erfolgen. Zweifel bestünden insoweit, weil die späteren Erstattungsanträge eine Berichtigung des ursprünglich geltend gemachten Vorsteuerabzugs zum Gegenstand hätten, deren Ursache allein darin läge, dass sich durch die vorangegangene, dieselbe Leistung betreffende Vorsteuererstattung die Vergütung des Insolvenzverwalters und damit die Grundlage für die Bemessung der Vorsteuer änderte. Damit springt der BGH jedoch in der logischen Reihenfolge zurück, als er den Zufluss nunmehr als nicht ausreichend sicher für eine vorweggenommene Berücksichtigung ansieht. Konsequent wäre gewesen, nur einen Teil des voraussichtlichen Masserückflusses aus der Umsatzsteuer als sicher und damit berücksichtigungswürdig anzusehen. In der Praxis hat eine Übernahme dieser Rechtsansicht des BGH jedoch nur zur Folge, dass in den Fällen, in denen aus einer ersten Festsetzung ein Rückfluss erfolgt und der Insolvenzverwalter einen zweiten, weiteren Rückfluss nachweisen kann, das Gericht auf Antrag des Verwalters einen ergänzenden Vergütungsbeschluss erlassen muss. Im Fall des Beispiels unter Rdnr. 40 f. wären daher drei Festsetzungsentscheidungen notwendig.
2 BGH v. 26.02.2015 - IX ZB 9/13, NZI 2015, 388 = ZInsO 2015, 711; LG Stralsund v. 23.07.2007 - 2 T 87/07, NZI 2007, 16 = ZInsO 2007, 1045; so auch MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 8 InsVV Rdnr. 25 und Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl. 2010, Rdnr. 166, welche ebenso in Verkennung des mathematischen Rechenwegs davon ausgehen, es würde sich um eine endlose Berechnung handeln.
3 BFH v. 26.09.2012 – V R 9/11, NZI 2013, 263 = ZInsO 2013, 354
e. Behandlung von Abgeltungssteuerbeträgen
Rdnr. 42 Ebenso wie die Umsatzsteuer handelt es sich bei der Kapitalertragssteuer (Zinsabschlagssteuer) nach §§ 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG um eine sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 InsO.1 Eine Besonderheit besteht jedoch insoweit, als die hiernach der Masse obliegende Steuerlast nicht von der Masse an das Finanzamt zu leisten ist, sondern das entsprechende Kreditinstitut verpflichtet ist, einen Zinsabschlag von 25% des Kapitalerlöses zuzüglich des Solidaritätszuschlags einzubehalten und an den Fiskus abzuführen. Daher "fließt" dieser Betrag direkt an den Fiskus, ohne auf dem Insolvenzverwalteranderkonto sichtbar zu werden.
Rdnr. 43 Auch für solche Fälle gilt grundsätzlich die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 mit der Wirkung, dass die von den Kreditinstituten als Kapitalertragssteuer einbehaltenen Beträge als Insolvenzmasse anzusehen und in der Berechnungsgrundlage gem. § 1 zu berücksichtigen sind.1 Die während eines Insolvenzverfahrens erwirtschafteten Einnahmen aus Kapitalzinsen gehören in gleicher Weise in die Insolvenzmasse wie die Einnahmen aus einer Unternehmensfortführung. Ob solche Einnahmen aufgrund steuerlicher Regelungen mit sonstigen Masseverbindlichkeiten gem. § 55 InsO verbunden sind, spielt für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage gem. § 1 nur in dem engen Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 eine Rolle. Nur dann, wenn eine Steuerverbindlichkeit unter eine der beiden Ausnahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 fällt, kann sich diese auf die Ermittlung des Wertes der Berechnungsgrundlage auswirken. Hinsichtlich der Zinsabschlagssteuer ist dies daher nur ausnahmsweise dann möglich, wenn die unternehmerische Tätigkeit des Insolvenzschuldners in einer Kapitalanlage besteht. Dies dürfte in der Praxis nur äußerst selten anzutreffen sein.
Grundsatz
Beträge, die als Kapitalertragssteuer oder Zinsabschlagssteuer gem. §§ 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG von einem Kreditinstitut einbehalten und an den Fiskus abgeführt werden, sind als Teil der Insolvenzmasse in der Berechnungsgrundlage gem. § 1 InsVV zu berücksichtigen, wenn nicht ausnahmsweise der Zinserlös als Einnahme im Rahmen einer Unternehmensfortführung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 b) InsVV anzusehen ist.
Rdnr. 44 Die insoweit entgegengesetzte Entscheidung des LG Aachen1 ist dagegen abzulehnen. Das LG Aachen hat wie auch das AG Aachen eine Berücksichtigung der Kapitalertragssteuern sowie des Solidaritätszuschlags i.H.v. 2.758,10 € in der Berechnungsgrundlage gem. § 1 abgelehnt, da diese Beträge nicht der Masse erstattet worden sind. Dabei erweiterte das LG Aachen die Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 mit der Begründung, diese Vorschrift müsse "im Lichte der insolvenzrechtlichen Buchführung ausgelegt und verstanden werden." "Durch Zinsabschläge, die bereits von der Bank einbehalten werden, wird eine teilungsmasseerhöhende Verwertungseinnahme nur erwirkt, wenn die Kapitalertragssteuern und Solidaritätszuschläge beim Finanzamt im Rahmen der Steuererklärung erklärt und vom Finanzamt erstattet werden."1
Rdnr. 45 Ob und wie eine evtl. Rückerstattung als Massezufluss zu behandeln wäre, kann an dieser Stelle offenbleiben. Das LG Aachen hatte selbst erkannt, dass die Möglichkeit besteht, dass die Zinsabschlagsbeträge unter Umständen in die Masse zurückfließen können, dieser nach der Formulierung des LG Aachen erstattet werden. Dies macht auch deutlich, dass sie wirtschaftlich betrachtet auch aus der Insolvenzmasse geflossen sind. Auf welchem Wege dies erfolgte, spielt im Rahmen des § 1 keine Rolle. Denn erst dann, wenn der Masse gegen die Bank ein Anspruch auf Kapitalzinsen entstanden ist, kann ein Anspruch des Fiskus gem. §§ 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG entstehen. Ohne eine entsprechende Insolvenzmasse gäbe es daher auch keinen als Kapitalertragssteuer durch die Bank abzuführenden Betrag. Hätte der Gesetzgeber keine direkte Abführungsverpflichtung der Bank eingeführt, wäre der entsprechende Betrag in gleicher Weise aus der Insolvenzmasse zu erbringen, und zwar durch eine Anweisung des Insolvenzverwalters an die Bank, den entsprechenden Betrag an den Fiskus zu überweisen. Die rein technische Frage, ob die Überweisung eines Teils des grundsätzlich der Masse zustehenden Betrags auf Veranlassung des Insolvenzverwalters oder aufgrund einer gesetzlichen Pflicht erfolgte, wirkt sich auf die Auslegung des Grundsatzes des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV, wonach sonstige Masseverbindlichkeiten grundsätzlich nicht von der maßgeblichen Masse abgesetzt werden, nicht aus. Auf die vom LG Aachen erstmalig benannte Auslegungsregel der Betrachtung "im Lichte der insolvenzrechtlichen Buchführung" kommt es insoweit nicht an.
f. Umsatzsteueranteil der Verwertungserlöse
Rdnr. 46 Masseverbindlichkeiten, welche durch die Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters entstehen, sind entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 nicht abzuziehen. Dies gilt auch für die Umsatzsteueranteile der Verwertungserlöse. Die abzuführende Umsatzsteuer ist ebenfalls nur eine sonstige Masseverbindlichkeit, welche nach dem Grundsatz des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 in der Berechnungsgrundlage nicht negativ berücksichtigt wird. Die Verwertungserlöse sind stets mit ihrem Bruttobetrag in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen.1
6. Behandlung von Pflichtteils- und Erbansprüchen in der Berechnungsgrundlage
Rdnr. 47 Der Pflichtteilsanspruch eines Insolvenzschuldners wird mit Rechtshängigkeit pfändbar (§ 852 ZPO) und gehört ab diesem Zeitpunkt zur Insolvenzmasse, § 35 InsO, § 36 Abs. 1 InsO.1 Ob und in welchem Umfang ein Treuhänder oder Insolvenzverwalter in den Besitz des auf den Pflichtteilsanspruch ausgezahlten Geldes gelangt, ist dabei unbeachtlich. In der Wohlverhaltensperiode hätte ein Insolvenzschuldner zwar nur die Hälfte des Pflichtteils an den Treuhänder herausgeben müssen, § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Das ändert indessen nichts daran, dass ein noch während des Insolvenzverfahrens geltend gemachter Pflichtteilsanspruch mit Rechtshängigkeit in vollem Umfang zur Masse gehört.1 Kann der Pflichtteilsanspruch erst nach Beendigung der Wohlverhaltensperiode rechtskräftig durchgesetzt werden, ist über die Anordnung einer Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu entscheiden.2
2 LG Münster v. 13.07.2009 - 5 T 296/09, NZI 2009, 657 = ZInsO 2010, 1155
Kernentscheidungen
Ein der Testamentsvollstreckung unterliegender Nachlass fällt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erben in die Insolvenzmasse.
BGH v. 11.05.2006 - IX ZR 42/05, NZI 2006, 461 = ZInsO 2006, 705
BGH v. 01.03.2007 - IX ZB 280/05, NZI 2007, 412 = ZInsO 2007, 372
___________________________________________________Ein Pflichtteilsanspruch, zu dessen Verfolgung der Schuldner den Treuhänder oder Insolvenzverwalter ermächtigt hat, erhöht die Berechnungsgrundlage für dessen Vergütung, auch wenn der Anspruch noch nicht durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist.
BGH v. 11.06.2015 - IX ZB 18/13, NZI 2015, 821 = ZInsO 2015, 1636
7. Berücksichtigung des nicht verwerteten Vermögens
Rdnr. 48 Vorhandenes, jedoch nicht verwertetes Vermögen ist bei der Bestimmung des Wertes der Insolvenzmasse zu berücksichtigen. Unterlässt beispielsweise ein Treuhänder eine Verwertung von Anlagenvermögen, weil dieses vom Insolvenzschuldner im Rahmen einer Betriebsfortführung genutzt wird, ist der Wert auch dieses Anlagevermögens der Insolvenzmasse hinzuzurechnen, weil es zu dem vom Treuhänder gesicherten und verwalteten Vermögen gehört hat.1 Hat ein Insolvenzverwalter gem. § 35 Abs. 2 InsO eine selbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners freigegeben sind die Werte des dabei freigegebenen Vermögensgegenstände ohne Kürzung in die Berechnungsgrundlage der Vergütung einzubeziehen.2 Durch die Freigabeentscheidung des Insolvenzverwalters findet eine Änderung nur insoweit statt, dass an Stelle einer Verwertung zu Gunsten der Gläubiger ein Verwertungsverzicht zu Gunsten des Schuldners tritt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die entsprechenden Gegenstände grundsätzlich der Insolvenzmasse zuzuordnen sind und sich nur die Art des Austritts aus der Insolvenzmasse von einem 'Austritt über eine Verwertung' in einen 'Austritt durch eine Freigabe' verändert hat. Löst der Schuldner einen Gegenstand ab, ist der Ablösebetrag maßgebend.2 Nicht verwertbares Vermögen, welches weder zur Deckung der Kosten des Verfahrens noch zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung steht, ist nicht zu berücksichtigen.3
2 MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 13
3 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 23
Rdnr. 49 Führt der Insolvenzverwalter das Unternehmen des Schuldners fort, sind auch Geschäftsvorfälle, die noch nicht in Rechnung gestellt worden sind, in der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung zu berücksichtigen.1 Abhanden gekommene Gegenstände, deren Wert nicht in die Insolvenzmasse fließt, sind nicht in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen.2 Vermögensgegenstände (Grundstücke u.a.) welche immer noch mit einem Restitutionsanspruch nach dem VermG belastet sind, sind bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung als unbelastete Insolvenzmasse zu behandeln.3 Der insoweit geltende gemachte Rückübertragungsanspruch entspricht dabei nicht einem Absonderungsrecht.
2 AG Hamburg v. 10.01.2002 - 67c IN 195/01, NZI 2002, 210 = ZInsO 2002, 221; AG Charlottenburg v. 22.05.2002 - 102 IN 766/02, InVo 2003, 154; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 23; Hess, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 40. Für eine Berücksichtigung jedoch MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 13
3 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 73
8. Berücksichtigung von Ansprüchen aus Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung
Rdnr. 50 Ansprüche auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung können in der Liquidation einer Gesellschaft nur realisiert werden, soweit sie zur Liquidation der Gesellschaft erforderlich sind, also zum Zwecke der Beendigung der laufenden Geschäfte oder zur Befriedigung aller Gläubiger. Ein darüberhinausgehender Forderungseinzug wäre sinnlos, weil der eingezogene Betrag anschließend den Gesellschaftern wieder zur Verfügung gestellt werden müsste. Daher ist die Berücksichtigung des Wertes von Ansprüchen auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung nur in dem Rahmen zu berücksichtigen, als diese zur Befriedigung der Masse- und Insolvenzgläubiger inklusive der Kosten des Verfahrens eingezogen werden müssen.1 Ist eine Liquidation der Gesellschaft hingegen nicht beabsichtigt, werden die Ansprüche auf Kapitalerbringung und Kapitalerhaltung nicht auf einen notwendigen Betrag begrenzt. Diese Ansprüche sind vielmehr durch den Insolvenzverwalter in ihrer vollen Höhe realisieren, auch wenn nach Befriedigung der Insolvenzforderungen, der Kosten des Verfahrens und der sonstigen Masseverbindlichkeiten ein Überschuss verbleibt. In der Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalters ist in einem solchen Fall der volle Betrag der tatsächlich realisierten Gesellschaftsansprüche zu berücksichtigen.
Kernentscheidung
Ansprüche auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung sind in der Insolvenz der GmbH bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters in der Höhe zu berücksichtigen, in der ihre Einziehung erforderlich ist, um alle Masse- und Insolvenzgläubiger zu befriedigen.
In diesem Fall mindern Zahlungen Dritter an Insolvenzgläubiger, die im eröffneten Verfahren erfolgen, nicht die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters.BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 230/10, NZI 2012, 315 = ZInsO 2012, 603
BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 150/11, ZInsO 2013, 309; BGH v. 29.03.2012 - IX ZB 134/09, ZInsO 2012, 1236
Rdnr. 51 Da sich damit die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters nach der Höhe der einziehbaren Forderung richtet, die Höhe der einziehbaren Forderung ihrerseits aber wiederum nach der Höhe der Vergütung, muss für die Höhe der einziehbaren Forderung im Wege der Annäherung als Wert ein Betrag geschätzt werden (§ 4 InsO, § 287 ZPO), bei dessen Zugrundlegung alle Insolvenz- und Masseforderungen (inklusive der Forderungen im Sinne des § 39 InsO) gedeckt sind.1
Rdnr. 52 Dabei wirkt sich eine direkte Befriedigung von Insolvenzforderungen durch einen Dritten - beispielsweise dem Verpflichteten der Forderung aus Kapitalaufbringung bzw. Kapitalerhaltung - auf die Berechnungsgrundlage nicht aus. Zwar sinkt durch eine solche Zahlung der Betrag, der mit den Ansprüchen auf Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung zu diesem Zeitpunkt noch durchgesetzt werden könnte, doch führt dies nicht zu einer Absenkung der Berechnungsgrundlage. Andernfalls könnte mit Zahlungen Dritter die Berechnungsgrundlage bis auf die Höhe der Verwaltervergütung und damit auf die Mindestvergütung gedrückt werden. Dies würde der Systematik der gesetzlichen Verwaltervergütung nicht gerecht. Zahlungen Dritter an die Insolvenzgläubiger können in diesem Zusammenhang nicht anders bewertet werden, als hätte der Verwalter die genannten Ansprüche in der erforderlichen Höhe eingezogen.1
9. Berücksichtigung von (Sondermasse-)Ansprüchen nach §§ 92, 93 InsO in der Berechnungsgrundlage?
Rdnr. 53 Bei den in § 92 InsO benannten Ansprüchen handelt es sich um Ansprüche der Insolvenzgläubiger und nicht um originäre Ansprüche des Insolvenzschuldners.1 Die Regelung des § 92 InsO mit seiner Zuweisung des Rechts zur Geltendmachung solcher Ansprüche an den Insolvenzverwalter dient der Gleichbehandlung der Gläubiger, welche sich ohne diese Regelung evtl. einen Vorteil durch einen schnellen Zugriff auf ein Haftungsvermögen verschaffen könnten. Die Geltendmachung eines Gesamtschadensanspruchs2 nach § 92 InsO gehört damit zu den Aufgaben eines Insolvenzverwalters, ohne dass dies mit einer Vergütungsregelung in der InsVV verbunden wäre. Für die Befassung des Insolvenzverwalters und die dadurch entstandenen Belastungen steht dem Insolvenzverwalter ein gesonderter Anspruch auf eine angemessene Vergütung zu.3 Anspruchsgrundlage ist insoweit auch § 63 Abs. 1 Satz 1 InsO, da der Insolvenzverwalter auch insoweit innerhalb des Insolvenzverfahrens und innerhalb seines Aufgabengebiets tätig ist.4 Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters für die Sondermasse ist bereits grundsätzlich nicht von der Vergütung für seine Regeltätigkeit umfasst.3 Dies ergibt sich bereits daraus, dass im Fall einer einheitlichen Vergütungsfestsetzung auch die Gläubiger eine Vergütung für die entsprechende Tätigkeit des Insolvenzverwalters zahlen müssten, die hiervon mangels Zugehörigkeit zur insolvenzrechtlichen Sondermasse gar nicht profitieren.3 Entsprechend hat der BGH für vergleichbare Verfahrenskonstellationen entschieden, dass unbeteiligte Insolvenzgläubiger mit (abgrenzbaren) Verfahrenskosten für Sondersituationen nicht belastet werden sollen.5
2 Zur Abgrenzung zu einem Einzelschaden: BGH v. 13.12.2018 - IX ZR 66/18, ZInsO 2019, 380.
3 LG Detmold v. 21.04.2021 - 3 T 195/20, NZI 2021, 903 = ZInsO 2021, 1307
4 LG Detmold v. 21.04.2021 - 3 T 195/20, NZI 2021, 903 = ZInsO 2021, 1307; Zimmer, InsVV, 2017, § 1 Rdnr. 183
5 BGH v. 05.03.2015 - IX ZR 164/14, NZI 2015, 362 = ZInsO 2015, 742
Beispielsentscheidung
Durch die deliktische Verschiebung von Vermögenswerten (§ 257 StGB) nach Begehung eines Eingehungsbetrugs im Rahmen einer Kapitalanlage tritt ein Gesamtschaden der Insolvenzgläubiger im Sinne des § 92 Satz 1 InsO ein. Dieser kann während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.
Rdnr. 54 Die nach § 92 InsO durchzusetzenden Ansprüche stehen den geschädigten Gläubigern, nicht jedoch dem Insolvenzschuldner selbst zu. Damit sind sie nicht Bestandteil der Insolvenzmasse nach § 35 InsO und können dementsprechend nicht mit ihrem Wert in der Berechnungsgrundlage nach § 1 Abs. 1 berücksichtigt werden.1 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die entsprechenden Tätigkeiten eines Insolvenzverwalters vollständig außer Betracht bleiben dürften. Denn im Einzelfall können die durch § 92 InsO notwendigen Tätigkeiten eine erhebliche Belastung des Insolvenzverwalters bewirken, welche nicht vollständig vergütungslos bleiben darf.
Beispielsentscheidungen
Sondermassen sind kein Teil der Insolvenzmasse und werden es auch nicht. Die Vergütung bestimmt sich nach der Höhe der Sondermasse. Eine Sondermasse wird nicht Teil der vergütungsrechtlichen Berechnungsgrundlage und die darauf gerichtete Tätigkeit ist auch nicht mit der Regelvergütung abgegolten.
LG Detmold v. 21.04.2021 - 3 T 195/20, NZI 2021, 903 = ZInsO 2021, 1307
___________________________________________________Die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, die als Obergesellschaft an einer anderen Kommanditgesellschaft als Untergesellschaft beteiligt ist, haften auch gegenüber den Gläubigern der Untergesellschaft. Diese Haftung wird in der Insolvenz der Untergesellschaft von deren Insolvenzverwalter geltend gemacht, solange nicht über das Vermögen der Obergesellschaft ihrerseits das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Rdnr. 55 Die Separierung des Erlöses aus den Ansprüchen nach § 92 InsO gegenüber der Insolvenzmasse bewirkt, dass die Regelvergütung des Insolvenzverwalters nach § 2 InsVV nicht gegenüber einem Verfahren ohne solche Ansprüche erhöht wird. Damit ist jedoch noch nicht automatisch verbunden, dass die Tätigkeiten und Belastungen des Insolvenzverwalters in Zusammenhang mit seinen Aufgaben nach § 92 InsO nicht durch einen angemessenen Zuschlag gemäß § 3 Abs. 1 InsVV honoriert werden könnten. Hiervon und auch von der Höhe des Zuschlages nach § 3 Abs. 1 InsVV unabhängig ist die Frage, wer diese besondere Vergütung zu tragen hat.
Rdnr. 56 Bei der Betrachtung, wie die Tätigkeiten und Belastungen des Insolvenzverwalters im Rahmen des § 92 InsO honoriert werden können, ist zu berücksichtigen, dass es sich nach der Wertung des Gesetzgebers durch die Zuordnung der Aufgaben nach § 92 InsO auf den Insolvenzverwalter um verfahrensspezifische Besonderheiten eines Insolvenzverfahrens handelt. Diese sind nach der Wertung aus § 63 InsO grundsätzlich entsprechend den Regeln der InsVV zu bemessen. Es dürfte daher angemessen sein, diese Tätigkeiten und Belastungen, die nur einen Insolvenzverwalter betreffen können, mit den Möglichkeiten des insolvenzrechtlichen Vergütungsrechts angemessen zu honorieren. Als Zentralnorm für eine angemessene Berücksichtigung dieser Besonderheit bietet sich allein § 3 Abs. 1 InsVV an.
Rdnr. 57 Die Anwendung der Erhöhungsmöglichkeiten des § 3 Abs. 1 InsVV in normalen Insolvenzverfahren führt bereits bei Berücksichtigung üblicher Erhöhungskriterien eines Insolvenzverfahrens zu erheblichen Schwierigkeiten und gelegentlichen Fehlfestsetzungen. Durch die Verknüpfung des Zuschlages nach § 3 Abs. 1 InsVV mit der Regelvergütung des § 2 InsVV stellt ein Vergütungszuschlag um einen bestimmten Prozentsatz wirtschaftlich betrachtet je nach dem einen unterschiedlichen Wert dar, ob es sich um ein Insolvenzverfahren mit einer reichhaltigen oder einer geringwertigen Insolvenzmasse handelt.1 Dies wird von den Anwendern der InsVV oft nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. So gewähren die Insolvenzgerichte beispielsweise bei dem allgemein anerkannten Zuschlagsargument der großen Gläubigeranzahl2 Zuschläge nicht nur in unterschiedlicher Prozenthöhe, sondern auch in unterschiedlichen Eurobeträgen, obwohl angenommen werden kann, dass sich die Belastung eines Insolvenzverwalters aus einer großen Anzahl von Gläubigern nicht dadurch steigert, dass die Masse werthaltiger wird.3 Beispielsweise gewährte das Landgericht Passau4 insoweit einen Zuschlag um 50 %, während das Amtsgericht Göttingen5 einen Zuschlag von 750 % angemessen hielt. Die Insolvenzverwalter hatten sich dabei mit 30 (Kreditinstituten) bzw. 160.000 Insolvenzgläubigern zu befassen. Aufgrund der unterschiedlichen Werte der Insolvenzmassen errechnete sich ein Zuschlagsbetrag pro Gläubiger von 395,93 € (Passau) bzw. 4,09 € (Göttingen). Diese Differenz des Zuschlags pro Gläubiger zeigt, wie problematisch eine Zuschlagsgewährung allein durch Bemessung eines Prozentsatzes entsprechend § 3 Abs. 1 InsVV sein kann, wenn es sich um einen Umstand handelt, der durch den Wert der Insolvenzmasse nicht beeinflusst wird.
2 Haarmeyer/Mock (InsVV, 5. Aufl. 2014, § 3 Rdnr. 56, 77) lehnen einen solchen Zuschlag grundsätzlich mit dem Argument ab, „weil sich die große Gläubigerzahl meistens in einer deutlich erhöhten Berechnungsgrundlage spiegelt und daher auch mit der Staffelvergütung abgegolten ist“. Eine recht willkürliche Prämisse, welche keinerlei Anhalt in der insolvenzrechtlichen Praxis findet. Dies wurde in der 6. Aufl. 2019 ein wenig relativiert.
3 Eine Auflistung der hierzu ergangenen Entscheidungen und Literaturvorschlägen inkl. €-Beträge findet sich bei § 3 Rdnr. 183.
4 LG Passau v. 17.12.2009 - 2 T 167/09, ZInsO 2010, 158
5 AG Göttingen v. 25.02.2009 - 74 IN 222/07, ZInsO 2009, 688
Rdnr. 58 Richtet sich der Gesamtschadensersatzanspruch gem. § 92 Satz 2 InsO jedoch gegen den Insolvenzverwalter, ist dieser als Bestandteil der Insolvenzmasse anzuerkennen1 und dementsprechend bei der Ermittlung des Berechnungswerts nach § 1 Abs. 1 zu berücksichtigen. Sind die diesbezüglichen Tätigkeiten des nach § 92 Satz 2 InsO neuen Insolvenzverwalters mit erheblichen Belastungen verbunden, kommt auch hier ein Zuschlag gem. § 3 Abs. 1 in Betracht.
Rdnr. 59 Hat das Insolvenzgericht an Stelle der Bestellung eines neuen Insolvenzverwalters, wie es § 92 Satz 2 InsO vorsieht, einen Sonderinsolvenzverwalter bestellt und mit der Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruchs beauftragt, ist entsprechend der Begrenzung des Aufgabenbereichs des Sonderinsolvenzverwalters der Wert des Schadensersatzanspruchs als Berechnungswert anzusetzen.
Rdnr. 60 Die besondere Vergütung des Insolvenzverwalters für seine Tätigkeiten im Rahmen der §§ 92, 93 InsO ist nach den Regeln der InsVV auf der Basis des Wertes dieses Erlöses zu bemessen.1 In Verfahren, in denen der Insolvenzverwalter insoweit 20 unterschiedliche Forderungen geltend und den Erlös an 20 Berechtigte zu verteilen hat, ist der Ansatz einer Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV angemessen. Erhebliche Abweichungen, welche mit erheblichen Be- oder Entlastungen des Insolvenzverwalters verbunden sind, können angemessen durch eine Erhöhung oder Herabsetzung entsprechend den Grundsätzen des § 3 InsVV berücksichtigt werden.2 Die Regelungen zur Mindestvergütung gemäß § 2 Abs. 2 InsVV, einer gesonderten Auslagenpauschale gemäß § 8 Abs. 3 InsVV sowie der Ergänzung um den entsprechenden Umsatzsteuerbetrag gemäß § 7 InsVV gelten insoweit uneingeschränkt. Diese Vergütung ist neben den hierdurch entstandenen Kosten vor einer Verteilung dem Erlös zu entnehmen. Im Falle einer erfolglosen Tätigkeit oder eines unzureichenden Erlöses haftet die Insolvenzmasse nicht für den diesbezüglichen Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters.
2 Zustimmend Budnik, NZI 2021, 903; Pohlmann-Weide, NZI 2022, 597
10. Massegenerierung gegen den Willen der Gläubigerversammlung
Rdnr. 61 Im Rahmen der Verwertungsmaßnahmen hat der Insolvenzverwalter die Entscheidungen der Gläubigerversammlung zu beachten, welche dem Insolvenzverwalter nach § 159 InsO Vorgaben machen kann, wie welche Massebestandteile zu verwerten sind. In diesem Rahmen kann die Gläubigerversammlung u.a. dem Insolvenzverwalter untersagen, Kapital- und Schadensersatzansprüche gemäß § 32b GmbHG, § 64 GmbHG durchzusetzen. Eine entsprechende Entscheidung der Gläubigerversammlung bindet den Insolvenzverwalter jedoch nicht.
Rdnr. 62 Es könnte in einem solchen Fall streitig sein, ob ein Insolvenzverwalter, der entgegen den Willen der Gläubigerversammlung Masse generiert, berechtigt ist, den hierdurch bewirkten Massezufluss als Bestandteil der Berechnungsgrundlage seines Vergütungsanspruchs geltend zu machen.1 Gründe, die gegen eine Berücksichtigung sprächen, enthält die InsVV nicht. Ist der Massezufluss aus einem dem Insolvenzschuldner zuzuordnenden Anspruch heraus bewirkt worden und dementsprechend als Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO anzusehen, ist der entsprechende Wert bei der Bestimmung des Berechnungswerts des § 1 in jedem Fall zu berücksichtigen. Die Gläubigerversammlung hat zwar das Recht, auf die Entscheidungen des Insolvenzverwalters über die Regelung des § 159 InsO u.a. einzuwirken, besitzt jedoch keine Rechtsmacht, zu beeinflussen, was als Insolvenzmasse i.S.v. § 35 InsO, § 1 InsVV anzuerkennen ist und/oder welche Beträge insoweit bei der Berechnung der Verwaltervergütung in Ansatz zu bringen sind.
Rdnr. 63 Selbst dann, wenn ein Insolvenzverwalter bei Beachtung einer Untersagung einer Verwertung durch die Gläubigerversammlung gem. § 159 InsO einen Anspruch des Insolvenzschuldners nicht verwertet, ist der Wert dieses Teils der Insolvenzmasse bei der Bestimmung des Berechnungswerts nach § 1 Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
11. Keine Begrenzung der Berechnungsgrundlage durch die Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen
Rdnr. 64 Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO wird der Regelsatz der Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens berechnet. Soweit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV die Vergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet wird, auf die sich die Schlussrechnung bezieht, enthält dies trotz der unterschiedlichen Formulierung keinen anderen zeitlichen Anknüpfungspunkt für den Wert der Insolvenzmasse als § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO.1 Maßgeblich für die Berechnungsgrundlage ist daher die gesamte Insolvenzmasse, die für eine Verteilung unter den Gläubigern zur Verfügung steht.2 Zur Berechnungsgrundlage für die Vergütung zählen somit alle Vermögenswerte, die zum Zeitpunkt der Beendigung der zu vergütenden Tätigkeit zu dem gesicherten und verwalteten Vermögen gehört haben.3 Demgemäß soll die Vergütung des Insolvenzverwalters nach der gesetzgeberischen Konzeption der § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 66 InsO, § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Satz 3 InsVV erst zu einem Zeitpunkt festgesetzt werden, zu dem sämtliche Massezuflüsse abgeschlossen sind. Gegenstand der Schlussrechnung ist allerdings nicht nur die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung vorhandene Masse. Die Schlussrechnung hat vielmehr auf den Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens abzustellen.4
2 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82; BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118
3 BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33; BGH v. 24.05.2005 - IX ZB 6/03, NZI 2005, 567 = ZInsO 2005, 760
4 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82; BGH v. 26.01.2006 - IX ZB 183/04, NZI 2006, 237 = ZInsO 2006, 203; BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
Kernentscheidungen
Der Schätzwert der Masse wird, wenn das Verfahren durch Einstellung vorzeitig beendet ist, durch die Summe der Forderungen aller zu befriedigenden Insolvenz- und Massegläubiger begrenzt, sofern nicht der Wert der bereits erzielten Massezuflüsse höher ist.
BGH v. 13.07.2023 - IX ZB 42/22, NZI 2023, 779 = ZInsO 2023, 1852
___________________________________________________Wird das Insolvenzverfahren durch Einstellung vorzeitig beendet, ist in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters auch ein Anfechtungsanspruch einzubeziehen, soweit dessen Einziehung zur Befriedigung der Insolvenz- und Massegläubiger erforderlich ist.
BGH v. 14.02.2019 – IX ZB 25/17, NZI 2019, 392 = ZInsO 2019, 691
___________________________________________________Der Erlös aus einem Anfechtungsanspruch erhöht auch dann die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters, wenn die ohne diesen Erlös vorhandene Masse ausreicht, um sämtliche gegenüber den Ansprüchen eines Pflichtteilsberechtigten vorrangige Insolvenzforderungen vollständig aus der Masse befriedigen zu können, und der Erlös nicht für die Befriedigung von Ansprüchen eines Pflichtteilsberechtigten verwendet werden darf.
BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33
___________________________________________________Die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters richtet sich nicht nach dem am Verfahrensende stehenden Guthabensaldo, sondern dem Wert der Insolvenzmasse, welche der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters unterliegt oder während des Verfahrens unterlag.
BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33; BGH v. 05.03.2015 - IX ZR 164/14, NZI 2015, 362 = ZInsO 2015, 742
___________________________________________________Zur Berechnungsgrundlage zählen sämtliche Massezuflüsse, die auch tatsächlich an die Masse ausbezahlt werden und daher die Masse erhöhen. Im Hinblick auf den Tätigkeitsumfang des Insolvenzverwalters ist eine Beschränkung auf solche Massezuflüsse, die tatsächlich zur Verteilung unter die Insolvenzgläubiger kommen, nicht geboten.
BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33
___________________________________________________Der Wert der Masse, die nach § 1 Abs. 1 InsVV als Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters zugrunde zu legen ist, wird nach oben nicht durch die Summe der Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen begrenzt.
BGH v. 16.10.2008 - IX ZB 247/06, NZI 2009, 57 = ZInsO 2009, 1030
BGH v. 01.03.2007 - IX ZB 280/05, NZI 2007, 412 = ZInsO 2007, 372
LG Berlin v. 05.02.2019 - 85 T 211/18, ZInsO 2019, 693
Rdnr. 65 Ein Vergleich zwischen dem Wert der Insolvenzmasse und dem Gesamtbetrag der gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Forderungen findet nicht statt. Weder der Wert der Insolvenzmasse noch der Berechnungswert für die Verwaltervergütung wird durch die in dem Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen begrenzt.1 Auch wenn in Einzelfällen die Insolvenzmasse durch Erbschaften2 oder Lotteriegewinne3 eine Höhe erreicht, dass neben den Kosten des Insolvenzverfahrens sämtliche Gläubigerforderungen befriedigt werden können und ein nicht erheblicher Vermögensrest an den Insolvenzschuldner auszukehren sein wird, ist eine Kürzung des Berechnungswerts nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Tätigkeitsumfang des Insolvenzverwalters ist eine Beschränkung auf solche Massezuflüsse, die tatsächlich zur Verteilung unter die Insolvenzgläubiger kommen, nicht geboten.4 Zum einen hat der Gesetzgeber davon abgesehen, dass Masseverbindlichkeiten die Berechnungsgrundlage mindern. Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV werden die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht abgesetzt. Zum anderen hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, dass eine Begrenzung der Berechnungsgrundlage auf die Höhe der Schulden ausscheidet.5 Daraus ergibt sich, dass die tatsächliche Höhe der am Ende des Insolvenzverfahrens erzielten Masse für die Berechnungsgrundlage ausschlaggebend ist; für welche Zwecke die vorhandene Insolvenzmasse einzusetzen ist, ist für die Berechnungsgrundlage regelmäßig unerheblich.4 Allenfalls kann ein Abschlagsgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 wegen einer großen Masse und geringen Anforderungen zu prüfen sein.6
2 BGH v. 11.05.2006 - IX ZR 42/05, NZI 2006, 461 = ZInsO 2006, 705; BGH v. 01.03.2007 - IX ZB 280/05, NZI 2007, 412 = ZInsO 2007, 372
3 AG Göttingen v. 08.09.2011 - 74 IN 235/09, NZI 2012, 32 = ZInsO 2011, 2002
4 BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33
5 BT-Drucks. 12/2443 S. 130
6 BGH v. 01.03.2007 - IX ZB 280/05, NZI 2007, 412 = ZInsO 2007, 372
Rdnr. 66In den Verfahren nach der KO und der GesO war gem. § 1 Abs. 2, § 8 Abs. 3 der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirates (VergVO) die für die Vergütung gemäß § 1 Abs. 1 maßgebliche Teilungsmasse durch den Gesamtbetrag der Insolvenzforderungen nach oben begrenzt. Dies hat die InsVV nicht übernommen. Daher ist eine Deckelung der Berechnungsgrundlage nicht zulässig.1
Kernentscheidung
Ein Lottogewinn fällt grundsätzlich in vollem Umfang in die Insolvenzmasse.
AG Göttingen v. 08.09.2011 - 74 IN 235/09, NZI 2012, 32 = ZInsO 2011, 2002
Rdnr. 67 Dies ist auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Gewinn aus dem unpfändbaren Vermögen des Schuldners generiert wurde.1
12. Unterscheidung zwischen Massezuflüssen und Leistungen an den Insolvenzverwalter
Rdnr. 68 Nicht jede Zahlung an den Insolvenzverwalter während eines Insolvenzverfahrens ist als Massezufluss und damit Bestandteil der Insolvenzmasse anzusehen.
Kernentscheidung
Zahlungen, die auf einem von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter oder Treuhänder eingerichtetes Anderkonto eingehen, fallen weder in das Schuldnervermögen noch in die Masse, sondern stehen ausschließlich dem Anwalt zu.
BGH v. 18.12.2008 - IX ZR 192/07, NZI 2009, 245 = ZInsO 2009, 521
Rdnr. 69 Zwar erfasst nach § 35 InsO das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und welches er während des Verfahrens erlangt, doch ist eine auf dem für ein bestimmtes Verfahren eingerichtetes Anderkonto eines Insolvenzverwalters eingehende nicht automatisch als Erwerb des Insolvenzschuldners anzusehen.1 Der durch eine Fehlüberweisung auf das Anderkonto des Verwalters eingehende Betrag wird allein durch die Überweisung an den Insolvenzverwalter nicht zu einem Bestandteil der Insolvenzmasse und ist daher nicht als ungerechtfertigte Bereicherung der Masse als sonstige Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu behandeln, sondern vom Insolvenzverwalter unabhängig von einer evtl. Masseunzulänglichkeit selbst zu befriedigen. Davon zu unterscheiden sind Einnahmen, welche (insbesondere aus der Sichtweise des Leistenden) berechtigterweise als Bestandteil der Insolvenzmasse an den Insolvenzverwalter zu erbringen waren, jedoch zur Befriedigung einer Masseverbindlichkeit zu nutzen waren; diese Beträge sind in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen. Wird der entsprechende Betrag nicht bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage berücksichtigt, ist ein angemessener Zuschlag gem. § 3 Abs. 1 für die damit evtl. verbundenen besonderen Belastungen aus den diesbezüglichen Prüfungstätigkeiten des Insolvenzverwalters zu prüfen.2 Siehe hierzu die Ausführungen zum Zuschlagstatbestand Bereicherungsansprüche - § 3 Rdnr. 175 ff.
2 AG Aachen v. 26.03.2014 - 93 IN 201/11; LG Heilbronn v. 21.06.2013 – 1 T 385/12
13. Unpfändbares Vermögen
Rdnr. 70 Unpfändbare Gegenstände gehören gem. § 36 InsO nicht zur Insolvenzmasse und sind daher auch dann nicht bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, wenn sich der Insolvenzverwalter mit ihnen beschäftigte.1 Maßgeblich ist auch hier entsprechend § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO die Beurteilung am Ende des Verfahrens. Wurde ein Gegenstand anfänglich bzw. zeitweise als freie Insolvenzmasse behandelt, später jedoch durch eine Entscheidung des Gerichts als unpfändbar erklärt, ist dessen Wert außer Betracht zu lassen.2 Ein Entschädigungsanspruch des Insolvenzschuldners aus § 17 StrRehaG wegen rechtsstaatswidriger Strafverurteilung und zu Unrecht in der ehemaligen DDR erlittener Haft ist pfändbar und damit Bestandteil der bei der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigenden Insolvenzmasse.3 Bei einer Lebensversicherung gehören Ansprüche auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall, die dem Schuldner als Versicherungsnehmer oder aufgrund eines unwiderruflichen Bezugsrechts zustehen, bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls zur Insolvenzmasse.4 Ein an die Pflegeperson weitergeleitetes Pflegegeld ist unpfändbar.5 Ebenso sind Coronaprämien unpfändbar und daher nicht Bestandteil der Berechnungsgrundlage.6
2 Dies ist bei der Verbuchung zu beachten. Die ursprüngliche Einnahme eines Betrages, der z.B. wieder an den Schuldner auszukehren ist, ist auf dem Einnahmenkonto gegenzubuchen. Beispiel:
E/A-Konto 800530 / Sparkasse XY / 000,00 € / 750,00
E/A-Konto 800530 / Schuldner AB / 300,00 € / 000,00 €
Saldo E/A-Konto 800530 450,00 €
3 BGH v. 10.11.2011 - IX ZA 99/11, NZI 2011, 979 = ZInsO 2012, 147; BGH v. 18.10.2012 - IX ZB 263/10, ZOV 2012, 336
4 BGH v. 20.12.2018 - IX ZB 8/17, NZI 2019, 419 = ZInsO 2019, 381
5 BGH v. 20.10.2022 – IX ZB 12/22
6 BAG Urt. v. 25.08.2022 - 8 AZR 14/22, NZI 2023, 179 = ZInsO 2023, 32
Kernentscheidungen
Zahlt ein Arbeitgeber, der nicht dem Pflegebereich angehört, freiwillig an seine Beschäftigten eine Corona-Prämie, ist diese Leistung als Erschwerniszulage nach § ZPO § 850a Nr. ZPO § 850A Nummer 3 ZPO unpfändbar, wenn ihr Zweck in der Kompensation einer coronabedingten, im Einzelfall tatsächlich gegebenen Erschwernis bei der Arbeitsleistung liegt, soweit die Prämie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigt.
BAG Urt. v. 25.08.2022 - 8 AZR 14/22, NZI 2023, 179 = ZInsO 2023, 32
___________________________________________________a) Die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie ist Arbeitseinkommen und als solches pfändbar.
b) Die Prämie ist Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens.BGH v. 25.04.2024 - IX ZB 55/23, NZI 2024, 590 = ZInsO 2024, 1259
14. Zahlungen an andere Personen als Bestandteil der Berechnungsgrundlage
Rdnr. 71 Insbesondere in Fällen von Konzernen oder sog. Holdings kann es im Rahmen der Abwicklung eines Insolvenzverfahrens dazu kommen, dass Erwerber vertraglich verpflichtet werden, an andere Personen als die Insolvenzschuldnerin Leistungen zu erbringen. In dem Insolvenzverfahren des LG München1 betreffend eine insolvente GmbH hatte sich die Käuferin eines "Teilkonzerns K" verpflichtet, Tochterunternehmen mit finanziellen Mitteln von 25,7 Mio. € auszustatten. Das LG München sah diesen Betrag als Bestandteil des Kaufpreises an, welcher wirtschaftlich betrachtet der Insolvenzschuldnerin zugeflossen sei. Die Leistung an das außerhalb des Insolvenzverfahrens befindliche Unternehmen stelle nur einen abgekürzten Zahlungsweg dar. Der Umstand, dass der Insolvenzverwalter keine vertragliche Regelung gewählt habe, welche evtl. für ihn vorteilhafter sei, dürfe nicht nachteilig für diesen sein. Diesen Betrag sowie einen weiteren Betrag von 5 Mio. € an Eigenkapitalausstattung des Tochterunternehmens hatte das LG München I entgegen dem Insolvenzgericht München in die Berechnungsgrundlage eingerechnet.
Rdnr. 72 Der Entscheidung des LG München I ist abzulehnen, da sie eine Orientierung an dem Wert der Insolvenzmasse vermissen lässt. Maßgeblich für die Vergütung eines Insolvenzverwalters ist nach § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO der Wert der Insolvenzmasse. Diese wiederum bestimmt sich allein nach § 35 InsO und ist von dem Insolvenzverwalter spätestens in seinem Schlussbericht darzustellen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob aus dieser Insolvenzmasse ein Betrag auf ein Massekonto geflossen ist oder ob zur Vereinfachung eines Zahlungsverkehrs oder einer Abwicklung vertraglicher Regelungen Beträge, die der Insolvenzmasse zuzurechnen sind, evtl. direkt an Massegläubiger geflossen sind. Auch in solchen Fällen muss ein Insolvenzverwalter in der Lage sein, in nachvollziehbarer Weise deutlich zu machen, dass ein Bestandteil der Insolvenzmasse verwertet worden ist und welcher Wert hierdurch erzielt worden ist.
Rdnr. 73 Dabei genügt es nicht, allein darauf zu verweisen, dass ein Erwerber eines Massebestandteils Verpflichtungen in einer bestimmten Höhe übernommen hat, soweit es sich nicht um Zahlungsverpflichtungen an die Insolvenzmasse handelt oder durch die Zahlungen die Masse in gleicher Höhe von Masseverbindlichkeiten befreit wird. Unabhängig davon, aus welcher Motivation heraus ein Erwerber über diesen Bereich hinaus eine Verpflichtung übernimmt, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, eine Verpflichtung des Erwerbers in jedem Fall als Bestandteil der Insolvenzmasse einzuberechnen. Nur dann, wenn durch eine Leistung des Erwerbs an eine andere Person eine sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO befriedigt wird, ist der entsprechende Betrag, unabhängig vom Fälligkeitszeitpunkt als Bestandteil der Insolvenzmasse und damit in der Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Handelt es sich nicht um die Befriedigung einer sonstigen Masseverbindlichkeit wäre der entsprechende Betrag in diese Insolvenzmasse zu Zwecke der Befriedigung der Gläubiger dieses Insolvenzverfahrens zu leisten. Sollte der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verwertungsvereinbarungen hiergegen verstoßen haben, kann er sich auf die ursprünglich bestandene Möglichkeit des Massezuflusses nicht berufen, da nur in dem Ausnahmefall der Beendigung des Verfahrens durch eine Insolvenzplan oder durch eine vorzeitige Beendigung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Schätzwerte an die Stelle konkreter Einnahmen treten. Daher hat ein Insolvenzverwalter in eigenem Interesse auch im Rahmen der Verwertung der Insolvenzmasse darauf zu achten, dass eine Zuordnung von Zahlungen und/oder Verpflichtungen zur Insolvenzmasse in nachvollziehbarer Weise erfolgt. Entgegen der Entscheidung des LG München1 ist ein Insolvenzverwalter im Rahmen der Vergütungsbemessung nicht damit zu hören, er hätte ja auch ganz anders und mit besseren Auswirkungen für seine Vergütung handeln können. An die getroffene Entscheidung während des Verfahrens hat sich ein Insolvenzverwalter festhalten zu lassen.
Rdnr. 74 Übersehen hat das LG München I bei seiner Betrachtung auch, dass ein Erwerber einer Gesellschaft, welcher sich kaufvertraglich verpflichtet der von ihm erworbenen Gesellschaft Finanzmittel zur Verfügung zu stellen und darüber hinaus mit neuem Eigenkapital zu versehen, im Ergebnis eine Gesellschaft erhält, welche genau um diese Beträge wertvoller ist. Wirtschaftlich betrachtet hat damit der Erwerber nur die in seinem Vermögen stehende, erworbene Gesellschaft bereichert. Dies stellt für ihn nur als eine Verschiebung seines eigenen Vermögens dar. Veränderungen der Insolvenzmasse sind damit jedoch nicht verbunden, weshalb sich eine Berücksichtigung dieser Beträge in der Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalters verbietet. Sollte sich der Erwerber nachträglich noch entscheiden, das Eigenkapital weiter zu erhöhen, hätte auch dies keinerlei Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren, den Wert der Insolvenzmasse und der Höhe der Berechnungsgrundlage.
15. Nichtberücksichtigung von Aussonderungsgegenständen
Rdnr. 75 Vermögensgegenstände, an denen ein Aussonderungsrecht im Sinne des § 47 InsO besteht, gehören nicht zur Insolvenzmasse. Ihr Wert wird daher bei Bestimmung der Berechnungsgrundlage nicht berücksichtigt.1 Tritt an die Stelle des Aussonderungsanspruchs ein Ersatzaussonderungsanspruch nach § 48 InsO ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, diesen Ersatzaussonderungsanspruch aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Zwar war der ursprüngliche Aussonderungsgegenstand kein Bestandteil der Insolvenzmasse und daher auch nicht bei der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, doch ändert sich dies durch die unberechtigte Veräußerung im Sinne des § 48 Satz 1 InsO. Den Anspruch des Ersatzaussonderungsberechtigten hat der Insolvenzverwalter gem. § 48 Satz 2 InsO aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Die bedingt jedoch, dass dieser Wert Bestandteil der Insolvenzmasse geworden ist. Aus dieser gesetzgeberischen Wertung des Ersatzaussonderungsanspruchs gem. § 48 Satz 2 InsO folgt zwingend, dass der Betrag der Ersatzaussonderungszahlung gem. § 48 Satz 2 InsO in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen ist.2 Ob und in welchem Maße sich der Insolvenzverwalter mit dem (Ersatz-)Aussonderungsgegenstand befasst hat, ist im Rahmen der Ermittlung des Berechnungswerts ohne Belang. Diese Belastungen können jedoch einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Buchst. a) rechtfertigen. Siehe hierzu die Kommentierung zu § 3 Rdnr. 70 ff.
2 Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 4. Aufl. 2016, § 3 Rdnr. 108; Prasser/Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 4/15, § 1 InsVV Rdnr. 27. Gegen eine Berücksichtigung MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 11.
16. Neuerwerb und Forderungen aus der vorläufigen Verwaltung
Rdnr. 76 Neben dem im Zeitpunkt der Eröffnung vorhandenen Vermögen ist das Vermögen hinzuzurechnen, welches während des Insolvenzverfahrens hinzukommt, § 35 Abs. 1 InsO. Ob der Neuwerb durch den Insolvenzverwalter oder den Insolvenzschuldner realisiert wird, ist insoweit unbeachtlich.Maßgeblich ist, ob der Zeitpunkt des Erwerbs vor Beendigung des Verfahrens erfolgte.1 Ein Anspruch auf Rückerstattung überzahlter Einkommenssteuer ist Bestandteil der Insolvenzmasse, wenn der maßgebliche Veranlagungszeitraum innerhalb des Insolvenzverfahrens liegt.1 Für den Anfall einer Erbschaft ist der Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers maßgebend.1 Vermögen, welches aus einer gem. § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen selbständigen Tätigkeit stammt, wird kein Bestandteil der Insolvenzmasse und ist dementsprechend nicht in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, es sei denn, der Schuldner leistet dieses ganz oder teilweise in die Insolvenzmasse.2 Zur Insolvenzmasse und damit zur Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters des eröffneten Insolvenzverfahrens gehören auch die Forderungen, welche während der vorläufigen Verwaltung begründet worden sind und im eröffneten Insolvenzverfahren realisiert werden können.3
2 In diesem Sinne Schoppmeyer, NZI 2024, 41, 45
3 LG Berlin v. 17.05.2021 – 84 T 152/19, ZInsO 2021, 1248
17. Einnahmen einer "kalten Zwangsverwaltung"
Rdnr. 77 Bei einer sog. "kalten Zwangsverwaltung" zieht der Insolvenzverwalter aufgrund der Vereinbarung mit dem Grundpfandgläubiger die Mieten und Pachtzahlungen ein und kehrt die entsprechenden Überschüsse an den Berechtigten aus. Dabei sind die Einnahmen nicht vollständig als Insolvenzmasse in der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung und die auszukehrenden Beträge nicht allein als sonstige Masseverbindlichkeiten zu behandeln1, sondern analog § 1 Abs. 2 Nr. 1 als Befriedigung eines Absonderungsrechts anzusehen. Die nach erfolgter Abführung an den Grundpfandgläubiger der Masse verbleibenden Beträge sind daher vollständig als unbelastete Insolvenzmasse zu berücksichtigen.2 Da diese "kalte Zwangsverwaltung" keine Verwertung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 ist, kommt eine Mehrvergütung nach dieser Regelung nicht in Betracht.3
2 LG Dresden v. 22.06.2022 – 5 T 722/21, NZI 2022, 831; Prasser/Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 4/15, § 1 InsVV Rdnr.45; Zimmer, InsbürO 2015, 510, 515
3 Zimmer, InsbürO 2015, 510, 515
Kernentscheidungen
Der Wert eines mit Grundpfandrechten belasteten, vom Insolvenzverwalter freihändig veräußerten Grundstücks ist der Berechnung seiner Vergütung nicht zugrunde zu legen, wenn weder ein Übererlös noch ein Kostenbeitrag zur Masse fließt.
BGH v. 09.06.2016 - IX ZB 17/15, ZInsO 2016, 1443
___________________________________________________Die Vereinbarung einer stillen Zwangsverwaltung, die zwischen den Absonderungsberechtigten einerseits und dem Insolvenzverwalter für die Masse andererseits abgeschlossen wird, begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Masse keine Nachteile erleidet.
BGH v. 14.07.2016 - IX ZB 31/14, DZWIR 2017, 134 = NZI 2016, 824 = ZInsO 2016, 1693
___________________________________________________a) Die Durchführung der stillen Zwangsverwaltung ist im Rahmen der Festsetzung der Vergütung für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen.
b) Bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters ist hinsichtlich der Durchführung der stillen Zwangsverwaltung nur der Überschuss zu berücksichtigen, der hierbei zugunsten der Masse erzielt worden ist.
c) Ist die Berechnungsgrundlage nicht entsprechend größer geworden, ist für die Durchführung der stillen Zwangsverwaltung ein Zuschlag zu gewähren; dafür ist der Umfang des zusätzlichen Arbeitsaufwandes maßgebend. Bei der Bemessung der Höhe des Zuschlags ist als ein geeigneter Anhaltspunkt auch die Vergütung eines Zwangsverwalters nach § 18 ZwVwV in Betracht zu ziehen, sofern der Umfang der Tätigkeit und der Ertrag für die Masse vergleichbar sind.
BGH v. 14.07.2016 - IX ZB 31/14, DZWIR 2017, 134 = NZI 2016, 824 = ZInsO 2016, 1693
18. Berücksichtigung zukünftiger Massezuflüsse
Rdnr. 78 Zur Berücksichtigung von Massezuflüssen aus der Umsatzsteuer der Verwaltervergütung siehe oben Behandlung der Umsatzsteuer. Neben dieser Umsatzsteuer können auch andere Massezuflüsse zu berücksichtigen sein, deren Eingang zum Zeitpunkt des Vergütungsantrags und der Schlussrechnungslegung noch nicht erfolgt ist. Maßgeblich zur Bemessung der Insolvenzmasse als Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters ist das gesamte, dem Insolvenzbeschlag unterliegende Vermögen des Insolvenzschuldners bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens.1 Daher werden angesichts des teilweise sehr langen Zeitraums zwischen der Einreichung des Vergütungsantrages und des Abschlusses des Insolvenzverfahrens häufig Massezuflüsse festzustellen sein, welche bei der Rechnungslegung und dem Vergütungsantrag noch nicht berücksichtigt wurden bzw. nicht berücksichtigt werden konnten. Gleichwohl sind auch diese Massezuflüsse als Teile der Insolvenzmasse in der Vergütung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Die nach dem Schlusstermin und vor der Schlussverteilung eingehenden Massezuflüsse sind dementsprechend in die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung einzubeziehen oder im Falle bereits erfolgter Festsetzung durch eine ergänzende Festsetzung zu berücksichtigen.2 Solange die Schlussverteilung noch nicht vollzogen und das Verfahren noch nicht aufgehoben wurde, sind neue Massezuflüsse bei der Verwaltervergütung notfalls durch ergänzende Festsetzungen zu berücksichtigen.
2 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82; BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118; BGH v. 26.01.2006 - IX ZB 183/04, NZI 2006, 237 = ZInsO 2006, 203; BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
Kernentscheidung
Ein nach der Einreichung des Vergütungsantrags bei Gericht erfolgender Massezufluss stellt eine neue Tatsache dar, die grundsätzlich eine nachträgliche Festsetzung der Vergütung ermöglicht. Berücksichtigt der Insolvenzverwalter bei seinem ersten Vergütungsantrag sicher zu erwartende, zukünftige Massezuflüsse nicht, führt dies nicht zur Präklusion für einen ergänzenden Festsetzungsantrag.
BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82
Rdnr. 79 Steht ein Massezufluss mit Sicherheit fest, ist dieser bereits bei der Schlussrechnung und der hierauf gestützten Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigen.1 Der Insolvenzverwalter hat hierbei die Möglichkeit, die als sichere Massezuflüsse zu bewertenden zukünftigen Einnahmen bereits im Rahmen seines Vergütungsantrages zu berücksichtigen. Insbesondere bei monatlichen Massezuflüssen aus den pfändbaren Anteilen des schuldnerischen Arbeitseinkommens hat der Insolvenzverwalter im Rahmen seines Vergütungsantrages zu erklären, für welchen Zeitraum er welche Beträge berücksichtigt wissen will. Hierbei wird es einerseits eine Rolle spielen, ob der Massezufluss eventuell dauerhaft zu erwarten ist oder eventuell nur einmalig und andererseits, mit welchem weiteren Zeitraum zwischen dem Vergütungsantrag und der voraussichtlichen Verfahrensbeendigung zu rechnen ist. Das Insolvenzgericht hat in seiner Entscheidung klarzustellen, ob es diese Beträge vollständig oder teilweise berücksichtigt hat oder nicht und insbesondere für welchen Zeitraum es eine Berücksichtigung vorgenommen hat. Dieser Zeitraum ist nicht pauschal auf eine bestimmte Monatsanzahl zu begrenzen, sondern hat sich daran zu orientieren, wann voraussichtlich eine Beendigung des Verfahrens erwartet werden kann bzw. für wie lange ein weiterer Massezufluss nach dem normalen Lauf der Dinge erwartet werden kann.
Rdnr. 80 Lehnt das Insolvenzgericht eine Berücksichtigung ganz oder teilweise ab, hindert auch die Rechtskraft der entsprechenden Vergütungsentscheidung den Insolvenzverwalter nicht, seinen Vergütungsantrag zu ergänzen, soweit er in diese Ergänzung nicht erneut nur zu erwartende Zahlungen einstellt, sondern vielmehr die inzwischen konkret eingegangenen Beträge in Ansatz bringt. Da der konkrete Massezufluss nicht Gegenstand des ursprünglichen Vergütungsantrags war, kann dieser auch nicht von der Rechtskraft der Vergütungsentscheidung umfasst werden.1 Selbst dann, wenn das Insolvenzgericht prognostizierte Massezuflüsse ganz oder teilweise nicht berücksichtigt hat, führt eine Rechtskraft dieser Vergütungsfestsetzung nicht dazu, dass der Insolvenzverwalter gehindert wäre, die ursprünglich vom Gericht nicht berücksichtigten Beträge, welche inzwischen tatsächlich in die Insolvenzmasse geflossen sind, zum Gegenstand eines ergänzenden Vergütungsantrags zu machen. Die Ablehnung des Insolvenzgerichts, einzelne Beträge nicht als sicheren Massezufluss anzusehen und dementsprechend zu berücksichtigten, hat keine Auswirkung auf die Frage, ob konkret erfolgte Massezuflüsse, welche in der Erstentscheidung des Insolvenzgerichts nicht als Massezuflüsse - sondern nur als prognostizierte Zuflüsse - behandelt worden waren, eine ergänzende Festsetzung ermöglichen.
Rdnr. 81 Hat es der Insolvenzverwalter gänzlich unterlassen, in seinen Vergütungsantrag zukünftige Massezuflüsse einzurechnen, hindert ihn eine Rechtskraft der Vergütungsfestsetzung ebenfalls nicht, die eingegangenen Beträge, welche in seinen Vergütungsantrag nicht enthalten waren, zum Gegenstand einer neuen Festsetzung zu machen.1 Ein Insolvenzverwalter ist nicht verpflichtet, zukünftige Massezuflüsse in seinen Vergütungsantrag ganz oder teilweise aufzunehmen.2 Unterlässt ein Verwalter eine evtl. mögliche Berücksichtigung zukünftiger Massezuflüsse, kann er die tatsächlich eingegangenen Beträge auch dann zum Gegenstand eines Ergänzungsantrags machen, wenn auf seinen Erstantrag bereits eine rechtskräftige Festsetzung erfolgt ist.2 Das Insolvenzgericht ist auch nach einer eingetretenen Rechtskraft verpflichtet, eine ergänzende Festsetzung unter Berücksichtigung dieser konkreten Massezuflüsse vorzunehmen. Dem Insolvenzverwalter kann nicht vorgehalten werden, er hätte diese zukünftigen Massezuflüsse in seinen Vergütungsantrag aufnehmen können. Die Entscheidung hierzu ob liegt einzig und allein dem Insolvenzverwalter. Sollte das Insolvenzgericht eine entsprechende Berücksichtigung zukünftiger Massezuflüsse im Rahmen der Erstfestsetzung wünschen, kann es gegenüber dem Insolvenzverwalter anregen, seinen Vergütungsantrag entsprechend zu erweitern. Unterlässt der Insolvenzverwalter dies und macht dementsprechend diese zukünftigen Beträge nicht zum Gegenstand seines Vergütungsantrages, kann ihm nicht vorgehalten werden, er hätte dies tun können. Massezuflüsse, welche zum Zeitpunkt des Vergütungsantrags noch nicht erfolgt sind, rechtfertigen unabhängig von einer evtl. bereits eingetretenen Rechtskraft der Erstfestsetzung immer dann eine ergänzende Festsetzung, wenn diese Beträge nicht bereits in der Erstfestsetzung wie bereits realisierte Insolvenzmasse behandelt wurden.
2 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82. Gegenteilig noch die Vorinstanz LG Kassel v. 14.09.2016 - 3 T 254/16
19. Einzug fremder Forderungen und Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlage
Rdnr. 82 Der Einzug von Forderungen, die nicht der Insolvenzschuldnerin zustehen, gehört nicht zu den Aufgaben eines Insolvenzverwalters. Gleichwohl kann der Insolvenzverwalter mit dem Forderungsinhaber eine Vereinbarung dahingehend treffen, dass der Insolvenzverwalter massefremde Forderungen beitreibt und den entsprechenden Erlös unter Zurückbehaltung eines Anteils zu Gunsten der Insolvenzmasse an dem Berechtigten auskehrt.1 Die Erlöse hieraus wird der Insolvenzverwalter so lange verwahren, bis eine Abrechnung gegenüber dem Berechtigten möglich ist. Diese Erlöse sind so lange nicht als Bestandteil der Insolvenzmasse anzusehen, bis geklärt ist, welche Anteile hieraus nach der Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Berechtigten in die Masse fließen sollen. Der Wert des Massezuflusses ist als Insolvenzmasse zu behandeln und erhöht dementsprechend den Wert der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung.
Beispielsentscheidung
Die Übertragung des Kündigungs- und Einziehungsrechtes des Rückkaufswertes einer massefremden Versicherung an den Insolvenzverwalter führt bei Ausübung und Verwertung vergütungsrechtlich nur in Höhe der korrespondierenden Masseansprüche zu einer Massemehrung.
Der Überschuss aus der Verwertung der Forderung ist bereits unter vergütungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht dem Bereicherungsausgleich zuzuordnen, sondern entsprechend den aus- oder absonderungsrechtlichen Regeln zu betrachten.
AG Düsseldorf v. 29.05.2017 - 502 IN 195/12, ZInsO 2017, 1339
Rdnr. 83 Bis zu einer Auskehrung wird der Insolvenzverwalter die insoweit eingehenden Beträge von der Insolvenzmasse gesondert lagern, d.h. auf einem entsprechenden Sonderkonto separieren. Eine Vermengung mit der Insolvenzmasse würde sowohl den Pflichten des Insolvenzverwalters gegenüber den Beteiligten des Insolvenzverfahrens als auch gegenüber dem Berechtigten widersprechen, da einerseits diese Vermengung zu einem Risiko des Berechtigten im Falle einer Massearmut führt, andererseits ein entsprechender, zeitweiser Massezufluss in Verbindung mit einem Anspruch aus einer ungerechtfertigten Bereicherung zu Gunsten des Berechtigten nachteilige Folgen zulasten der Insolvenzgläubiger und deren Quotenerwartung hätte, da durch die Erhöhung des Wertes der Insolvenzmasse höhere Gerichtskosten und eventuell auch eine höhere Verwaltervergütung bewirkt würden. Bei einem solchen, ordnungsgemäßen Umgang mit den Einnahmen aus dem Einzug fremder Forderungen wirken sich nur die Beträge, die nach der Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Berechtigten in die Insolvenzmasse fließen sollen auf die Höhe der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung und damit auf die Höhe der Regelvergütung aus.
Rdnr. 84 Hat es der Insolvenzverwalter in einem solchen Fall unter Verstoß gegen seine Pflichten zugelassen, dass die Einnahmen aus dem Einzug massefremder Forderungen zumindest zeitweise in die Insolvenzmasse geflossen sind, sind die entsprechenden Beträge aufgrund der klaren Bezugnahme in § 1 Abs. 1 S. 1 und § 63 InsO zwingend zu berücksichtigen. Das Fehlverhalten des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Behandlung dieser massefremden Einnahmen rechtfertigt in jedem Fall einen ausgleichenden Abschlag gemäß § 3 Abs. 2. Dieser ist so zu berechnen, dass der Insolvenzverwalter im Ergebnis eine Vergütung erhält, die dem entspricht, wie er stünde, wenn die massefremden Zuflüsse aufgrund eines ordnungsgemäßen Umgangs des Insolvenzverwalters hiermit nie in die Masse geflossen wären. Zur Vereinfachung der Berechnung und zur Erzielung des angemessenen Ergebnisses kann das Insolvenzgericht anstelle des maßgeblichen Wertes der Insolvenzmasse inklusive dieser massefremden Zuflüsse die Vergütungsberechnung auch auf der Basis eines Wertes ohne diese Zuflüsse vornehmen. Notwendig ist dabei jedoch ein ausdrücklicher Hinweis im Festsetzungsbeschluss, aus dem sich die Abweichung von dem maßgeblichen Wert der Insolvenzmasse und dessen Umfang ergibt. Da eine Reduzierung der Gerichtskosten, welche durch den verfahrenswidrigen Umgang des Insolvenzverwalters zulasten der Insolvenzgläubiger erhöht worden sind, nicht möglich ist, hat das Gericht zu prüfen, ob es zur Geltendmachung des entsprechenden Schadensersatzanspruchs gegen den Insolvenzverwalter einen Sonderverwalter einsetzt.
20. Behandlung der umsatzsteuerlichen Organschaft in der Berechnungsgrundlage
Rdnr. 85 Auch bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft sind die hierdurch bedingten Massezuflüsse und Abflüsse zu Gunsten eventuell anderer Verfahren nicht anders zu behandeln als andere Massezuflüsse und Masseverbindlichkeiten. Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor, wenn eine oder mehrere Gesellschaften finanziell, wirtschaftlich oder organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind.1 Steuerrechtlich führt dies dazu, dass sämtliche Gesellschaften als ein Unternehmen behandelt werden, § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 3 UStG. Die Organträgerin ist dadurch Schuldnerin der abzuführenden Umsatzsteuer und Berechtigte für eventuelle Vorsteuererstattungen. Aufgrund dieser Steuerschuldnerschaft für die Umsätze des gesamten Organkreises steht der Organträgerin zivilrechtlich ein Ausgleichsanspruch i.S. von § 426 BGB gegen die Organgesellschaften auf Zahlung der Umsatzsteuer zu, die auf deren Umsatztätigkeit entfällt.2 In gleicher Weise sind Umsatzsteuererstattungen entsprechend der Umsatztätigkeit auf die Gesellschaften des Organkreises zu verteilen.3
2 BFH v. 19.03.2014 - V B 14/14, Rdnr. 20, NZI 2014, 421 = ZInsO 2014, 955
3 BFH v. 26.08.2014 - VII R 16/13, ZInsO 2015, 321
Rdnr. 86 Befinden sich alle Gesellschaften des Organkreises in Insolvenzverfahren führen insbesondere die eingehenden Umsatzsteuererstattungen zu erheblichen Massezuflüssen. Die bei der Organträgerin eingehenden Erstattungen führen bei dieser zu einer höheren Insolvenzmasse. Es handelt sich hierbei um echte Massezuflüsse und somit um eine ungekürzt zu berücksichtigende Mehrung der Insolvenzmasse, da weder die Insolvenzordnung noch § 1 Abs. 2 Regelungen vorsieht, wonach die bei einer Organträgerin eingehenden Zuflüsse, welche aufgrund von zivilrechtlichen Ansprüchen innerhalb des Organkreises an andere Gesellschaften weiterzuleiten sind, nicht als Insolvenzmasse und damit als Bestandteil der Berechnungsgrundlage einer Verwaltervergütung anzusehen sind. Die Frage, wie diese Massezuflüsse innerhalb des Insolvenzverfahrens der Organträgerin zu verwenden sind, ergibt sich aus den Regelungen der Insolvenzordnung. Deren Beantwortung, also die Unterscheidung zwischen Masseverbindlichkeiten, sonstigen Masseverbindlichkeiten, einer Befriedigung von Absonderungsansprüchen oder einer Verteilung an die Insolvenzgläubiger, hat mit Ausnahme entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 keinerlei Auswirkung auf die Berechnungsgrundlage einer Verwaltervergütung. Nur dann, wenn auch diese Massezuflüsse grundsätzlich als Insolvenzmasse anzusehen sind, besteht eine Berechtigung des Insolvenzverwalters der Organträgerin, diese Zuflüsse zu verwalten und zu verteilen. Da es sich im Verhältnis zum Finanzamt immer um Ansprüche der Organträgerin handelt, hat der Insolvenzverwalter diese zur Masse zu ziehen, wie andere Bestandteile der Insolvenzmasse auch. Damit sind diese Zuflüsse mit ihrem vollen Wert in die Ermittlung der Berechnungsgrundlage aufzunehmen. Nur in den Sonderfällen des § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 sieht die InsVV ausnahmsweise eine Reduzierung bzw. teilweise Nichtberücksichtigung bestimmter Massezuflüsse in der Berechnungsgrundlage vor. Dementsprechend können auch nur die Anteile eines solchen Massezuflüsse in die Vergleichsrechnung einer Unternehmensfortführung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) aufgenommen werden, welche auch im Innenverhältnis gegenüber den anderen Gesellschaften des Organkreises der Organträgerin zuzurechnen ist. Der Massezufluss aus einer Umsatzsteuererstattung ist daher im Rahmen der Ermittlung der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung nicht um die Beträge zu kürzen, welche von der Organträgerin an andere Gesellschaften weiterzuleiten ist, da weder die Insolvenzordnung noch die InsVV eine solche Kürzung vorsieht bzw. ermöglicht.
Rdnr. 87 Die bei den jeweiligen Gesellschaften des Organkreises in dieser Weise eingehenden Anteile aus der Umsatzsteuererstattung an die Organträgerin sind in gleicher Weise ungekürzt als Massezuflüsse zu behandeln. Dass dieser Zufluss eventuell aus einem anderen Insolvenzverfahren erfolgte, rechtfertigt nach den Regelungen der InsO als auch nach der InsVV eine andere Behandlung als „normale“ Massezuflüsse nicht. Auch die tatsächlichen Auswirkungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft rechtfertigen eine Reduzierung der Berechnungsgrundlage über die Regelungen des § 1 Abs. 2 hinaus nicht.
Rdnr. 88 Die aus der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft bei der Organträgerin eingehenden Massezuflüsse aus Umsatzsteuererstattungen können im Einzelfall einen erheblichen Anteil an der gesamten Insolvenzmasse des Verfahrens der Organträgerin ausmachen. Dies allein rechtfertigt eine vergütungsrechtliche Behandlung entgegen den Vorschriften der Insolvenzordnung und der InsVV nicht. Nur dann, wenn die besonderen Voraussetzungen des Abschlaggrundes des § 3 Abs. 2 d) (große Masse und geringe Anforderungen an die Geschäftsführung des Insolvenzverwalters) vorliegen, könnte ein angemessener Abschlag in Betracht kommen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Einforderung von Umsatzsteuererstattungen im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft sowie die angemessene Verteilung dieser Zuflüsse an die verschiedenen Gesellschaften des Organkreises unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Regelungen und Nachprüfung der verschiedenen tatsächlichen Voraussetzungen hierfür regelmäßig nicht als Geschäftsführung mit geringen Anforderungen anzusehen ist. Dies ändert sich auch dann nicht, wenn der Insolvenzverwalter des Verfahrens der Organträgerin aufgrund der Entscheidung der Insolvenzgerichte oder gegebenenfalls der Gläubigerversammlungen ebenfalls zum Insolvenzverwalter der Insolvenzverfahren der jeweiligen Organgesellschaften bestellt worden ist. Die Erleichterung einer grundsätzlich nicht leichten Aufgabe durch ein besonderes Fach- oder Vorwissen rechtfertigt einen Abschlag nicht und kann allenfalls im Rahmen der Bemessung eines angemessenen Zuschlages kürzen berücksichtigt werden.
21. Freiwillige, überobligatorische Leistungen des Insolvenzschuldners
Rdnr. 89 Der Insolvenzschuldner ist nicht verpflichtet, aber berechtigt, aus seinem nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögen Leistungen an den Insolvenzverwalter und damit in die Insolvenzmasse zu erbringen. Dies kann der Deckung der Verfahrenskosten, der Erreichung einer bestimmten Befriedigungsquote, aber auch anderen Zwecken dienen. Erfolgt eine solche Leistung in die Insolvenzmasse während des eröffneten Verfahrens ist auch dieser Betrag als Insolvenzmasse zu werten, so sich nicht aus einer Zweckbestimmung des Insolvenzschuldners etwas anderes ergibt. Dabei spielt die Frage, wofür konkret diese Zahlungen Verwendung finden sollen, keine Rolle.1 Insbesondere findet die Sonderregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 auf eine Zahlung des Insolvenzschuldners keine Anwendung, da diese Sondernorm nur auf Zahlungen von anderen Personen als dem Insolvenzschuldner selbst Anwendung findet.2 Dies wird jedoch vom BGH3 anders gesehen. Siehe hierzu die Ausführungen bei Rdnr. 240. Leistet der Insolvenzschuldnerin bereits an den Insolvenzverwalter einen Betrag zur Erfüllung von Obliegenheiten gemäß § 295 Abs. 2 InsO, ist diese Zahlung in der Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen, soweit dieser Betrag noch während des eröffneten Insolvenzverfahrens eingeht.
2 LG Chemnitz v. 06.09.2021 – 3 T 207/19, ZInsO 2022, 1091
3 BGH v. 11.11.2021 - IX ZB 38/20, NZI 2022, 92 = ZInsO 2022, 274
Kernentscheidungen
Eine durch den Schuldner vor Beendigung des Insolvenzverfahrens auf künftige Obliegenheiten der Wohlverhaltensphase geleistete Einmalzahlung geht in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters ein.
BGH v. 19.11.2020 - IX ZB 10/19, NZI 2021, 190 = ZInsO 2023, 1555
___________________________________________________Leistet ein Schuldner, dem die Verfahrenskosten bei Eröffnung gestundet worden sind, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus seinem insolvenzfreien Vermögen Zahlungen mit dem Zweck, Vorschüsse auf die Verfahrenskosten zu erbringen, bleiben diese bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage außer Betracht.
BGH v. 11.11.2021 - IX ZB 38/20, NZI 2022, 92 = ZInsO 2022, 274
Beispielsentscheidung
Ist als Berechnungsgrundlage für eine Vergütungsfestsetzung des Insolvenzverwalters i.S.v. § 1 Abs. 1 InsVV grds. die (gesamte) Teilungsmasse maßgeblich, die für eine Verteilung unter den Gläubigern zur Verfügung steht, sind insoweit auch entsprechende Massezuflüsse in Form freiwillige Zahlungen des Schuldners einzubeziehen.
LG Chemnitz v. 06.09.2021 – 3 T 207/19, ZInsO 2022, 1091
Rdnr. 90 Dagegen sind Zahlungen, die ein selbständig tätiger Schuldner anstelle des abgetretenen Einkommens an den Treuhänder leistet (§ 295 Abs. 2 InsO), ab der Aufhebung des Insolvenzverfahrens allein Teil der Berechnungsgrundlage der Vergütung des Treuhänders der Wohlverhaltensphase.1 In die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters können sie keinen Eingang mehr finden. Anders liegt es aber, wenn der Schuldner bereits während des Insolvenzverfahrens Vorauszahlungen zum Zweck der Erfüllung seiner künftigen Obliegenheit nach § 295 Abs. 2 InsO an die Masse erbringt. Dann ist die Zahlung bereits im Insolvenzverfahren vergütungsrelevant.1 Ausschlaggebend für die Zuordnung von Zahlungen des Schuldners nach § 295 Abs. 2 InsO zur Berechnungsgrundlage des Verwalters im Insolvenzverfahren oder zu der des Treuhänders in der Wohlverhaltensphase ist, ob die Mittel während des Insolvenzverfahrens vom Verwalter vereinnahmt wurden oder nach dessen Aufhebung beim Treuhänder eingegangen sind.1
III. Bestimmung der Berechnungsmasse bei einer Beendigung des Verfahrens durch einen Insolvenzplan, § 1 Abs. 1 Satz 2
Rdnr. 91 Die Regelungen zur Berechnung der Verwaltervergütung eines normalen Verfahrens mit seiner Bezugnahme auf das wirtschaftliche Ergebnis der Verwertungs- und Verwaltungshandlungen des Insolvenzverwalters sind in den Verfahren ungeeignet, in denen ohne eine solche Verwertung eine Vergütung zu bestimmen ist. Als ersten Fall geht § 1 Abs. 1 Satz 2 auf die Verfahrensbeendigung durch einen Insolvenzplan im Sinne der §§ 213 ff. InsO ein.
Rdnr. 92 Gerade in Insolvenzplanverfahren wird auf eine Verwertung des schuldnerischen Vermögens verzichtet und häufig von der Möglichkeit einer Vermögensübertragung zum Zwecke des Erhalts und der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens Gebrauch gemacht. In diesen Verfahren erfolgt zwar teilweise gleichwohl eine marktgerechte Bewertung des Wertes des schuldnerischen Vermögens, welche an die Stelle des Wertes der Insolvenzmasse nach § 1 Abs. 1 Satz 1 gesetzt werden kann, doch ist dies für die erfolgreiche Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens nicht zwingend. Um jedoch auch in diesen Verfahren den für die Berechnung der Verwaltervergütung maßgeblichen Basiswert der Insolvenzmasse zu erhalten, sieht § 1 Abs. 1 Satz 2 vor, dass dieser Wert zu schätzen ist.
Kernentscheidung
Im Insolvenzplanverfahren setzt die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters neben der Fälligkeit der Vergütung voraus, dass der Insolvenzplan rechtskräftig bestätigt worden ist.
LG Berlin v. 08.10.2004 - 86 T 588/04, NZI 2005, 338
Rdnr. 93 Die Schätzung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ist durch den Insolvenzverwalter vorzunehmen und in seinem Schlussbericht bzw. seinem Vergütungsantrag substantiiert und nachvollziehbar darzustellen. Diese Schätzung kann von dem Insolvenzverwalter nicht "frei" vorgenommen werden, sondern bedarf einer vom Insolvenzverwalter vorgetragenen nachvollziehbaren, objektiven Grundlage.1 Eine Bezugnahme auf eine Bilanz des schuldnerischen Unternehmens ist insoweit nicht möglich, dass eine bilanzielle Bewertung eine Bewertung auf Basis von aktuellen Marktwerten angesichts abweichender Bewertungsregeln nicht ersetzen kann.2 Das Insolvenzgericht wird diese Schätzung zu übernehmen haben und von den Wertansätzen des Insolvenzverwalters nur dann abweichen können, wenn es einerseits Anhaltspunkte dafür hat, dass die Berücksichtigung bestimmter Vermögenswerte oder entsprechende Wertansätze durch den Insolvenzverwalter unsachgemäß bzw. unzutreffend sind. Um jedoch eigene Wertansätze an Stelle der des Insolvenzverwalters setzen zu können, muss das Insolvenzgericht selbst nachvollziehbare und überprüfbare Tatsachen vorbringen können. In Betracht kommt hierbei insbesondere die Überprüfung der Schätzung durch Einholung eines Gutachtens durch Beschluss des Insolvenzgerichts gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO. In der Praxis dürften nur in besonderen Ausnahmefällen hierfür ein Anlass und ein ausreichender Zeitrahmen vorhanden sein. Bei einer übertragenden Sanierung durch einen Insolvenzplan ist der Wert anzusetzen, den der Erwerber in die Insolvenzmasse zahlt.3
2 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 27; Anders jedoch das AG Essen v. 30.09.2010 - 160 IN 107/09 im sog. Karstadt-Verfahren, welches für den Vortrag zum Wert der Insolvenzmasse eine Bezugnahme auf eine "testierte Unternehmensbilanz" genügen lies und über den Vergütungsantrag noch am Tag der Einreichung des Vergütungsantrags entscheiden konnte. Dass die Angaben des Insolvenzverwalters zum Wert der Insolvenzmasse einen sog. (vollkommen wertlosen) "Rechnungsabgrenzungsposten" in Höhe von 37.900.000 € enthielt, wurde durch das AG Essen nicht kritisiert und dem Insolvenzverwalter unter Einbeziehung dieses Betrages eine entsprechend höhere Vergütung zuerkannt.
3 Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 15
Rdnr. 94 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung der Insolvenzmasse ist der Zeitpunkt der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht nach § 248 InsO.1 Etwaige Wertdifferenzen zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt sind in der Regel nicht zu berücksichtigen.2
2 BGH v. 17.03.2011 - IX ZB 145/10, NZI 2011, 445 = ZInsO 2011, 839
Rdnr. 95 Für die Schätzung der Insolvenzmasse bei Verfahrensbeendigung durch einen Insolvenzplan gelten die gleichen Regeln wie beispielsweise bei der Bewertung des Vermögens des Insolvenzschuldners während einer vorläufigen Verwaltung. Daher sind auch in Insolvenzplanverfahren, in denen zumeist das schuldnerische Unternehmen fortgeführt wurde, gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) die Einnahmen nur insoweit zu berücksichtigen, als diese die Ausgaben der Unternehmensfortführung überschreiten. Zur Ermittlung der Berechnungsgrundlage hat der Insolvenzverwalter daher auch in einem Insolvenzplanverfahren somit eine gesonderte Einnahmen-/Ausgabenrechnung vorzulegen.1 Die Unterschiede zwischen einer Fortführung des Unternehmens oder einer Liquidation sind bei dieser Schätzung zu berücksichtigen.2
2 Hess, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 9 und 12
Rdnr. 96 In diese Schätzung sind sämtliche Vermögenswerte und -rechte einzubeziehen, die dem Insolvenzschuldner gegen Dritte, sowie Gesellschafter oder Geschäftsführer zuzurechnen sind. Hierzu gehören auch Schadensersatzansprüche der vormaligen Insolvenzmasse, unabhängig davon, ob diese bereits realisiert worden sind oder nicht.1 Deren voller Verkehrswert zur Zeit der Beendigung des Verfahrens ist auch dann zu berücksichtigen, wenn sich der Verwalter überhaupt nicht mit der Forderung befasst hat2, der Anspruch später nicht mehr realisiert werden konnte oder verjährte.1
2 BGH v. 26.04.2007 - IX ZB 160/06, NZI 2007, 341 = ZInsO 2007, 436
Rdnr. 97 Bei dieser Schätzung insbesondere von Forderungen sind die Voraussetzung für den Forderungsbestand in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine erfolgreiche Forderungsrealisierung, d.h. die Möglichkeiten eines Nachweises und einer Titulierbarkeit zu prüfen und zu bewerten, ob eine Realisierung, gegebenenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung möglich wäre.1 Die Vermögensgegenstände sind dabei mit ihren voraussichtlichen Einzelveräußerungs- oder Liquidationswerten anzugeben.2
2 LG Bielefeld v. 18.03.2005 - 23 T 395/04
Rdnr. 98 Zumeist wird es sich empfehlen, bereits im Insolvenzplanverfahren die für eine Schätzung notwendigen Informationen aufzunehmen und u.a. den Planbeteiligten darzustellen.1 Ein Einschätzung der aus der Masse zu begleichenden Verfahrenskosten und insbesondere eine Darstellung oder besser noch eine Vorlage des auf dieser Schätzung beruhenden Vergütungsantrags des Insolvenzverwalters sollte in der Regel Bestandteil der Planunterlagen sein. Eine Aufnahme des Entwurfs eines Vergütungsantrags des Insolvenzverwalters in die Planunterlagen bindet den Insolvenzverwalter jedoch hinsichtlich seines Vergütungsantrags nicht. Unabhängig davon, ob ein Insolvenzplan von dem Insolvenzverwalter oder von dem Insolvenzschuldner vorgelegt worden ist, hat eine darin enthaltene Schätzung des Wertes der Insolvenzmasse keine Bindungswirkung hinsichtlich der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 vorzunehmenden Schätzung und zwar auch dann nicht, wenn der Insolvenzplan insgesamt bindend geworden ist.2 Dies gilt selbst dann, wenn der betreffende Ansatz in den gestaltenden Teil des Insolvenzplans nach § 221 InsO aufgenommen worden ist. Zwar bindet dieser Teil eines rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan nach § 254 InsO alle Beteiligten. Das sind diejenigen, in deren Rechtsstellung durch den Insolvenzplan eingegriffen wird. Zu diesem Kreis gehören der Insolvenzverwalter und das Insolvenzgericht nicht.3
2 BGH v. 22.02.2007 - IX ZB 106/06, NZI 2007, 341 = ZInsO 2007, 436; a.A. Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 35
3 BGH v. 22.02.2007 - IX ZB 106/06, NZI 2007, 341 = ZInsO 2007, 436
Rdnr. 99 Hat der Insolvenzverwalter selbst, weil er den Plan erstellt oder zumindest mitgestaltet hat, einen Kostenansatz zu verantworten, der bereits bei Erstellung deutlich zu niedrig erscheinen musste, oder hat er in seiner Stellungnahme zu einem ausschließlich vom Schuldner erstellten Plan nicht auf den erkennbar viel zu niedrigen Ansatz hingewiesen, kommt in Betracht, dass der Insolvenzverwalter später nach Treu und Glauben gehindert ist, eine höhere Festsetzung für seine Bemühungen oder einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Buchst. e) zu verlangen.1
Rdnr. 100 Der durch das ESUG - Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 07.12.20111 mit Wirkung für vom 1. März 2012 beantragten Insolvenzverfahren geänderte § 217 Satz 1 InsO sieht vor, dass durch den Insolvenzplan auch die Verfahrensabwicklung in einem Insolvenzplan abweichend von den gesetzlichen Vorschriften geregelt werden kann. Diese, durch die Stellungnahme des Bundesrats in das Gesetzgebungsverfahren hineingekommene Formulierung, könnte dahingehend verstanden werden, dass ein Insolvenzplan auch eine bindende Regelung zur Höhe der Verwaltervergütung beinhalten könnte. Eine Regelung der Verwaltervergütung im Insolvenzplan selbst könnte die Notwendigkeit einer gerichtlichen Vergütungsfestsetzung gem. § 64 InsO entfallen lassen und damit das Verfahren der Vergütungsfestsetzung abändern.
Rdnr. 101 Dass u.a. eine Abänderung des Vergütungsfestsetzungsverfahrens durch diese Regelung beabsichtigt war, ist der Begründung der Stellungnahme des Bundesrates zum ESUG-Entwurf nicht zu entnehmen. Die Frage, durch wen in einem Insolvenzverfahren die Vergütung des Insolvenzverwalters festzusetzen ist, ist jedoch eine verfahrensrechtliche Frage. Wenn den Insolvenzgläubigern zumindest im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens die Berechtigung eingeräumt wird, in das üblicherweise nicht zur Disposition stehenden Verfahrensrecht einzugreifen, könnte ihnen auch zugestanden werden, über die Frage der Verwaltervergütung zu entscheiden.1 Die Höhe der Verwaltervergütung wird die Insolvenzgläubiger wirtschaftlich betrachtet geringer betreffen als die materiellen Regelungspunkte des Insolvenzplans zur Verteilung des schuldnerischen Vermögens. Dem Ziel des ESUG, eine Gläubigerautonomie im Insolvenzverfahren zu stärken, entspräche es auch, über die Regelung des § 217 Satz 1 InsO den Insolvenzgläubigern im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens die Möglichkeit einzuräumen, ebenso autonom über die Höhe der Vergütung des Insolvenzverwalters zu entscheiden, wie den Insolvenzgläubigern über einen vorläufigen Gläubigerausschuss durch § 56a InsO ein Bestimmungsrecht hinsichtlich der Person des Insolvenzverwalters eingeräumt wird. Ob hierzu belastbare Kenntnisse und Erfahrungen der Insolvenzgläubiger vorliegen oder nicht, ist grundsätzlich unbeachtlich, da die Beurteilung des Umfangs der Wirkungen des § 217 Satz 1 InsO nicht individuell entsprechend den Umständen einzelner Gläubiger, sondern losgelöst von diesen zu beurteilen ist. Ein Insolvenzplan kann daher nach Ansicht einiger Gerichte eine bindende Bestimmung der Vergütung des Insolvenzverwalters enthalten, welche bei einer rechtskräftigen Bestätigung keiner Überprüfung oder Änderungsmöglichkeit des Insolvenzgerichts - sei es von Amts wegen oder im Rahmen einer Beschwerde - unterliegt.1 Diese Rechtsansicht hat der BGH jedoch ausdrücklich abgelehnt.2 Siehe hierzu die Ausführungen zur Möglichkeit bindender Vergütungsvereinbarungen aller Beteiligten - Vor § 1 Rdnr. 24 ff.
2 BGH v. 16.02.2017 - IX ZB 103/15, NZI 2017, 260 = ZInsO 2017, 538
Kernentscheidung
Vereinbarungen über die Vergütung des Insolvenzverwalters können nicht Inhalt eines Insolvenzplans sein.
Die Bestätigung eines Insolvenzplans kann nicht von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass das Insolvenzgericht die Vergütung des Insolvenzverwalters vor der Bestätigung des Insolvenzplans festsetzt.BGH v. 16.02.2017 - IX ZB 103/15, NZI 2017, 260 = ZInsO 2017, 538
Beispielsentscheidungen
Auch für die Planüberwachung darf im Insolvenzplan keine Vergütung des Insolvenzverwalters bindend geregelt werden, wenn von diesem keine verbindliche Erklärung im Sinne von § 230 Abs. 3 InsO zum Einverständnis mit dieser Vergütung vorliegt.
LG Hamburg v. 07.02.2018 - 326 T 120/16, NZI 2018, 261
___________________________________________________Die Vergütungsvereinbarung für die Tätigkeit als endgültiger Insolvenzverwalter im Insolvenzplan ist nur dann bei der Vergütungsfestsetzung für das Insolvenzgericht bindend, wenn dem Insolvenzplan einstimmig in sämtlichen Gruppen zugestimmt worden ist.
LG Münster v. 01.10.2015 - 5 T 526/15, ZInsO 2016, 1662
___________________________________________________Die Vergütung des Insolvenzverwalters kann in einen Insolvenzplan den Umständen und der Höhe nach aufgenommen werden. Durch eine entsprechende Regelung im Insolvenzplan wird das Gericht seiner Festsetzungsbefugnis gem. § 64 InsO nicht enthoben, denn die Festsetzung hat auch in diesem Fall durch Beschluss zu erfolgen. Hinsichtlich der Höhe der festzusetzenden Vergütung ergibt sich jedoch bei einer entsprechenden Regelung im Insolvenzplan eine Bindungswirkung für das Gericht.
LG München I v. 02.08.2013 - 14 T 16050/13, NZI 2013, 972 = ZInsO 2013, 1966
___________________________________________________Die Regelung der Vergütung für den Insolvenzverwalter ist mit Billigung aller Beteiligten, einschließlich des Insolvenzverwalters, im Insolvenzplanverfahren zulässig und bindet sowohl das Gericht als auch den Insolvenzverwalter der Höhe nach. Die Beantragung einer höheren Vergütung bei gleichzeitigem Verweis auf die Bindungswirkung des Insolvenzplans ist somit nicht zulässig.
LG Heilbronn v. 25.03.2015 - Bm 1 T 130/15, ZInsO 2015, 910 (Anmerk. Reinhardt, ZInsO 2015, 943)
___________________________________________________Im Insolvenzplan kann durch die Gläubiger eine für das Insolvenzgericht bindende Regelung der Insolvenzverwaltervergütung getroffen werden – zumindest dann, wenn der Plan vom Insolvenzverwalter eingereicht wird.
AG Hannover v. 06.11.2015 – 908 IK 1886/13 - 7, ZIP 2015, 2385
___________________________________________________Es ist unzulässig, die Insolvenzverwaltervergütung durch eine Bedingung im Insolvenzplan festzuschreiben.
LG Mainz v. 02.11.2015 - 8 T 182/15, NZI 2016, 255
IV. Bestimmung der Berechnungsmasse bei vorzeitiger Beendigung des Verfahrens, § 1 Abs. 1 Satz 2
1. Gründe für eine vorzeitige Beendigung
Rdnr. 102 Neben einer Einstellung durch eine Bestätigung eines Insolvenzplans gemäß § 248 InsO kann das Insolvenzverfahren auch durch andere Gründe vorzeitig beendet werden; beispielsweise durch eine Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses durch das Insolvenzgericht im Wege der Abhilfe einer sofortigen Beschwerde oder durch die Rechtsmittelinstanz, bei einer Einstellung mangels Masse nach § 207 InsO, wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds (§ 212 InsO) oder durch eine Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO). Kommt es nicht zu einer Verfahrenseröffnung, etwa weil der Antrag abgewiesen worden ist, hat auch ein vorläufiger Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht Rechnung zu legen.1
2. Schätzung der Berechnungsmasse
Rdnr. 103 In allen Fällen einer vorzeitigen Beendigung des Verfahrens und/oder des Verwalteramts ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 zum Zwecke der Berechnung der Verwaltervergütung der Wert der Insolvenzmasse zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens zu schätzen.1 Hierzu sind alle Vermögenswerte des Schuldners zu berücksichtigen und zu bewerten, die zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens zur Masse gehören.2 Wird das Insolvenzverfahren vorzeitig - bevor die Verwertungsmaßnahmen abgeschlossen oder aufgenommen worden sind - beendet, sind im Rahmen der Vergütungsbemessung auch die noch nicht verwerteten Massegegenstände3 und Forderungen, die zur Insolvenzmasse gehören4, Teil der Berechnungsgrundlage. Zur Berechnungsgrundlage für die Vergütung zählen alle Vermögenswerte, die zum Zeitpunkt der Beendigung der zu vergütenden Tätigkeit zu dem gesicherten und verwalteten Vermögen gehört haben.5 Tatsächliche Massezuflüsse erhöhen die Berechnungsgrundlage auch insoweit, als sie zur Befriedigung der Gläubiger nicht benötigt werden.6 Eine Beschränkung der Berechnungsgrundlage auf den für die Befriedigung der Kosten des Verfahrens, der Masseverbindlichkeiten und der Insolvenzforderungen notwendigen Betrag findet auch bei einer Schätzung gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 nicht statt. Eine Begrenzung auf die Höhe der Schulden scheidet aus.7 Leitgedanke ist, dass all diejenigen Vermögenswerte die Berechnungsgrundlage erhöhen, welche zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen und damit zur Verteilung kommen können.7 Verteilungsfähig meint, dass der Vermögenswert zur Befriedigung der Gläubiger geeignet sein muss, ohne dass es darauf ankommt, ob das verteilungsfähige Vermögen tatsächlich für die Befriedigung der Gläubiger benötigt wird.7 Vermögenswerte, die zum Zeitpunkt der Beendigung der zu vergütenden Tätigkeit zu dem gesicherten und verwalteten Vermögen gehören, erhöhen die Berechnungsgrundlage.7 Deshalb ist es abzulehnen, die Berechnungsgrundlage auf solche Massezuflüsse zu beschränken, die tatsächlich zur Verteilung unter die Insolvenzgläubiger kommen.7 Denn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters und seine Tätigkeit betraf auch die erzielte Masse, die nicht für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich war.7
2 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 69/16, NZI 2017, 770 = ZInsO 2017, 1858. Siehe hierzu auch unten 7. Einschätzung, welche Gegenstände als Bestandteile der Insolvenzmasse anzusehen sind.
3 BGH v. 14.02.2019 – IX ZB 25/17, NZI 2019, 392 = ZInsO 2019, 691; BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 69/16, NZI 2017, 770 = ZInsO 2017, 1858; BGH v. 29.03.2007 - IX ZB 153/06, NZI 2007, 397 = ZInsO 2007, 539
4 BGH v. 14.02.2019 – IX ZB 25/17, NZI 2019, 392 = ZInsO 2019, 691; BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 230/10, NZI 2012, 315 = ZInsO 2012, 603; BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 150/11, ZInsO 2013, 309; BGH v. 17.03.2011 - IX ZB 145/10, NZI 2011, 445 = ZInsO 2011, 839
5 BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33; BGH v. 24.05.2005 - IX ZB 6/03, NZI 2005, 567 = ZInsO 2005, 760
6 BGH v. 14.02.2019 – IX ZB 25/17, NZI 2019, 392 = ZInsO 2019, 691; BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33
7 Schoppmeyer, NZI 2024, 41, 44, 46
Rdnr. 104 Die für die Vergütungsbemessung unabdingbare Schätzung obliegt dem Insolvenzverwalter. Diese Schätzung hat auf der Basis nachvollziehbarer und objektiver Gründe zu erfolgen und "wahre bzw. tatsächliche" Werte anzusetzen, die sich unter den Bedingungen einer insolvenzmäßigen Abwicklung absatzmarktabhängig entsprechend der wahrscheinlichsten Verwertungsmöglichkeit erzielen ließen.1 Die Vermögensübersicht nach § 153 InsO allein ist nicht geeignet, diesen Wert zu bestimmen; sie kann aber Anhaltspunkte für eine Schätzung liefern.2 Stehen keinerlei Informationen und aussagefähigen Unterlagen zur Verfügung, kann nach Anhörung der Beteiligten notfalls der Wert der geltend gemachten Forderungen des Insolvenzschuldners als Basis herangezogen werden.3 Notwendigenfalls hat ein Insolvenzgericht einzuschätzen, ob ein einzelner Gegenstand zur Insolvenzmasse zu zählen ist oder nicht.4 Die Vergütung des Insolvenzverwalters ist bei dieser Schätzung in jedem Fall außer Betracht zu lassen.5
2 LG Kassel v. 05.11.2014 - 3 T 222/14, ZInsO 2014, 2397; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 12. Hess, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 6 lässt die Vermögensübersicht als Schätzgrundlage genügen.
3 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 52
4 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 69/16, NZI 2017, 770 = ZInsO 2017, 1858. Siehe hierzu auch unten 7. Einschätzung, welche Gegenstände als Bestandteile der Insolvenzmasse anzusehen sind.
5 LG Kassel v. 05.11.2014 - 3 T 222/14, ZInsO 2014, 2397
Kernentscheidungen
Der Schätzwert der Masse wird, wenn das Verfahren durch Einstellung vorzeitig beendet ist, durch die Summe der Forderungen aller zu befriedigenden Insolvenz- und Massegläubiger begrenzt, sofern nicht der Wert der bereits erzielten Massezuflüsse höher ist.
BGH v. 13.07.2023 - IX ZB 42/22, NZI 2023, 779 = ZInsO 2023, 1852
___________________________________________________Wird das Insolvenzverfahren mit Zustimmung der Gläubiger eingestellt, kann das mit der Festsetzung der Vergütung befasste Gericht für den Schätzwert der Masse in entsprechender Anwendung des § 287 ZPO auf der Grundlage einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststellen, ob ein Gegenstand Bestandteil der Masse war.
BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 69/16, NZI 2017, 770 = ZInsO 2017, 1858
___________________________________________________Im Falle der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 213 InsO bemisst sich die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens, § 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV.
Forderungen, die in die Masse fallen und dort noch vorhanden sind, sind mit ihrem Verkehrswert zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob sich der Verwalter mit ihnen befasst hat; ob die Forderung auch noch zu einem späteren Zeitpunkt eingezogen werden könnte oder verjährt, ist unerheblich.BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 230/10, NZI 2012, 315 = ZInsO 2012, 603
BGH v. 17.03.2011 - IX ZB 145/10, NZI 2011, 445 = ZInsO 2011, 839; BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 150/11, ZInsO 2013, 309
___________________________________________________Kann ein Titel gegen den Verpflichteten nicht vollstreckt werden, weil dieser unpfändbar ist, muss die Forderung der Schuldnerin wertberichtigt werden.
BGH v. 29.03.2012 - IX ZB 134/09, ZInsO 2012, 1236
___________________________________________________Betreibt eine insolvente Gesellschaft ihr Geschäft an (besser: auf) einem Grundstück, dessen Eigentümer zugleich Alleingesellschafter ist, kann dessen etwaige Verpflichtung, der Gesellschaft das Grundstück nach (den Eigenkapitalersatzregeln unentgeltlich zur) Nutzung zu überlassen, einen wesentlichen Teil des Unternehmenswertes ausmachen.
BGH v. 27.07.2006 - IX ZB 243/05, NZI 2006, 581 = ZInsO 2006, 929
Rdnr. 105 Forderungen, deren die Titulierung und Einziehung bei einer normalen Fortführung des Insolvenzverfahrens wahrscheinlich erscheint, sind in die Schätzung der Insolvenzmasse einzubeziehen.1 Dies gilt auch für bestehende Schadensersatzansprüche der Masse gegen Dritte, welche zum vollen Verkehrswert zur Berechnungsgrundlage gehören.2
2 BGH v. 17.03.2011 - IX ZB 145/10, NZI 2011, 445 = ZInsO 2011, 839; BGH v. 09.06.2005 - IX ZB 230/03, NZI 2005, 557 = ZInsO 2005, 759
Kernentscheidung
Im Allgemeinen wird es rechtlich nicht zu beanstanden sein, wenn bei offenen Vollstreckungsaussichten in der Zukunft diese Wertberichtigung auch für die Zwecke der Berechnungsgrundlage einer Verwaltervergütung auf die Hälfte des Nennbetrags erfolgt.
BGH v. 29.03.2012 - IX ZB 134/09, ZInsO 2012, 1236
Rdnr. 106 Der Wert einer Forderung muss hierzu nicht bereits der Masse bereits zugeflossen sein.1 Dies ist zwar bei werthaltigen Forderungen bei einem normalen Ablauf des Insolvenzverfahrens bis zur Schlussrechnung in der Regel der Fall. Wird jedoch das Verfahren nach Bestätigung eines Insolvenzplans aufgehoben, kommt es hierauf - wie beim vorläufigen Verwalter - nicht mehr an. Zu berücksichtigen ist dann der Wert der Forderung zur Zeit der Beendigung des Verfahrens, selbst wenn sich der Verwalter überhaupt nicht mit der Forderung befasst hat.1 Die Frage, ob der Anspruch später noch realisiert werden könnte oder ob er später verjährt, ist ebenfalls unerheblich.2 Bei einer vorzeitigen Beendigung kommt es daher nicht auf ein bereits erzieltes Verwertungsergebnis an, sondern darauf, mit welchen Werten die Insolvenzmasse bei einer vollständigen Durchführung des Verfahrens in Ansatz zu bringen wäre.3
2 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 69/16, NZI 2017, 770 = ZInsO 2017, 1858; BGH v. 17.03.2011 - IX ZB 145/10, NZI 2011, 445 = ZInsO 2011, 839
3 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 69/16, NZI 2017, 770 = ZInsO 2017, 1858; Hess, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 6
Rdnr. 107 Voraussetzung für eine Berücksichtigung von Forderung ist jedoch, dass diese voraussichtlich vom Insolvenzverwalter überhaupt hätte realisiert werden können.1 Eine Forderung der Masse, der eine aufrechenbare Forderung entgegensteht, ist nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 nur mit ihrem Überschuss zu berücksichtigen.2 Hierbei kommt es darauf an, ob die sich gegenüberstehenden Forderungen aufrechenbar oder verrechenbar sind, weil nur dann ein Überschuss zur Masse gezogen werden kann.3 Soweit die Realisierung einer Forderung jedoch nicht erforderlich gewesen wäre, um alle Insolvenzgläubiger und Massegläubiger zu befriedigen, ist deren Wert vergütungsrechtlich nicht zu berücksichtigen.4 Gegenstände, die nicht im Eigentum des Schuldners stehen, mithin seitens des Berechtigten aus der Insolvenzmasse ausgesondert werden können (§ 47 InsO), sind daher nicht zu berücksichtigen.5 Sie sind nicht Bestandteil der Soll-Masse des § 35 InsO und damit auch nicht der vergütungsrechtlichen Berechnungsgrundlage im Sinne des § 1 Abs. 1.5
2 BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 230/10, NZI 2012, 315 = ZInsO 2012, 603; BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 150/11, ZInsO 2013, 309
3 BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 230/10, NZI 2012, 315 = ZInsO 2012, 603; BGH v. 21.01.2010 - IX ZB 197/06, NZI 2010, 400 = ZInsO 2010, 447
4 BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 230/10, NZI 2012, 315 = ZInsO 2012, 603; BGH v. 29.03.2007 - IX ZB 153/06, NZI 2007, 397 = ZInsO 2007, 539
5 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 69/16, NZI 2017, 770 = ZInsO 2017, 1858
Rdnr. 108 Bei der Berücksichtigung einer noch nicht realisierten Forderung hat das Insolvenzgericht zu prüfen, welchen Verkehrswert die vom Insolvenzverwalter behaupteten Ansprüche hatten. Dies setzt eine Prüfung ihrer Voraussetzungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht voraus, gegebenenfalls zudem die Möglichkeit ihrer Nachweis- und Titulierbarkeit. Ein Anspruch ist nur insoweit zu berücksichtigen, als er, gegebenenfalls im Wege der Zwangsvollstreckung, hätte realisiert werden können.1 Sind die Vollstreckungsaussichten nicht eindeutig zu bestimmen, wird regelmäßig eine Berücksichtigung von 50% des Forderungsbetrages angemessen sein.2
2 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 50
Kernentscheidung
Führt der Insolvenzverwalter das Unternehmen des Schuldners fort, können auch Geschäftsvorfälle, die noch nicht in Rechnung gestellt worden sind, in die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung eingestellt werden.
BGH v. 22.02.2007 - IX ZB 106/06, NZI 2007, 341 = ZInsO 2007, 436
BGH v. 02.03.2017 - IX ZB 90/15, NZI 2017, 544 = ZInsO 2017, 1051
Rdnr. 109 In diese Schätzung sind grundsätzlich auch die Erträge aus den mit Absonderungsrechten belasteten Massegegenständen entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 1 zu berücksichtigen, wie sie bei einer vollständigen Durchführung des Insolvenzverfahrens zu erwarten gewesen wären.1 Wären solche Gegenstände auch ohne eine vorzeitige Beendigung des Verfahrens nicht verwertet worden, sind diese dementsprechend nicht zu berücksichtigen.1
Kernentscheidung
Die Schätzung des Wertes der Berechnungsgrundlage wird nicht davon beeinflusst, dass sich ein Dritter bereit erklärt hat, die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen. Die Berechnungsgrundlage wird dadurch nicht berührt.
BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 150/11, ZInsO 2013, 309
Rdnr. 110 Kann eine Schätzung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 aufgrund tatsächlicher Schwierigkeiten nachvollziehbar nicht erfolgen, steht dem Insolvenzverwalter jedenfalls eine Mindestvergütung gem. § 2 Abs. 2 zu. Bei der Bemessung der Mindestvergütung kann die Zahl der voraussichtlich zu berücksichtigenden Gläubiger ebenfalls entsprechend § 1 Abs. 1 Satz 2 geschätzt werden.1
3. Schätzwerte bei Anfechtungsansprüchen
Rdnr. 111 Ansprüche aus Insolvenzanfechtungen können auch im Rahmen einer Schätzung des Wertes der Berechnungsgrundlage nur in der Höhe geltend gemacht werden, in der die Anfechtungssumme benötigt wird, um andere Masse- und Insolvenzgläubiger zu befriedigen, da es wegen eines höheren Betrages an einer objektiven Benachteiligung anderer Gläubiger i.S.v. § 129 Abs. 1 InsO fehlt und dementsprechend die darüberhinausgehenden Beträge keiner Insolvenzanfechtung unterliegen.1 Allerdings spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass in dem eröffneten Verfahren die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen.2 Von der Frage der Berechtigung eines Anfechtungsanspruchs losgelöst ist der tatsächliche Massezufluss zu behandeln. Auch dann, wenn ein Anfechtungsanspruch evtl. insgesamt oder nur der Höhe nach teilweise unberechtigt war, unterliegt der aus der erfolgreichen Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs erzielte Erlös der Verwaltung des Insolvenzverwalters und ist damit Bestandteil der Masse.3 Selbst wenn ein solcher Erlös nach Abschluss des Insolvenzverfahrens an den Anfechtungsgegner zurückgewährt werden muss, unterliegt er der Verwaltung des Insolvenzverwalters und ist Bestandteil der Masse und somit Bestandteil der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung.3 Dies gilt auch bei erfolgreichen Anfechtungen gegenüber Pflichtteilsberechtigten, selbst wenn aufgrund von §§ 327, 328 InsO der Anfechtungsbetrag evtl. wieder zurückzuleisten wäre.3 Ob und in welchem Umfang der Erlös aus der Anfechtung an den Anfechtungsgegner im Hinblick auf § 328 InsO zurückzuzahlen ist, hat auf die Höhe der Berechnungsgrundlage für die Vergütung keinen Einfluss.3 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob ein Insolvenzverwalter pflichtwidrig handelte, indem er einen evtl. nicht notwendigen und daher nicht berechtigten Anfechtungsanspruch geltend machte.3 Die Insolvenzverwaltervergütung ist als Tätigkeitsvergütung ausgestaltet, so dass der Einwand mangelhafter oder erfolgloser Leistung die Höhe der Vergütung grundsätzlich nicht zu beeinflussen vermag.4
2 BGH v. 20.02.2014 - IX ZR 164/13, NZI 2014, 321 = ZInsO 2014, 598
3 BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33; Schoppmeyer, NZI 2024, 41, 45
4 BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33; BGH v. 22.11.2018 - IX ZB 14/18, NZI 2019, 139 = ZInsO 2019, 91
Kernentscheidungen
Wird das Insolvenzverfahren durch Einstellung vorzeitig beendet, ist in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters auch ein Anfechtungsanspruch einzubeziehen, soweit dessen Einziehung zur Befriedigung der Insolvenz- und Massegläubiger erforderlich ist.
BGH v. 14.02.2019 – IX ZB 25/17, NZI 2019, 392 = ZInsO 2019, 691
___________________________________________________Der Erlös aus einem Anfechtungsanspruch erhöht auch dann die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters, wenn die ohne diesen Erlös vorhandene Masse ausreicht, um sämtliche gegenüber den Ansprüchen eines Pflichtteilsberechtigten vorrangige Insolvenzforderungen vollständig aus der Masse befriedigen zu können, und der Erlös nicht für die Befriedigung von Ansprüchen eines Pflichtteilsberechtigten verwendet werden darf.
BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33
___________________________________________________Es spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass in dem eröffneten Verfahren die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu befriedigen.
BGH v. 20.02.2014 - IX ZR 164/13, NZI 2014, 321 = ZInsO 2014, 598
4. Buchwerte
Rdnr. 112 Fiktive, nicht verteilungsfähige Vermögensgegenstände wie beispielsweise ein immaterieller und damit nicht vollstreckungsfähiger, gleichsam nur buchmäßig existierender Unternehmenswert sind in keinem Fall der Vergütung des Insolvenzverwalters zugrunde zu legen.1 Buchwerte stellen nur bilanzierte Hoffnungswerte dar, die in der Realität einer Insolvenz ohne jeden konkreten Bezug sind und scheiden daher als Bewertungsmaßstab regelmäßig aus.2 Dies ist dann anders zu sehen, wenn sich solche Buchwerte über eine Veräußerung in einen konkreten Massezufluss umgewandelt haben. Solche Massezuflüsse sind dann mit ihrem konkreten Wert zu berücksichtigen.
2 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 21
5. Schätzung bei einem Wechsel der Insolvenzverwalter
Rdnr. 113 Endet das Amt eines Insolvenzverwalters und wird das Verfahren nachfolgend durch einen anderen Insolvenzverwalter fortgesetzt, ist für die Berechnung der angemessenen Vergütung des ausscheidenden Insolvenzverwalters die Insolvenzmasse zum Zeitpunkt des Ausscheidens maßgeblich1, auf welche sich die Schlussrechnung dieses Insolvenzverwalters bezieht. Der vor Beendigung des Verfahrens ausscheidende Insolvenzverwalter hat er für den Zeitpunkt seines Ausscheidens eine Schlussrechnung zu legen.2 Das Ergebnis zu dem viel späteren Ende des Verfahrens kann und muss dieser Insolvenzverwalter nicht heranziehen, da er hierzu außerstande wäre.2 Auch das Insolvenzgericht hat in einem solchen Fall nicht die Aufgabe, den Wert der Masse zu diesem ungewissen Zeitpunkt zu schätzen und den Schätzwert bei der Vergütungsfestsetzung zugrunde zu legen.2
2 BGH v. 10.11.2005 - IX ZB 168/04, NZI 2006, 165 = ZInsO 2006, 29
Rdnr. 114 Die Berechnungsgrundlage eines ausgeschiedenen Insolvenzverwalters bestimmt sich dabei nicht allein nach dem Wert der von diesem Insolvenzverwalter erzielten Einnahmen zuzüglich der aus dem Eröffnungsverfahren übernommen Vermögensbestandteilen, da sonst die Bestandteile der Masse, die der ausgeschiedene Insolvenzverwalter bis zur Beendigung seines Amtes nicht verwertet hat, die jedoch seiner Verwaltung unterlagen, unberücksichtigt bleiben müssten.1 Es ist daher keine Teil-Masse für den ausgeschiedenen Insolvenzverwalter zu berechnen. Der Umstand, dass das Amt dieses Insolvenzverwalters vorzeitig endete, ist nicht durch eine zwingende Änderung der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, sondern regelmäßig durch eine Reduzierung des Regelsatzes gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. c).2
2 BGH v. 10.11.2005 - IX ZB 168/04, NZI 2006, 165 = ZInsO 2006, 29; BGH v. 16.12.2004 - IX ZB 301/03, NZI 2005, 161 = ZInsO 2005, 85
Rdnr. 115 Massezuflüsse sind in die Berechnungsgrundlage der Vergütung eines ausgeschiedenen Insolvenzverwalters einzustellen, falls jene ausschließlich Folge seiner Tätigkeit sind.1 Es reicht dabei nicht aus, dass der ausgeschiedene Insolvenzverwalter einen späteren Massezufluss lediglich in die Wege geleitet hat, dieser dann aber erst durch Bemühungen seines Nachfolgers abgeschlossen worden ist. Beispielsweise zählen Sicherheiten, die erst nach dem Ausscheiden des ersten Insolvenzverwalters infolge von Verhandlungen mit den Sicherungsnehmern, die der erste Insolvenzverwalter noch abgeschlossen hat, freigegeben werden, zu dem von ihm verwalteten Vermögen.1 Hat ein ausgeschiedene Insolvenzverwalter einen Anfechtungsrechtsstreit nach §§ 129 ff. InsO durchgefochten und zahlt der Anfechtungsgegner nach dem Verwalterwechsel, ist dieser Massezufluss ebenfalls dem ausgeschiedenen Insolvenzverwalter zuzurechnen.1
Rdnr. 116 Ist die bis zur Festsetzung der Vergütung des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters erfolgte Masseanreicherung nicht - oder nicht nachweisbar - ausschließlich auf seine Bemühungen zurückzuführen, erscheint es vielmehr als möglich, dass auch Bemühungen des neuen Insolvenzverwalters dazu beigetragen haben, kann der dadurch bewirkte Massezufluss bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters nicht berücksichtigt werden.1 Die - möglicherweise sehr arbeitsintensiven - Bemühungen des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters um eine Masseanreicherung können einen Zuschlag gemäß § 3 begründen.1
6. Maßgeblichkeit des Tätigkeitszeitraums des Verwalters
Rdnr. 117 Für die Vergütung eines Insolvenzverwalters ist allein die Tätigkeit in der Zeit maßgebend, in der er als solcher bestellt war.1 Ein Vergütungsanspruch eines Verwalters kann daher nicht mit Tätigkeiten während einer vorläufigen Verwaltung oder nach Entlassung gem. § 59 InsO begründet werden.
Kernentscheidung
Für die Vergütung des Insolvenzverwalters ist allein die Tätigkeit in der Zeit maßgebend, in der er als solcher bestellt war. Ein Zuschlag für eine Unternehmensfortführung ist nicht gerechtfertigt, wenn die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurde.
BGH v. 13.03.2008 - IX ZB 39/05, NZI 2008, 428 = ZInsO 2008, 558
7. Einschätzung, welche Gegenstände als Bestandteile der Insolvenzmasse anzusehen sind
Rdnr. 118 Gerade in Fällen einer vorzeitigen Beendigung des Insolvenzverfahrens können Zweifel bestehen, ob einzelne Gegenstände der Insolvenzmasse zuzurechnen sind oder nicht und ob diese in der Folge den Wert der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung erhöhen. Durch die vorzeitige Beendigung fehlt es an einer Möglichkeit, notwendigenfalls durch eine streitige Gerichtsentscheidung feststellen zu lassen, ob bestimmte Gegenstände, Rechte oder Forderungen Bestandteil der Insolvenzmasse entsprechend § 35 InsO sind. Bei Zweifeln hierüber ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, vorzutragen, aus welchen Gründen heraus er von einer Zuordnung des entsprechenden Gegenstandes, Rechts bzw. Forderung zur Insolvenzmasse ausgeht. Das Insolvenzgericht hat auf der Basis seiner eigenen Erkenntnisse und dieses Vortrags zu entscheiden, ob der entsprechende Wert in die Berechnungsgrundlage aufgenommen wird oder nicht. Diese Entscheidung hat sich in entsprechender Anwendung des § 287 ZPO daran zu orientieren, welches Ergebnis überwiegend wahrscheinlich ist.1
Kernentscheidung
Wird das Insolvenzverfahren mit Zustimmung der Gläubiger eingestellt, kann das mit der Festsetzung der Vergütung befasste Gericht für den Schätzwert der Masse in entsprechender Anwendung des § 287 ZPO auf der Grundlage einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststellen, ob ein Gegenstand Bestandteil der Masse war.
Ein Insolvenzverfahren erfasst auch einen Miteigentumsanteil des Schuldners an einem im Ausland belegenen Grundstück. Ob der Schuldner Miteigentümer ist, richtet sich nach dem Recht des Staates, in dem sich das Grundstück befindet.BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 69/16, NZI 2017, 770 = ZInsO 2017, 1858
8. Keine Begrenzung der Schätzung der Insolvenzmasse durch Kosten und Insolvenzforderungen
Rdnr. 119 Dass der Schätzwert der Masse im Falle einer vorzeitigen Verfahrensbeendigung entsprechend § 1 Abs. 1 S. 2 maßgeblich ist, hat der Bundesgerichtshof wiederholt hervorgehoben und bestätigt. Auch bei einer vorzeitigen Beendigung kann es auch nicht darauf ankommen, ob beispielsweise Gegenstände bereits verwertet worden sind, denn die Zuordnung dieser Gegenstände zur Insolvenzmasse und damit die Einbeziehung ihres Wertes in die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters hängt nicht davon ab, dass diese Gegenstände bereits verwertet worden sind, also ein Wechsel zwischen einem werthaltigen Gegenstand oder einer werthaltigen Forderung in eine Forderung gegen die das Masse kontoführende Bank erfolgt ist. Dementsprechend sind auch nicht verwertete Massebestandteile mit ihrem wirtschaftlichen Wert auch bei einer vorzeitigen Beendigung des Insolvenzverfahrens bzw. des Amtes des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Wurden die Gegenstände bzw. Forderungen bereits verwertet, steht der Wert in Höhe des erwirtschafteten Betrages fest. Anderenfalls ist dieser Wert möglichst realistisch einzuschätzen. Forderungen aus einer Insolvenzanfechtung sind nach diesen Regelungen einzuschätzen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Berechtigung des Insolvenzverwalters durch die Regelung § 129 Abs. 1 InsO insoweit begrenzt ist, als ihm eine Insolvenzanfechtung nur insoweit erlaubt ist, als diese notwendig ist, eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger auszugleichen. Dementsprechend besteht ein Anfechtungsanspruch entsprechend § 129 Abs. 1 InsO dann nicht mehr, wenn nach der vorrangigen Befriedigung der Kosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten auch bereits eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger erfolgt bzw. möglich ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Anfechtungsansprüche nur in dem Rahmen auch bei der Vergütungsbemessung eine Rolle spielen können, in dem diese benötigt werden, um die Gläubiger, also sowohl die Massegläubiger als auch die Insolvenzgläubiger, vollständig zu befriedigen.1
Rdnr. 120 Diesen richtigen Gedanken wendet der Bundesgerichtshof1 jedoch nach seinem Wortlaut auch auf Forderungen des Insolvenzschuldners an, indem er formuliert: „(1)Daher sind auch Forderungen zu berücksichtigen, die zur Insolvenzmasse gehören (BGH, Beschluss vom 17. März 2011 - IX ZB 145/10, ZInsO 2011, 839 Rn. 122; vom 9. Februar 2012 - IX ZB 230/10, ZInsO 2012, 603 Rn. 83; vom 9. Februar 2012 - IX ZB 150/11, ZInsO 2013, 309 Rn. 94). (2)Dies gilt allerdings nur in dem Umfang, in dem die Einziehung der Forderung zur Befriedigung aller Gläubiger der Insolvenz - wie auch der Massegläubiger - erforderlich gewesen wäre. (3)Wären Massegegenstände nicht verwertet worden, weil eine vollständige Befriedigung der Gläubiger ohnedies zu erreichen gewesen wäre, ist der Wert jener Gegenstände vergütungsrechtlich nicht zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 29. März 2007, aaO5; vom 9. Februar 2012 - IX ZB 230/10, aaO Rn. 113; vom 9. Februar 2012 - IX ZB 150/11, aaO Rn. 124). (4)Tatsächliche Massezuflüsse erhöhen die Berechnungsgrundlage dagegen auch insoweit, als sie zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger nicht benötigt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 - IX ZB 40/18, Rn. 8 f6).“
2 BGH v. 17.03.2011 - IX ZB 145/10, NZI 2011, 445 = ZInsO 2011, 839
3 BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 230/10, NZI 2012, 315 = ZInsO 2012, 603
4 BGH v. 09.02.2012 - IX ZB 150/11, ZInsO 2013, 309
5 BGH v. 29.03.2007 - IX ZB 153/06, NZI 2007, 397 = ZInsO 2007, 539
6 BGH v. 10.01.2019 - IX ZB 40/18, NZI 2019, 355 = ZInsO 2019, 343 sowie 2020, 33
Rdnr. 121 Die Einschränkung im Satz (2) dieses Zitats dürfte nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur Anfechtungsansprüche betreffen, nicht jedoch andere Forderungen des Insolvenzschuldners. Denn während die Anfechtungsansprüche entsprechend § 129 Abs. 1 InsO faktisch durch die Kosten des Verfahrens, der sonstigen Masseverbindlichkeiten und der Forderungen der Insolvenzgläubiger beschränkt sind, wird die Antwort auf die Frage, was Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO ist hierdurch nicht beeinflusst. Weder der Wert der Insolvenzmasse noch die Basis für die Vergütung des Insolvenzverwalters wird durch die Forderungen der Insolvenzgläubiger - eventuell zuzüglich der Kosten und Masseverbindlichkeiten des Verfahrens - beschränkt. Sowohl die zur Insolvenzmasse gehörenden Forderungen als auch die Gegenstände aus der Masse sind bei der Einschätzung des Wertes der Insolvenzmasse vollständig mit ihrem wahren, wirtschaftlichen Wert zu berücksichtigen. Die vom BGH eventuell beabsichtigte Reduzierung des Wertes der Berechnungsgrundlage der Vergütung eines Insolvenzverwalters im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Verfahrens widerspricht eindeutig dem gesetzlichen Wortlaut und findet weder in der Insolvenzordnung noch in der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung einen Anhalt. Die bei dieser Entscheidung benannten Vorentscheidungen des BGH decken diese Formulierungen nicht.
Rdnr. 122 Entgegen diesen Formulierungen des BGH hat es bei der Bemessung der Vergütung eines Insolvenzverwalters in Verfahren, welche vorzeitig enden, bei einer Einschätzung der Insolvenzmasse als Basis für die Vergütungsfestsetzung zu verbleiben. Hierbei ist die gesamte Insolvenzmasse ohne Begrenzung auf irgendwelche Werte aus den Kosten des Verfahrens, der sonstigen Masseverbindlichkeiten und den Insolvenzforderungen zu bewerten. Forderungen aus einer Insolvenzanfechtung sind in diesem Rahmen ebenso einzuschätzen. Hierbei ist jedoch die Wertung des § 129 Abs. 1 InsO zu beachten, wonach eine Insolvenzanfechtungslage dann nicht mehr vorliegt, wenn für die Kosten des Verfahrens inklusive aller Masseverbindlichkeiten sowie die Befriedigung der Insolvenzgläubiger Beträge nicht mehr benötigt werden.
V. Umgang mit Massezuflüssen nach Erstellung einer Schlussrechnung
Rdnr. 123 Zwischen den Zeitpunkt der Erstellung und Einreichung der Schlussrechnung nach § 66 InsO, welche für die Bestimmung der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung nach § 1 Abs. 1 benötigt wird und dem Schlusstermin gem. § 197 InsO vergeht in der Praxis ein erheblicher Zeitraum. Bei der Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters sind alle Einnahmen bis zum Schlusstermin zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus dem ergänzend anwendbaren § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO. Die Schlussrechnung, die ein Insolvenzverwalter nach Abschluss seiner Verwertung vorlegt, hat auf den Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens abzustellen. Grundlage für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters ist damit - von Nachtragsverteilungen abgesehen - der Wert der Insolvenzmasse bei Beendigung des Verfahrens.1 Die Schlussrechnung ist entsprechend fortzuschreiben und die sich hieraus ergebende neue Berechnungsmasse der (ergänzenden) Festsetzung der Vergütung zugrunde zu legen.2 Die nach dem Schlusstermin und vor der Schlussverteilung eingehenden Massezuflüsse sind in die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung einzubeziehen oder im Falle bereits erfolgter Festsetzung durch eine ergänzende Festsetzung zu berücksichtigen.3 In diesen Fällen ist die ergänzende Vergütung nicht wie eine Nachtragsverteilung zu behandeln, da es einer Nachtragsverteilung nicht bedarf, solange Massebestandteile in die Schlussverteilung einbezogen werden können.3 In gleicher Weise wären auch Massezuflüsse zwischen der Schlussverteilung und einer Verfahrensaufhebung zu behandeln.4 Soweit möglich, hat das Insolvenzgericht von einer Verfahrensaufhebung abzusehen, um eine weitere Verteilung und entsprechend eine Anpassung der Vergütungsfestsetzung zu ermöglichen. Die Anpassung/Neufestsetzung ist dabei nicht als Vergütung einer Nachtragsverteilung entspr. § 6 Abs. 1 zu behandeln, sondern als ergänzende Festsetzung bzw. Korrektur der bereits hierzu ergangenen Entscheidung des Insolvenzgerichts. Hat ein Verwalter nach der Schlussverteilung eingehende Massezuflüsse verteilt und wurde das Verfahren nachfolgend aufgehoben hindert die Aufhebung eine Neufestsetzung bzw. Korrektur nicht. Nur dann, wenn die Verteilung nach Aufhebung des Verfahrens und ausdrücklicher Anordnung einer Nachtragsverteilung erfolgte, kann der Insolvenzverwalter an Stelle der Vergütungskorrektur die evtl. höhere Vergütung für eine Nachtragsverteilung verlangen.5
2 BGH v. 26.01.2006 - IX ZB 183/04, NZI 2006, 237 = ZInsO 2006, 203
3 BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118; BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
4 BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118; Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 14; Zimmer, EWiR 2014, 183 verlangt insoweit eine Anordnung einer Nachtragsverteilung und geht auf die (Zweit-)Verteilung nach der Schlussverteilung nicht ein.
5 Zimmer, EWiR 2014, 183
Kernentscheidungen
Ein nach der Einreichung des Vergütungsantrags bei Gericht erfolgender Massezufluss stellt eine neue Tatsache dar, die grundsätzlich eine nachträgliche Festsetzung der Vergütung ermöglicht. Berücksichtigt der Insolvenzverwalter bei seinem ersten Vergütungsantrag sicher zu erwartende, zukünftige Massezuflüsse nicht, führt dies nicht zur Präklusion für einen ergänzenden Festsetzungsantrag.
BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82
___________________________________________________Massezuflüsse zwischen dem Vollzug der Schlussverteilung und der Beendigung des Insolvenzverfahrens erhöhen die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters. Konnten sie bei der bereits erfolgten Festsetzung der Vergütung noch nicht berücksichtigt werden, kann der Insolvenzverwalter eine ergänzende Festsetzung beantragen.
BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118
___________________________________________________Ein nach Einreichung der Schlussrechnung vor dem Schlusstermin sich ergebender Massezufluss ist bei der Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung zu berücksichtigen.
BGH v. 05.07.2007 - IX ZB 305/04, NZI 2007, 583 = ZInsO 2007, 813
BGH v. 06.10.2011 - IX ZB 12/11, NZI 2011, 906 = ZInsO 2011, 2049
BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
___________________________________________________Massezuflüsse zwischen dem Schlusstermin und dem Vollzug der Schlussverteilung erhöhen die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters.
BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
___________________________________________________Ein nach Einreichung der Schlussrechnung vor dem Schlusstermin sich ergebender Massezufluss rechtfertigt für den Insolvenzverwalter eine ergänzende Festsetzung seiner mit der Schlussrechnung beantragten Verwaltervergütung.
BGH v. 26.01.2006 - IX ZB 183/04, NZI 2006, 237 = ZInsO 2006, 203
BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
Rdnr. 124 Daher ist auch dann, wenn der Schlussbericht noch eine Insolvenzmasse von 0 € ausweist, ein später entstehender Massezufluss, beispielsweise durch eine Erbschaft1, in die Bestimmung der Berechnungsgrundlage aufzunehmen.2 Deren voller Betrag ist aufzunehmen, auch wenn ihr Wert die Summe der Insolvenzforderungen übersteigt.3 Der Insolvenzverwalter hat dies dem Insolvenzgericht vorzutragen und seinen Schlussbericht sowie den Vergütungsantrag entsprechend zu ergänzen.2 Eine formelle und materielle Rechtskraft einer bereits erfolgten Festsetzung steht einer Ergänzung des Antrags und einer ergänzenden Festsetzung nicht entgegen, wenn die eingetretene Masseanreicherung eine neue Tatsache darstellt; ein Vorbehalt des Insolvenzverwalters ist hierfür nicht notwendig.2
2 BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118; BGH v. 26.01.2006 - IX ZB 183/04, NZI 2006, 237 = ZInsO 2006, 203; BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305. Anders das AG Friedberg v. 07.07.2015 - 60 IN 202/10, NZI 2015, 908 = ZInsO 2015, 2543, welches eine nachträgliche Berücksichtigung eines Massezuflusses mit dem Argument der entgegenstehenden Rechtskraft verweigert, wenn dieser Massezufluss bereits im Rahmen des ersten Vergütungsantrages hätte berücksichtigt werden können.
3 Schoppmeyer, NZI 2024, 41, 45
Kernentscheidungen
Massezuflüsse zwischen dem Vollzug der Schlussverteilung und der Beendigung des Insolvenzverfahrens erhöhen die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters. Konnten sie bei der bereits erfolgten Festsetzung der Vergütung noch nicht berücksichtigt werden, kann der Insolvenzverwalter eine ergänzende Festsetzung beantragen.
BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118
___________________________________________________Steht ein späterer Massezufluss bei Einreichung der Schlussrechnung schon mit Sicherheit fest, ist es zweckmäßig, diesen bereits in der Schlussrechnung und der hierauf gestützten (ersten) Vergütungsfestsetzung zu berücksichtigen.
BGH v. 26.01.2006 - IX ZB 183/04, NZI 2006, 237 = ZInsO 2006, 203
BGH v. 05.07.2007 - IX ZB 305/04, NZI 2007, 583 = ZInsO 2007, 813
Rdnr. 125 Ein Insolvenzverwalter ist jedoch nicht berechtigt, bei Erstellung der Schlussrechnung als Massezuflüsse Positionen aufzunehmen, deren Eingang nicht sicher feststeht. Solange offen ist, ob und in welcher Höhe der Masse Vermögen zufließen wird, fehlt es an einer Grundlage sowohl für eine Verteilung wie für eine Berücksichtigung bei der Festsetzung der Vergütung. Erst wenn der Zufluss feststeht, kann er der Festsetzung der Vergütung zugrunde gelegt werden.1 Daher ist ein Insolvenzverwalter berechtigt, sobald ein über die bisherige Schlussrechnung hinausgehender Massezufluss feststeht, seinen Antrag auf Festsetzung der Vergütung zu ergänzen oder bei bereits erfolgter Festsetzung einen Antrag auf ergänzende Festsetzung stellen.1
Kernentscheidung
Bei einem Massezufluss nach Aufhebung des Verfahrens kann eine zusätzliche Vergütung nur bei einer Nachtragsverteilung festgesetzt werden.
BGH v. 06.10.2011 - IX ZB 12/11, NZI 2011, 906 = ZInsO 2011, 2049
BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
Rdnr. 126 Massezuflüsse, die erst nach einer Aufhebung des Verfahrens eintreten, können nur dann zu einer ergänzenden oder zusätzlichen Vergütung führen, wenn das Insolvenzgerichts aufgrund dieser Vermögensteile eine Nachtragsverteilung angeordnet hat.1
Rdnr. 127 Umsatzsteuererstattungen, die zugunsten der Insolvenzmasse bei Einreichung der Schlussrechnung mit Sicherheit erwartet werden können, sind bei der Bemessungsgrundlage der Verwaltervergütung zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn sich dieser Anspruch aus dem Vorsteuerabzug hinsichtlich der festzusetzenden Vergütung des Verwalters ergibt.1 (Siehe hierzu oben die Ausführungen zur Behandlung der Umsatzsteuer) Voraussetzung hierfür ist aber ebenfalls, dass ein Massezufluss vor der Aufhebung des Verfahrens stattgefunden hat.2 Kommt es erst nach Beendigung des Schlusstermins zu einem Massezufluss, bedarf es für eine Berücksichtigung in der Vergütungsfestsetzung der Anordnung einer Nachtragsverteilung.2 Eine Nachtragsverteilung ist von der Beendigung des Schlusstermins an möglich.3 In diesem Fall ist die Vergütung als Nachtragsverteilungsverfahren ausschließlich nach § 6 zu berechnen.2
2 BGH v. 06.10.2011 - IX ZB 12/11, NZI 2011, 906 = ZInsO 2011, 2049
3 BGH v. 06.10.2011 - IX ZB 12/11, NZI 2011, 906 = ZInsO 2011, 2049; BGH v. 17.03.2005 - IX ZB 286/03, NZI 2005, 395
VI. Bestimmung der Berechnungsmasse bei Erteilung einer Restschuldbefreiung vor Beendigung des Verfahrens / Asymmetrische Verfahren
Rdnr. 128 Die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Erteilung einer Restschuldbefreiung ist nach Ablauf der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO, also nach Ablauf von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zutreffen. In den Insolvenzverfahren, in denen das eröffnete Insolvenzverfahren zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet werden konnte, hat das Insolvenzgericht zur Ermöglichung einer Erteilung einer Restschuldbefreiung zu diesem Zeitpunkt einen gesonderten Schlusstermin anzuberaumen.1 Wird dem Insolvenzschuldner noch während des laufenden Insolvenzverfahrens nach Ablauf der Abtretungserklärung Restschuldbefreiung erteilt, entfällt der Insolvenzbeschlag für den Neuerwerb ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Abtretungserklärung.1 Dieser Neuerwerb ist damit auch nicht bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen.
Kernentscheidung
Wird dem Schuldner im laufenden Insolvenzverfahren die Restschuldbefreiung erteilt, gehört der Anspruch auf Erstattung von Einkommensteuerzahlungen zur Insolvenzmasse und nicht zum insolvenzfreien Neuerwerb des Schuldners, wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens vor Ablauf der Abtretungsfrist verwirklicht worden ist.
Rdnr. 129 Zwischen der eine Restschuldbefreiung aussprechenden Entscheidung und dem Zeitpunkt ihrer Rechtskraft können insbesondere durch Rechtsmittel erhebliche Zeiträume vergehen. Erst wenn die Erteilung einer Restschuldbefreiung rechtskräftig geworden ist, ist auch gesichert, dass der Neuerwerb ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Abtretungserklärung nicht unter den Insolvenzbeschlag fällt und dementsprechend kein Bestandteil der Insolvenzmasse ist. Da aber die Möglichkeit besteht, dass die Erteilung der Restschuldbefreiung zu Lasten des Insolvenzschuldners aufgehoben wird, hat der Insolvenzverwalter bis zur Rechtskraft der Endentscheidung auch den Neuerwerb wie die sonstige Masse zu behandeln und einzuziehen. Wird nach der vom Insolvenzgericht durchzuführenden Anhörung der Verfahrensbeteiligten die Restschuldbefreiung angekündigt, muss ein Insolvenzverwalter die nach Ablauf der sechs Jahre vereinnahmten Beträge in vollem Umfang an den Insolvenzschuldner auskehren.1
Rdnr. 130 Wird die Erteilung der Restschuldbefreiung rechtskräftig, gehören die vom Insolvenzverwalter zwischenzeitlich eingezogenen Beträge aus einem Neuerwerb des Insolvenzschuldners nach dem Zeitpunkt des Endes der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO nicht zur Insolvenzmasse uns können dementsprechend nicht in der Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalters berücksichtigt werden.1 Die Belastungen des Insolvenzverwalters durch die zeitweise Behandlung des Neuerwerbs können dann durch einen Zuschlag gem. § 3 Abs. 1 ausgeglichen werden, wenn sie einen nicht unerheblichen Umfang erreicht haben.
VII. Bestimmung der Berechnungsmasse bei einer vorzeitigen Erteilung einer Restschuldbefreiung gem. § 300 InsO
Rdnr. 131 Insolvenzverfahren, welche vor dem 1. Januar 2021 beantragt worden sind:
In den ab dem 1. Juli 2014 beantragten Verfahren sieht § 300 InsO vor, dass eine Restschuldbefreiung bereits nach drei Jahren erteilt werden kann, wenn die Kosten des Verfahrens berichtigt wurden und die Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 Prozent ermöglicht wurde. Der für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger bereite Betrag muss dabei dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder zugeflossen sein und ist damit als Bestandteil der Insolvenzmasse bei der Vergütung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Entsprechend wirkt sich dieser Betrag auf die Kosten des Verfahrens gem. § 54 InsO durch eine Erhöhung des Berechnungswerts der Verwaltervergütung gem. §§ 1 und 2 InsVV bzw. der des Treuhänders nach § 14 InsVV aus. Wird beispielsweise die Grenze des § 300 InsO nur durch eine Zahlung eines Dritten in die Insolvenzmasse erreicht, ist auch dieser Betrag der Vergütungsberechnung des Insolvenzverwalters zugrunde zu legen. Dadurch werden in der Folge die abzudeckenden Kosten des Verfahrens erhöht, was die Erreichung der Betragsgrenze des § 300 InsO erneut erschwert.
Rdnr. 132 Insolvenzverfahren, welche nach dem 31. Dezember 2020 beantragt worden sind:
§ 1 Abs. 2 Nr. 5 wurde mit Wirkung für alle nach dem 30. September 2020 beantragten Insolvenzverfahren insoweit geändert, als nunmehr Zahlungen von einer anderen Person als dem Insolvenzschuldner selbst, welche mit dem Ziel der Erreichung einer vorzeitigen Restschuldbefreiung gemäß § 300 InsO n.F. geleistet werden, nicht in der Berechnungsgrundlage der Vergütung eines Insolvenzverwalters zu berücksichtigen sind. Nach dem Willen des Verordnungsgebers soll eine solche Zahlung, welche die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten abdeckt (soweit dies nicht bereits aus einer vorhandenen Insolvenzmasse möglich ist), nicht zu einer Erhöhung der Vergütung des Insolvenzverwalters führen. Wurden Forderungen im Verfahren angemeldet, sind auch diese vollständig zu befriedigen. Im Letzteren Fall hat das Insolvenzgericht zu entscheiden, ob es zur Anmeldung von Forderungen gemäß § 39 InsO auffordert. Dies dürfte nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 300 InsO n.F. regelmäßig der Fall sein. Die vorzeitige Entlassung des Insolvenzschuldners aus dem Insolvenzverfahren wird dementsprechend davon abhängig gemacht, dass alle Verbindlichkeiten und Kosten durch den Insolvenzschuldner oder einer ihn unterstützenden Person getragen werden.
Rdnr. 133 Die Änderung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 erfolgte durch Art. 4 Nr. 2 des Verkürzungsgesetzes vom 22.12.20201 mit Rückwirkung auf alle nach dem 30.09.2020 beantragten Insolvenzverfahren. Es handelt sich insoweit um eine rückwirkende Verschlechterung zulasten der Insolvenzverwalter, was verfassungsrechtlich unzulässig ist. Gleichzeitig verstößt diese Neuregelung gegen die gesetzliche Vorgabe der Maßgeblichkeit des Wertes der Insolvenzmasse für die Bemessung der Verwaltervergütung in § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO. Auch der Verordnungsgeber geht selbst davon aus, dass Zahlungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 5 zur Durchführung des Verfahrens oder zur Erfüllung eines Insolvenzplans Bestandteil der Insolvenzmasse werden, da es anderenfalls keiner besonderen Regelung dieser Art bedürfte, da Werte, welche nicht Insolvenzmasse sind, bereits gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO, § 1 Abs. 1 InsVV nicht die Vergütung eines Insolvenzverwalters beeinflussen.
Rdnr. 134 Die weitere Einschränkung in § 1 Abs. 2 Nr. 5 n.F. begründete der Regierungsentwurf wie folgt: "Es wäre angesichts der Überschaubarkeit des mit der Vereinnahmung des Zuschusses verbundenen Aufwands für den Verwalter oder Treuhänder nicht gerechtfertigt und aus Sicht des Zuwendenden auch nicht nachvollziehbar, wenn der Zuschuss eine Erhöhung der Vergütung nach sich zöge und den Zweck des Zuschusses vereiteln würde." Mit dem am Vortag verkündeten Kostenrechtsänderungsgesetz 20211 hat der Gesetzgeber gleichzeitig die gerichtlichen Kosten auch eines solchen Verfahrens angehoben. Die Gerichtskasse wird daher von allen Zahlungen die eine Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und/oder eine vorzeitige Restschuldbefreiung oder die Erfüllung eines Insolvenzplans ermöglichen sollen, ungekürzt profitieren, obwohl durch solche Zahlungen keinerlei zusätzlicher Aufwand der Justiz entsteht. Die Verbesserung der Situation der Gerichtskasse hält der Gesetzgeber trotz des Umstandes, dass Zahlungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 5 absolut keinen zusätzlichen Aufwand verursachen auch zum Nachteil des Zuwendenden und der Insolvenzgläubiger für zwingend notwendig und überläßt den Insolvenzverwaltern die zusätzlichen Aufgaben und Haftungsrisiken ohne den kleinsten Ausgleich hierfür. Letzteres muss im Einzelfall durch einen angemessenen Zuschlag entsprechend § 3 Abs. 1 ausgeglichen werden.
Rdnr. 135 Eine Zahlung im Sinne von § 300 InsO n.F., § 1 Abs. 2 Nr. InsVV kann im Einzelfall auch durch den Insolvenzschuldner selbst erfolgen, so sein insolvenzfreies Vermögen hierzu ausreicht. Eine Zahlung des Insolvenzschuldners ist auch nach der neuen Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 in der Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalters ungekürzt zu berücksichtigen.
Rdnr. 136 Die neue Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 findet nur in der Berechnungsgrundlage der Vergütung eines Insolvenzverwalters eines eröffneten Insolvenzverfahrens Anwendung. Zwar benennt die Begründung des Regierungsentwurfs zur Änderung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 insoweit auch den Treuhänder, doch findet diese Norm keine Anwendung auf die Vergütung von Treuhändern.1 Gemäß § 14 InsVV, § 293 InsO bemisst sich die Vergütung eines Treuhänders nicht nach dem Wert der Insolvenzmasse, da einerseits während der Tätigkeit eines Treuhänders eine Insolvenzmasse im Sinne des Gesetzes nicht mehr existiert und zudem § 293 Abs. 2 InsO nicht auf § 63 Abs. 1 InsO verweist. Zahlungen an einen Treuhänder i.S.v. § 293 InsO mit dem Ziel einer vorzeitigen Restschuldbefreiung und/oder zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger sind ungekürzt in der Berechnungsgrundlage gem. § 14 InsVV zu berücksichtigen.
VIII. Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2 InsVV*
Rdnr. 137 Dass einem Insolvenzverwalter zum Ausgleich für seine Tätigkeiten, seine Mühen und seine Risiken ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung zusteht, ergibt sich bereits aus den allgemeinen Grundsätzen bei der Beauftragung Privater mit Aufgaben im öffentlichen Interesse; im Insolvenzverfahren zudem ausdrücklich aus der Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 1 InsO. Mit dieser Normierung ist jedoch nur klargestellt, dass ein Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Vergütung für seine Geschäftsführung und auf Erstattung angemessener Auslagen hat. Wie diese Vergütung zu bemessen ist, regelt die Insolvenzordnung selbst noch nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit des Art. 80 GG Gebrauch gemacht und in § 65 InsO das Bundesministerium der Justiz ermächtigt, die Vergütung und Erstattung der Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzverwalters sowie das hierfür maßgebliche Verfahren durch Rechtsverordnung zu regeln. Dem kam der Verordnungsgeber mit dem Erlass der InsVV vom 19. August 19981 nach. Mit der InsVV wurde jedoch keine Anspruchsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters geschaffen, sondern nur Regeln für die Berechnung dieser Vergütung und das Festsetzungsverfahren konkretisiert.
1. Basis jeder Insolvenzverwaltervergütung: Der Wert der Insolvenzmasse, § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO
Rdnr. 138 Die Basis der Vergütung eines Insolvenzverwalters ist durch § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO klar geregelt: Maßgeblich ist der Wert der Insolvenzmasse1 zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Und auch was unter dem Begriff Insolvenzmasse zu verstehen ist, wird durch die Insolvenzordnung selbst in §§ 35 bis 37, 47 InsO definiert. Diese Vorgabe der Definition einer Insolvenzmasse hat der Verordnungsgeber zu berücksichtigen, ohne dass er durch § 65 InsO berechtigt worden wäre, für die Vergütungsbemessung hiervon abzuweichen und eine eigene Definition der Insolvenzmasse im vergütungsrechtlichen Sinne an die Stelle der gesetzlichen Festlegung zu setzen.2 Da bereits gesetzlich geregelt ist, was als Insolvenzmasse in einem Insolvenzverfahren zu verstehen ist und § 65 InsO dem Verordnungsgeber keine Berechtigung gegeben hat, hiervon für die Bemessung der Vergütung des Insolvenzverwalters abzuweichen, besteht auch keine Berechtigung der InsVV bzw. des Verordnungsgebers, die Insolvenzmasse als Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung abweichend vom Gesetz zu bestimmen oder zu konkretisieren.3 Der Begriff der Insolvenzmasse wird einzig und allein vom Gesetz geregelt und unterliegt außerhalb der Anwendung der spezifischen Normen in §§ 35 bis 37, 47 InsO keiner Auslegung.4
2 Aus der Begründung zum Entwurf der Insolvenzordnung lässt sich nichts entnehmen, dass darauf hindeuten würde, dass der Gesetzgeber den Begriff "Insolvenzmasse" bei der Vergütung des Insolvenzverwalters anders verstanden wissen wollte, als nach den von ihm festgelegten Detailregelungen der Insolvenzordnung zur Frage, was zur Insolvenzmasse zu zählen ist.
3 Die von MünchKommInsO-Riedel, 4. Aufl. 2019, § 1 InsVV Rdnr. 4 bezeichnete "Konkretisierung" löst den Widerspruch zwischen den Regelungen der Verordnung und dem des Gesetzes nicht auf. Ohne eine entsprechende Verordnungsermächtigung zu einer Abweichung darf immer nur das Gesetz gelten. Der Gesetzgeber hat dem Verordnungsgeber keine Ermächtigung erteilt, die Basis der Vergütungsbemessung gem. § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO (Wert der Insolvenzmasse) zu "konkretisieren", den die Verordnungsermächtigung in § 65 InsO erlaubt nur eine Verordnung für die Vergütung, nicht jedoch einer Abweichung von der gesetzlichen Basis der Vergütung, dem Wert der Insolvenzmasse.
4 Auch das OLG München v. 15.02.2022 – 11 W 1320/21, NZI 2022, 664 übersieht, dass die Verordnungsermächtigung dem Verordnungsgeber nicht erlaubt, über die InsVV "den Begriff des Wertes der Insolvenzmasse konkretisierend auszugestalten". Diese zu § 58 GKG ergangene Rechtsprechung behandelt die Frage, ob die Begriffe der Insolvenzmasse nach der InsO und dem GKG gleichzusetzen sind oder nicht (dagegen OLG Hamm v. 18.01.2013 - 25 W 262/12, ZInsO 2013, 444.) Dies sagt jedoch nichts zur Beachtung der Verordnungsermächtigung des § 65 InsO durch die InsVV aus.
2. Die Umsetzung der vergütungsrechtlichen Vorgaben der Insolvenzordnung durch die InsVV
Rdnr. 139 Die gesetzliche Vorgabe der Maßgeblichkeit des Wertes der Insolvenzmasse entsprechend § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO wird durch die InsVV in § 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV übernommen. Dass § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO den „Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens“ vorgibt und § 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV die Vergütung „nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht“, stellt keinen Widerspruch dar.1 Da die Abrechnung eines Insolvenzverwalters zwingend immer eine erhebliche Zeit vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens gelegt werden muss und auch die Vergütungsfestsetzung des Insolvenzgerichts vor der Beendigung des Verfahrens zu erfolgen hat, ist es unbestritten, dass beide Formulierungen dasselbe meinen: Für die Vergütung eines Insolvenzverwalters soll der gesamt Wert einer Insolvenzmasse eines Verfahrens als Basis herangezogen werden.2 Die Schlussrechnung soll diesen Wert prognostizieren und sichere Massezuflüsse aus dem Zeitraum zwischen der Schlussrechnungslegung und dem zu erwartenden Zeitpunkt der Aufhebung des Verfahrens berücksichtigen3, anderenfalls eine ergänzende Festsetzung in Betracht kommt4. Ein Widerspruch zwischen der Formulierung des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO und der des § 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV liegt daher also tatsächlich nicht vor.
2 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82; BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118
3 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82; BGH v. 26.01.2006 - IX ZB 183/04, NZI 2006, 237 = ZInsO 2006, 203; BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
4 BGH v. 20.07.2017 - IX ZB 75/16, NZI 2017, 82; BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 3/16, NZI 2017, 507 = ZInsO 2017, 1118; BGH v. 26.01.2006 - IX ZB 183/04, NZI 2006, 237 = ZInsO 2006, 203; BGH v. 19.12.2013 - IX ZB 9/12, NZI 2014, 238 = ZInsO 2014, 305
3. Wird die Vergütung eines Insolvenzverwalters nach der InsVV auch tatsächlich nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet?
Rdnr. 140 Für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters bleibt es jedoch nicht bei der Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 InsO, welcher in Fortführung des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO den Wert der Insolvenzmasse als Ausgangspunkt der Vergütungsbemessung bestimmt. Vielmehr sieht § 1 Abs. 2 InsVV Regelungen vor, wonach es nicht allein der Wert der Insolvenzmasse sein soll, welcher der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters zu Grunde gelegt wird, sondern bestimmt eine Abweichung hiervon unter besonderen Voraussetzungen.
Rdnr. 141 Würde es sich bei den Einschränkungen durch § 1 Abs. 2 InsVV um eine Wiedergabe der Regelungen der Insolvenzordnung zur Bestimmung der Insolvenzmasse handeln, wäre der gesamte § 1 Abs. 2 InsVV unnötig. Der Regelungsgehalt von § 1 Abs. 2 InsVV beschränkt sich jedoch nicht auf eine Wiederholung bzw. Verdeutlichung der gesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung zur Bestimmung der Insolvenzmasse. Vielmehr ist es Ziel des § 1 Abs. 2 InsVV, für die Ermittlung des Berechnungswertes1 der Verwaltervergütung einzelne Bestandteile der Insolvenzmasse aus dieser Ermittlung herauszunehmen bzw. deren Wert durch den Betrag einzelner Masseverbindlichkeiten zu kürzen. So bestimmt § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV, dass bestimmte Teile der Insolvenzmasse, nämlich „Massegegenstände, die mit Absonderungsrechten belastet sind“ nicht oder nicht mit ihrem vollständigen Wert in der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung zu berücksichtigen sind, obwohl diese Gegenstände unstreitig Bestandteil der Insolvenzmasse sind. Das auf Ihnen lastende Absonderungsrecht ändert die Zuordnung dieser Gegenstände zu Insolvenzmasse ja nicht, sondern wirkt sich nur auf die Verteilung des durch die Verwertung dieser Gegenstände erzielten Erlöses aus.
Rdnr. 142 In Fällen einer Fortführung des schuldnerischen Unternehmens bestimmt § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. b) InsVV, dass nicht etwa der gesamte Wert der durch die Unternehmensfortführung erwirtschafteten Neumasse berücksichtigt werden soll, sondern nur der Betrag, der sich als Überschuss nach Berücksichtigung der Ausgaben der Unternehmensfortführung ergibt. In diesem Fall werden also sonstige Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO herangezogen, um den Wert der Massemehrung aus der Unternehmensfortführung auf den Betrag der wirtschaftlichen Verbesserung, also den wirtschaftlichen Fortführungsgewinn zu reduzieren.
Rdnr. 143 Auch wenn dies zwischenzeitlich in der Praxis nur selten der Fall ist, sieht auch § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. a) InsVV vor, dass die sonstigen Masseverbindlichkeiten, die dem Insolvenzverwalter selbst entsprechend § 5 InsVV zufließen, zu berücksichtigen sind und dementsprechend den Wert der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung nach § 1 InsVV hinter den Wert der Insolvenzmasse gemäß §§ 35 bis 37, 47 InsO zurückfallen lassen. Und auch § 1 Abs. 2 Nr. 3 InsVV belässt es bei der Bestimmung der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung nicht dabei, Forderungen des Schuldners, welche zweifelsohne ebenfalls Bestandteil der Insolvenzmasse sind, mit ihrem wirtschaftlichen Wert anzusetzen, sondern reduziert diesen Wert um Gegenforderungen, welche nicht einmal den Charakter einer sonstigen Masseverbindlichkeit haben.
Rdnr. 144 Die Regelungen des § 1 Abs. 2 InsVV sind, wirtschaftlich und verfahrenstechnisch betrachtet, sinnvoll. Ihnen kann nicht abgesprochen werden, dass sie unter richtiger Anwendung zu einem vernünftigen und angemessenen Vergütungsergebnis führen. Diese positive Bewertung ändert jedoch nichts daran, dass festzuhalten ist, dass § 1 Abs. 2 InsVV im Widerspruch zu § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO steht.
4. Auswirkungen des § 1 Abs. 2 InsVV am Beispiel eines Insolvenzverfahrens mit einer Unternehmensfortführung
Rdnr. 145 Die Auswirkungen des § 1 Abs. 2 InsVV sind insbesondere in Verfahren mit einer Unternehmensfortführung erheblich. Dies sei an den Zahlen eines großen Insolvenzverfahrens verdeutlicht:
- Der Insolvenzverwalter dieses Verfahren gab im Rahmen seines Vergütungsantrages u.A. folgende Zahlen an:
- Berechnungsgrundlage/Insolvenzmasse: 1.019.600.000 € (inkl. eines "aktiven Rechnungsabgrenzungspostens"1 von 37.900.000 €)
- Hierin nicht enthaltene Zahlungen an gepoolte Absonderungsberechtigte von 136.000.000 €
- Umsatz: 3.620.000.000 €
- Die Vergütungsberechnung erfolgte nach weiteren Erläuterungen tatsächlich auf der Basis einer Berechnungsgrundlage von 980.500.000 € und einer Regelvergütung von 5.430.250 €.
Rdnr. 146 Welche neue Masse durch die Unternehmensfortführung in diesem Verfahren generiert werden konnte, war dem Vergütungsantrag nicht zu entnehmen. Dies beruht wahrscheinlich darauf, dass das Ergebnis der Einnahmen-/Ausgabenrechnung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. b) InsVV zu einem negativen Ergebnis gekommen war. Es kann jedoch vermutet werden, dass es auch diesem Insolvenzverwalter gelungen ist, eingekaufte Ware zu einem höheren Preis als dem Einkaufspreis zu verkaufen. Wenn ein Insolvenzverwalter in einem solchen Fall Ware zum Preis von 100.000 € einkauft und anschließend für 250.000 € verkauft, liegt der Fall einer Massenmehrung, eines Neuerwerbs im Insolvenzverfahren vor. Dabei ist allerdings der Wert des Neuerwerbs nicht mit dem Verkaufserlös von 250.000 € gleichzusetzen.1 Durch die Umwandlung eines Kontoguthabens i.H.v. 100.000 € durch Zahlung an den Verkäufer und den Erhalt von Waren mit einem Wert von 100.000 € findet nur ein Aktivtausch jedoch keine Massemehrung statt. Nur der Betrag, der über diese 100.000 € durch einen Verkauf erzielt werden konnte, also in diesem Fall 150.000 €, ist als massemehrender Neuerwerb anzusehen. Daher kann der Betrag des erzielten Umsatzes nicht vollständig als Neuerwerb behandelt werden.
Rdnr. 147 Das Insolvenzgericht dieses Verfahrens hielt es nicht für notwendig, sich eine Einnahmen-und Ausgabenrechnung vorlegen zu lassen. Dem entsprechend enthält weder der Vergütungsantrag noch die gerichtliche Festsetzungsentscheidung Angaben darüber, wie erfolgreich die Unternehmensfortführung aus wirtschaftlicher Sicht war. Für die weitere Behandlung soll jedoch fiktiv davon ausgegangen werden, dass der Insolvenzverwalter einen Verkaufserlös i.H.v. 20 % des Umsatzes erzielen konnte. Bei einem Umsatz von 3.620.000.000 € wären dies 724.000.000 €.
Rdnr. 148 Ausgehend von der ursprünglich angegebenen Berechnungsgrundlage/ Insolvenzmasse von 1.019.600.000 € dürfte der nach §§ 35 bis 37, 47 InsO zu ermittelnde Wert der Insolvenzmasse einerseits um die Zahlungen an gepoolte Absonderungsberechtigte i.H.v 136.000.000 € und andererseits um den Neuerwerb i.H.v. 724.000.000 zu erhöhen sein. Die Zahlungen an die Absonderungsberechtigten sind aus der Insolvenzmasse zu erbringen, so dass deren Betrag bei der Ermittlung des Wertes der Insolvenzmasse nicht außer Betracht zu bleiben hat. Die Insolvenzmasse hätte somit am Ende des Verfahrens einen Wert von insgesamt 1.879.600.000 €. Dies sind 84 % mehr als ursprünglich angesetzt und führen zu einer Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1 InsVV in Höhe von 9.925.750 €. Übernimmt man diese Regelvergütung und belässt es bei den in diesem Verfahren dem Insolvenzverwalter gewährten Zuschlägen um 400 %, ergibt sich ein Unterschied in der Nettovergütung von 22.477.500 €. Die Frage, ob die Vergütung eines Insolvenzverwalters auf der Basis des vollen Wertes der Insolvenzmasse festzusetzen ist oder ob dieser Wert entsprechend § 1 Abs. 2 InsVV zu vermindern ist, ist damit wirtschaftlich betrachtet von großer Bedeutung.
5. Darf die InsVV einen anderen Wert als Basis der Insolvenzverwaltervergütung vorgeben, als den der Insolvenzmasse gem. § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO?
Rdnr. 149 Über das vorgenannte Beispiel aus der Praxis wird deutlich, dass eine Vergütungsbemessung anhand der Regelungen des § 1 Abs. 2 InsVV zu einem anderen, für einen Insolvenzverwalter erheblich schlechteren und gleichzeitig für die Insolvenzgläubiger besseren Ergebnis führt als eine Bemessung anhand des Wertes der Insolvenzmasse entsprechend § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. §§ 35-37, 47 InsO. Dies wirft die Frage auf, ob der Verordnungsgeber berechtigt war zu regeln, dass die Bemessung der Vergütung eines Insolvenzverwalters auf der Basis eines geringeren Wertes als den der Insolvenzmasse vorzunehmen ist.
Rdnr. 150 Sinn und Zweck einer Verordnungsermächtigung entsprechend Art. 80 GG ist einerseits die Entlastung des Gesetzgebers durch Übertragung der Erarbeitung von Detailregelungen auf einen Verordnungsgeber, der andererseits schneller und flexibler auf Änderungsnotwendigkeiten reagieren kann als der Gesetzgeber. Bei der Ausarbeitung der Detailregelungen steht dem Verordnungsgeber ein weiter Ermessensspielraum zu, der nur von den gesetzlichen Regelungen beschränkt wird. Bei der Ausübung seines Ermessensspielraums hat sich der Verordnungsgeber an die gesetzlichen Vorgaben zu halten und an den Zielen des Gesetzgebers zu orientieren. Er darf jedoch nicht das durch die Vorschrift vorgegebene System verlassen und völlig andere Bemessungskriterien bestimmen.1 Die gesetzlichen Vorgaben des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO sind dabei klar und überschaubar. Der Regelsatz einer Verwaltervergütung hat sich (gesetzlich zwingend) an dem Wert der Insolvenzmasse zu orientieren. Welchen Wert eine sog. Regelvergütung bei einem konkreten Wert eine Insolvenzmasse haben soll, hat der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber dagegen nicht vorgeschrieben. Insoweit oblag es dem Ermessen des Verordnungsgebers, die Regelsätze, welche nun in § 2 InsVV festgelegt worden sind, zu bestimmen. Angesichts der klaren Formulierung des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO hatte es der Gesetzgeber - zumindest nach der Formulierung des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO - nicht in das Ermessen des Verordnungsgebers gelegt, die Ausgangsbasis der Regelvergütung abweichend festzulegen.
Rdnr. 151 Die Regelungen in § 1 Abs. 2 InsVV, welche bei der Bemessung der Verwaltervergütung dazu führen, dass als Ausgangsbasis (Berechnungsgrundlage) unter bestimmten Voraussetzungen ein anderer Wert als der der Insolvenzmasse heranzuziehen ist, sind aufgrund des deutlichen Widerspruchs der gesetzlichen Bestimmung des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO, nicht mehr von dem dem Verordnungsgeber zustehenden Ermessen abgedeckt.1/2
2 Gegen eine Verfassungswidrigkeit LG Hamburg v.07.01.2019 - 326 T 118/16, ZInsO 2019, 637
Beispielsentscheidung
Die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV ist – jedenfalls derzeit – auch für "Normalverfahren" (noch) nicht verfassungswidrig.
Die Regelungen des § 1 Abs. 2 InsVV sind wirtschaftlich und verfahrenstechnisch betrachtet sinnvoll.1 Es handelt sich um eine zulässige Konkretisierung des Anspruchs des Insolvenzverwalters aus § 63 InsO.
LG Hamburg v. 07.01.2019 - 326 T 118/16, ZInsO 2019, 637
6. Übertragung der Rechtsprechung des BGH zu § 11 InsVV a.F. auf § 1 Abs. 2 InsVV
Rdnr. 152 Die Kritik an dem Umgang des Verordnungsgebers mit seinem Umsetzungsermessen bei der Vergütung des Insolvenzverwalters ist nicht neu. Bereits der BGH sah sich gezwungen, die frühere Regelung des § 11 Abs. 1 S.4 a.F., welche es erlaubte, unter bestimmten Voraussetzungen den Wert von Aussonderungsgegenständen in die Berechnungsgrundlage der Vergütung eines vorläufigen Insolvenzverwalters aufzunehmen, für nichtig zu erklären.1
Rdnr. 153 Zum Hintergrund: Aussonderungsgegenstände gehören nicht zum Vermögen des Insolvenzschuldners und sind daher nicht Bestandteil der Insolvenzmasse. Gleichwohl sah § 11 Abs. 1 S. 4 a.F.1 eine Berücksichtigung des Wertes von Aussonderungsgegenständen in der Berechnungsgrundlage vor, wenn sich der vorläufige Verwalter mit ihnen in einem erheblichen Maße befasst hatte.
Rdnr. 154 Der BGH hat in seiner Entscheidung unter anderem hervorgehoben, dass die gesetzgeberische Entscheidung, die Vergütung eines Insolvenzverwalters nach dem Wert der Insolvenzmasse zu bemessen, nicht durch die InsVV korrigiert werden kann.1 Zwar hat der Verordnungsgeber die Einzelheiten der Vergütungsbemessung den besonderen Gegebenheiten des Insolvenzverfahrens anzupassen, wobei ihm ein weiter Ermessensspielraum zukommt, doch kann er nicht das durch die InsO vorgegebene System verlassen und völlig andere Bemessungskriterien bestimmen.2 Die bisherige Regelung des § 11 Abs. 1 S.4 a.F. war daher in der Folge nichtig.3
2 BGH v. 15.11.2012 - IX ZB 88/09, Rdnr. 34, NZI 2013, 29 = ZInsO 2013, 44 mit Anm. Graeber
3 BGH v. 15.11.2012 - IX ZB 88/09, NZI 2013, 29 = ZInsO 2013, 44 mit Anm. Graeber, wiederholt in BGH v. 14.02.2013 - IX ZB 260/11, ZInsO 2013, 630. Nach Keller, NZI 2013, 240 ein „Großangriff“ des BGH auf § 11 Abs. 1 InsVV.
Rdnr. 155 Zusammengefasst stellte der BGH fest, dass der Verordnungsgeber der InsVV die Vorgabe der Maßgeblichkeit der Insolvenzmasse entsprechend § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO zwingend zu beachten hat und dementsprechend nicht berechtigt ist, die Vergütung eines Verwalters an einem anderen Wert als den der Insolvenzmasse zu orientieren. Diesen Grundsatz wendete der BGH jedoch bislang nicht in den Fällen an, in denen § 1 Abs. 2 InsVV eine Abweichung von der Vorgabe des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO zulasten eines Verwalters vorschreibt.1 Dabei ist die rechtliche Herleitung des zutreffenden Ergebnisses des BGH nicht davon abhängig, ob diese Abweichung eine Verbesserung oder eine Verschlechterung der Vergütung des Insolvenzverwalters bewirkt. Da dieser Grundsatz des BGH auch auf die Vergütung eines Insolvenzverwalters eines eröffneten Insolvenzverfahrens zu übertragen ist, müssen in Fortsetzung der Rechtsauffassung des BGH die Regelungsteile des § 1 Abs. 2 InsVV, welche vorsehen, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters nicht allein auf der Basis des Wertes der Insolvenzmasse zu bemessen ist, ebenfalls als nichtig angesehen werden.
7. Exkurs: Ursachen für den Verstoß des § 1 Abs. 2 InsVV gegen § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO
Rdnr. 156 Die Herleitung des Ergebnisses eines Verstoßes des § 1 Abs. 2 InsVV gegen § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO erscheint vielleicht bei jetziger Betrachtung einfach und offensichtlich zu sein. Dies wirft die Frage auf, warum diese Problematik nicht bereits früher erkannt und zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Behandlung gemacht worden ist. Soweit ersichtlich haben sich weder in Literatur noch Rechtsprechung bislang hiermit befasst. Dies mag daran liegen, dass die Regelungen des § 1 Abs. 2 InsVV berechtigterweise als sinnvoll und angemessen angesehen werden. Eine Orientierung der Verwaltervergütung allein an dem formalen Wert der Insolvenzmasse unter Außerachtlassung sämtlicher Kosten und Masseverbindlichkeiten wird in vielen Fällen dazu führen, dass allein durch die Bemessung der Regelvergütung ein Betrag vorgegeben wird, der nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben, Pflichten und Tätigkeiten des Insolvenzverwalters steht. Daher ist es nur sinnvoll, von der Vorgabe des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO in einzelnen Konstellationen abzuweichen und Aspekte der Wirtschaftlichkeit heranzuziehen, wie es § 1 Abs. 2 InsVV tut. Diese Sinnhaftigkeit ändert jedoch nichts an der Beurteilung der Frage, ob es zulässig ist, die wohl in ihrem Ergebnis nicht sinnvolle Vorgabe des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO zu ignorieren, um durch den Verordnungsgeber eine angemessene und sinnvolle Abweichung entsprechend § 1 Abs. 2 InsVV an die Stelle der gesetzlichen Regelung zu setzen. Dabei muss vermutet werden, dass es eine entsprechende bewusste Entscheidung des Verordnungsgebers hierzu nie gab. Hierzu sei erlaubt, den historischen Werdegang der Regelungen für die Vergütung von Verwaltern in Konkurs- und Insolvenzverfahren darzustellen.
Rdnr. 157 Als die Konkursordnung (KO) im Jahre 1877 in Kraft gesetzt wurde war zwar in § 85 KO klargestellt worden, dass ein Konkursverwalter einen Anspruch auf Vergütung und Ersatz seiner Auslagen hat; eine Vergütungsverordnung wie die heutige InsVV wurde dabei jedoch nicht mitgeliefert. Vielmehr erlaubte § 85 Abs. 2 KO den Justizverwaltungen der verschiedenen Länder des Deutschen Reichs eigene Anordnungen für die Vergütungen zu treffen. Da aber nur wenige Landesverwaltungen1 dieser Aufgabe nachgekommen sind, hatten einige Konkursgerichte – um diese Lücke zu schließen – selbst „Vergütungsrichtlinien“ aufgestellt.
Rdnr. 158 Hinsichtlich der Basis der Bemessung der Vergütung eines Konkursverwalters gab § 85 KO nicht vor, dass sich die Vergütung an den Wert der Konkursmasse zu orientieren hätte. Insoweit wäre auch eine andere Bemessungsgrundlage in Betracht gekommen. Gleichwohl wurde vernünftigerweise der Wert der Masse als Berechnungsgrundlage herangezogen. So heißt es in Grundsätzen über die Bemessung der Vergütung eines Konkursverwalters aus dem Jahre 19011:
§ 1. Die Vergütung des Konkursverwalters für seine Geschäftsführung bemisst sich nach der Höhe der Aktivmasse und dem Umfang der Tätigkeit des Verwalters.
Einschränkungen wurden hierbei nicht vorgenommen, da sicherlich zum damaligen Zeitpunkt die möglichen Masseverbindlichkeiten in der Praxis noch keine Rolle spielten.
Rdnr. 159 Erst 1936 (59 Jahre nach Einführung der KO!) wurde die Lücke durch die Richtlinien für die Vergütung des Konkurs- und des Vergleichsverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses und des Gläubigerbeirats1 geschlossen. Eine Begründung für die Regelungen dieser Richtlinie liegt nicht vor. Es kann vermutet werden, dass es sich bei dieser Richtlinie nicht um eine vollständige Neunormierung handelte, sondern dass die bisherigen Regelungen der Praxis übernommen worden waren.
Rdnr. 160 Dieser Richtlinie ging damals nicht etwa eine Ermittlung der konkursrechtlichen Praxis voraus. Es wurde weder analysiert, welche Aufgaben und Tätigkeiten ein Konkursverwalter üblicherweise zu bewältigen und auszuüben hat, noch welche Lasten und Kosten einem Konkursverwalter durch seine Amtsausübung entstehen. Es wurden einfach die von einzelnen Konkursrichtern zusammengestellten Regeln übernommen und in eine reichsweit wirkende Richtlinie umgesetzt. Bereits diese Richtlinie sah eine Regelung ähnlich dem heutigen § 1 Abs. 2 InsVV vor. Basis der Vergütung des Konkursverwalters war die sogenannte Teilungsmasse1, welche aus den Einnahmen des Verfahrens abzüglich genau bestimmter Ausgaben zu errechnen war.
Rdnr. 161 Die Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats1 vom 25.05.1960 hat die Regelungen der Richtlinien in § 2 VergVO übernommen und ergänzt. Sowohl die Regelungen der Richtlinien als auch die in der VergVO standen nicht im Widerspruch zu § 85 KO, da dieser nicht wie der jetzige § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO den Wert der Insolvenz- bzw. Konkursmasse als Maßstab für die Verwaltervergütung vorgab. Eine wesentliche Änderung erfolgte durch die VergVO nicht.
Rdnr. 162 Mit dem Wechsel von der Konkursordnung zur Insolvenzordnung war auch eine Neuregelung des Vergütungsrechts der Verwalter notwendig. Die ersten Vorarbeiten hierzu hatte die Kommission für Insolvenzrecht 1986 veröffentlicht. 1993 wurde zu den Problemen des Vergütungsrechts ein Gutachten des Rechtspflegers Professor Eickmann eingeholt. Ein erster Entwurf der neuen InsVV wurde 1994 veröffentlicht und letztlich eine überarbeitete Fassung 1998 beschlossen.
Rdnr. 163 Wirklich wesentliche Änderungen brachte die InsVV gegenüber der VergVO nicht mit sich, vergleicht man dies mit den Änderungen und Neuerungen der Insolvenzordnung gegenüber der Konkursordnung. Die Frage, welche Wertpositionen in die Berechnungsgrundlage der Vergütung aufgenommen werden, wurde nunmehr durch § 1 Abs. 2 InsVV geregelt. Diese hat die Regelungen des alten § 2 VergVO ohne nennenswerte Änderungen übernommen. Damit stellt die InsVV insoweit ebenfalls nur eine Fortschreibung der bereits lange vor 1936 bestehenden Grundsätze dar. Sie ist letztlich immer noch in Ihrem Grundgerüst die alte Vergütungsrichtlinie, welche durch einige Konkursrichter zusammengestellt worden war, da die damaligen Landesverwaltungen nicht bereit waren, ihre Aufgabe zur Normierung eines Vergütungsrechts nachzukommen.
Rdnr. 164 Der wesentliche Unterschied zwischen der Situation unter der VergVO und der jetzigen InsVV besteht darin, dass nunmehr § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO dem Verordnungsgeber erstmalig die Basis der Vergütungsbemessung vorgegeben hat, welche die VergVO mangels Normierung in § 85 KO nicht zu berücksichtigen hatte. Es kann vermutet werden, dass dieser Unterschied bei der Abfassung der InsVV weder durch Herrn Professor Eickmann noch durch das Justizministerium in Betracht gezogen worden ist. Vielmehr hat man sich darauf beschränkt, die bisherigen Regelungen, welche insbesondere bei einer wirtschaftlichen Betrachtung als angemessen und sinnvoll beurteilt worden waren, für das neue Verfahren nach der Insolvenzordnung umzuschreiben, ohne dass merkliche Änderungen notwendig gewesen wären. Den mit dem 1. Januar 1999 erstmalig aufgetretenen Widerspruch des § 1 Abs. 2 InsVV zu der neuen und maßgeblichen Regelung des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO hatte niemand bemerkt. Da bereits die Regelungen des § 2 VergVO sinnvoll waren und keinerlei Bestrebungen bestanden, an diesen etwas zu ändern, wurden diese einfach in § 1 Abs. 2 InsVV fortgeschrieben, ohne dass bedacht worden war, dass der neue § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO eine zu beachtende gesetzliche Vorgabe enthielt, welche zu Zeiten der Konkursordnung in § 85 KO noch nicht bestand. Soweit ersichtlich wurden auch seit 1999 keinerlei Überlegungen zu dieser Problematik angestellt. Daher wurde diese Problematik bislang durch niemanden erkannt und zur Sprache gebracht. Dies ist verständlich, ändert jedoch nichts daran, dass § 1 Abs. 2 InsVV gegen die zu beachtende gesetzliche Vorgabe des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO verstößt.
8. Folgerungen der Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 InsVV für die aktuelle Praxis bei Vergütungsanträgen und Vergütungsfestsetzungen
Rdnr. 165 Soweit § 1 Abs. 2 InsVV vorsieht, dass von dem Wert der Insolvenzmasse Abzüge vorzunehmen sind, ist dieser nichtig und darf daher nicht angewandt werden.1 Daher sind insbesondere folgende Regelungen aufgrund ihrer unzulässigen Abweichung von der Vorgabe des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO in sämtlichen anhängigen und bis zu einer Änderung des Vergütungsrechts anhängig werdenden Insolvenzverfahren unbeachtet zu lassen:
- • § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 InsVV: Gegenstände, die mit einem Absonderungsrecht belastet sind, sind aufgrund der Nichtigkeit dieser Regelung auch dann mit ihrem vollen Wert in die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung aufzunehmen, wenn sie nicht durch den Insolvenzverwalter verwertet wurden. § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO stellt nicht darauf ab, ob ein Gegenstand der Insolvenzmasse verwertet worden ist und wer diese Verwertung vorgenommen hat. Daher sind die Einschränkungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV nichtig und zu missachten.2
- • § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV: Dieser Teil der InsVV regelt nicht die Frage, was als Berechnungsgrundlage heranzuziehen ist, sondern nur die Frage, wie hoch die Vergütung bei einer Berücksichtigung zu bemessen ist. Systematisch gehört § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV nicht in den § 1 InsVV mit seiner Überschrift „Berechnungsgrundlage“, sondern sollte eine Detailregelung des § 2 InsVV darstellen. Einen Verstoß gegen § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO enthält § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV nicht.
- • § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 InsVV ist nichtig, da er eine Begrenzung auf einen Überschuss vorsieht, welcher gegen die Vorgabe des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO verstößt.2
- • § 1 Abs. 2 Nr. 2 InsVV ist nichtig, da er entgegen § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung um sonstige Masseverbindlichkeiten, „die aus der Masse hierfür gewährte Leistung“, reduziert.3
- • § 1 Abs. 2 Nr. 3 InsVV ist nichtig, soweit er Gegenforderungen zur Reduzierung des Wertes der Insolvenzmasse heranzieht. Insoweit damit nur klargestellt werden soll, dass eine Forderung der Insolvenzschuldnerin nur mit ihrem wirtschaftlichen Wert heranzuziehen ist, welcher durch eine bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Aufrechnungslage gegenüber dem Nominalwert reduziert ist, verstößt § 1 Abs. 2 Nr. 3 InsVV nicht gegen § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO.
- • § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a) InsVV sieht eine Reduzierung der Berechnungsgrundlage gegenüber dem Wert der Insolvenzmasse durch einen Abzug von besonderen Masseverbindlichkeiten vor, welche entsprechend § 5 InsVV direkt an den Insolvenzverwalter fließen und ist daher ebenfalls aufgrund des Verstoßes gegen § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO nichtig.
- • § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) InsVV reduziert den Wert der Berechnungsgrundlage um besondere Masseverbindlichkeiten aus der Fortführung des schuldnerischen Unternehmens und ist daher aufgrund des Verstoßes gegen § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO nichtig.3
- • § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV ist insoweit nichtig, als er Beträge, die zur Durchführung des Verfahrens und zur Erfüllung eines Insolvenzplans geleistet wurden, auch dann nicht in der Berechnungsgrundlage berücksichtigt, wenn diese in die Insolvenzmasse geflossen sind. Soweit ein Zufluss in die Insolvenzmasse jedoch nicht erfolgte, bestehen gegen die Wirksamkeit des § 1 Abs. 2 Nr. 5 InsVV keine Bedenken.
2 AG Potsdam v. 02.12.2019 - 35 IN 200/00, NZI 2020, 340 = ZInsO 2020, 208. Aus dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 166 InsO ergibt sich die Zuordnung auch des mit Absonderungsrechten belasteten Vermögens des Schuldners zur Insolvenzmasse. Allerdings sieht § 170 eine besondere Regelung der Zuordnung des Verwertungserlöses zwischen der Insolvenzmasse und dem Absonderungsberechtigten vor. Diese Regelung kann so verstanden werden, dass nur die Kostenbeiträge nach § 171 InsO sowie ein eventueller Übererlös der Insolvenzmasse zuzuordnen sind. Nur diese Beträge wären damit Insolvenzmasse im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO. Durch diese gesetzliche Regelung wäre jedoch § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV zumindest für die Bestimmung der Berechnungsgrundlage obsolet.
3 AG Potsdam v. 02.12.2019 - 35 IN 200/00, NZI 2020, 340 = ZInsO 2020, 208
Beispielsentscheidung
Die Regelungen des § 1 Abs. 2 InsVV sind wirtschaftlich und verfahrenstechnisch betrachtet sinnvoll. Es handelt sich um eine zulässige Konkretisierung des Anspruchs des Insolvenzverwalters aus § 63 InsO.
LG Hamburg v. 07.01.2019 - 326 T 118/16, ZInsO 2019, 6371
Rdnr. 166 Durch die Nichtanwendung des § 1 Abs. 2 InsVV wird die Bestimmung des Berechnungswertes der Verwaltervergütung erleichtert. Dies wird aber Folgen für die Bemessung der Zu- und Abschläge nach § 3 InsVV haben, da deren angemessene Festlegung u.a. auch den Wert der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen hat.1 Die bisherigen Erkenntnisse zur InsVV beruhen unisono auf der Anwendung u.a. des § 1 Abs. 2 InsVV. Die mit dessen Nichtigkeit verbundenen Auswirkungen auf die Höhe der Regelvergütung nach § 2 InsVV dürften erheblich sein. Um diese Änderungen angemessen zu würdigen, bedarf es u.a. einer grundlegenden Neubetrachtung des § 3 InsVV insbesondere zur Höhe der Zu- und Abschläge.
9. Zur Notwendigkeit einer Reformation des Vergütungsrechts
Rdnr. 167 Mit der Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 InsVV kippt das gesamte bisherige System der InsVV. Eine angemessene Vergütungsbeantragung und Vergütungsbemessung ist zwar auch ohne den § 1 Abs. 2 InsVV möglich, da insbesondere § 3 InsVV hierzu ausreichende Möglichkeiten bietet, doch fehlen selbstverständlich Erfahrungen, wie gesetzes- und verordnungskonforme Festsetzungen erreicht werden können, wenn hierzu Vorgaben und Erfahrungen fehlen.
Rdnr. 168 Die jetzige InsVV ist im Prinzip eine Fortschreibung der VergVO. Der Fehler in § 1 Abs. 2 InsVV sollte Anlass sein, das insolvenzrechtliche Vergütungsrecht neu zu durchdenken und die InsVV durch eine praktikable und zeitgemäße Neuregelung zu ersetzen, welche es den Rechtsanwendern erlaubt, Vergütungen eines Insolvenzverfahrens einerseits bereits zu Verfahrensbeginn ansatzweise zu prognostizieren und am Ende eines Verfahrens in einer angemessenen Zeit nachvollziehbar festzusetzen. Dies ist aktuell nicht möglich. Hierzu haben der VID1 und NIVD2 Vorschläge vorgelegt3, welche zwar verständlicherweise in einigen Punkten einer Detailkritik unterlagen, deren Grundwertung jedoch von keiner der verschiedenen Beteiligtengruppen in Frage gestellt worden waren. Es ist höchste Zeit, dass der Gesetzgeber bereits durch die Kommission für Insolvenzrecht 1986 geäußertes Vorhaben umsetzt und nach nunmehr bald 20 Jahren Praxis mit der Insolvenzordnung ein angemessenes, praktikables und nachvollziehbares Vergütungsrecht für die Abwicklung von Insolvenzverfahren schafft.
2 Diskussionsentwurf für ein Insolvenzrechtliches Vergütungsgesetz (InsVG) der Arbeitsgemeinschaft der NIVD – Neue Insolvenzverwaltervereinigung Deutschlands e.V.
3 Aktualisierter Diskussionsentwurf des Gläubigerforums zur Neuordnung des insolvenzrechtlichen Vergütungsrechts (ReformDiskE-InsO/InsVV)
IX. Einzelheiten zur Bestimmung der Berechnungsmasse, § 1 Abs. 2
Rdnr. 169 Wie unter VIII. Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2 ausgeführt, sind die Regelungen des § 1 Abs. 2 zum Großteil nichtig. In der nachfolgenden Kommentierung wird diese Rechtsansicht außer Acht gelassen, damit Rechtsanwender, welche die Regelungen des § 1 Abs. 2 gleichwohl anwenden wollen oder müssen, in sachgerechter Weise diese Normierungen umsetzen können.
1. Berücksichtigung von Absonderungsrechten, § 1 Abs. 2 Nr. 1
Rdnr. 170 Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 ist nichtig. Sie hierzu die Ausführungen zur Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2, oben Rdnr. 137 ff. bzw. den Beitrag zu Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 InsVV als PDF. In der nachfolgenden Kommentierung wird diese Rechtsansicht außer Acht gelassen, damit Rechtsanwender, welche die Regelungen des § 1 Abs. 2 gleichwohl anwenden wollen oder müssen, in sachgerechter Weise diese Normierungen umsetzen können.
a. Grundsatz
Rdnr. 171 Die mit Absonderungsrechten belasteten Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners werden bei der Berechnung der Verwaltervergütung insoweit berücksichtigt, als aus ihnen Beiträge in die Insolvenzmasse fließen. Die insoweit nach § 170, § 171 InsO bei einer Verwertung der belasteten Gegenstände durch den Insolvenzverwalter für die Masse zu entnehmenden Feststellungs- und Verwertungsbeiträge sowie ein Umsatzsteuerbetrag1 entsprechend § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO fließen direkt in die Insolvenzmasse und sind dort wie das sonstige freie Vermögen zu berücksichtigen.2 Eine besondere Behandlung dieser Beträge in der Berechnungsgrundlage erfolgt nicht, auch wenn sie nicht aus dem unbelasteten Vermögen des Insolvenzschuldners stammen, sondern aus abführbaren Teilen des Absonderungsvermögens. Zur Insolvenzmasse i.S.v. 63 Abs. 1 Satz 2 InsO gehören auch mit Absonderungsrechten belastete Immobilien.3 Voraussetzung für diese Mehrvergütung ist in jedem Fall, dass dem Insolvenzverwalter ein Verwertungsrecht gem. § 166 InsO zusteht4 sowie ein Tätigwerden des Insolvenzverwalters im Rahmen der Verwertung des Absonderungsgegenstandes.5 Dabei sind alle Formen der Verwertung geeignet, die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 entstehen zu lassen.6 Es ist nicht notwendig, dass der Insolvenzverwalter die Gegenstände persönlich oder durch seine eigenen Mitarbeiter verwerten lässt; ausreichend ist die Beauftragung eines Verwerters oder der Beitritt zu einem von einem Dritten betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahren.6 Der Umstand, dass der Insolvenzverwalter die ihn obliegende Verwertungsaufgabe auslagert, ist nicht im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1, sondern bei der Prüfung eines Abschlags nach § 3 Abs. 1 zu berücksichtigen.7 (Siehe hierzu auch § 3 - Verwertungsübertragung sowie § 4 - Verwertungskosten) Hat der Insolvenzverwalter den mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstand nicht verwertet, weil er z.B. dem insoweit Berechtigten die Verwertung überlassen hat, steht ihm eine Vergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und 3 nicht zu.8 Ein Einzug von Miet- und Pachtzinsen für einen absonderungsberechtigten Grundpfandgläubiger im Rahmen einer sog. kalten Zwangsverwaltung stellt keine Verwertung des massezugehörigen Grundstücks dar.9
2 BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046; Prasser/Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 4/15, § 1 InsVV Rdnr. 32; Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 23
3 BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046
4 BGH v. 14.11.2019 - IX ZR 50/17, NZI 2019, 2023 = ZInsO 2019, 2624: Ein Kostenbeitrag setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter eine Verwertung kraft seines Verwertungsrechts aus § 166 InsO vornimmt oder hätte vornehmen können.
5 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 58; Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 23; BK-InsO-Blersch, Stand Februar 2009, § 1 InsVV Rdnr. 10; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 55
6 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 58; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 55
7 BGH v. 11.10.2007 - IX ZB 234/06, NZI 2008, 38 = ZInsO 2007, 1268
8 MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 19. Anders BK-InsO-Blersch, Stand Februar 2009, § 1 InsVV Rdnr. 10
9 MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 19; Stephan/Riedel, InsVV, 2010, § 1 Rdnr. 25
Rdnr. 172 Der Massezufluss aus den Beträgen nach § 170, § 171 InsO bewirkt allein schon eine Erhöhung des Wertes der Insolvenzmasse, daraus folgend eine Erhöhung der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung und entsprechend den Sätzen des § 2 Abs. 1 eine Erhöhung der Regelvergütung des Insolvenzverwalters. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 soll es in den Fällen, in denen diese Beträge aus dem Absonderungsvermögen des Insolvenzschuldners stammt und der Insolvenzverwalter die Verwertung dieser Gegenstände tatsächlich übernommen hat, die Vergütung des Insolvenzverwalters zusätzlich erhöht werden. Neben der Vergütungserhöhung durch die Erhöhung der Berechnungsgrundlage soll der Insolvenzverwalter für die Verwertung eine höhere Vergütung erhalten, welche jedoch auf die Hälfte der in die Masse tatsächlich geflossenen Feststellungsbeiträge gem. § 171 Abs. 1 InsO begrenzt ist. Dies gilt auch für die Verwertung belasteter Immobilien.1 Die zwischen dem Insolvenzverwalter und einem Grundpfandgläubiger vereinbarten Kostenbeiträge im Zusammenhang mit der freihändigen Verwertung von Immobilien kommen nicht nur nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 der Masse zugute und erhöhen durch den Überschuss der Grundstücksverwertung die Berechnungsgrundlage, sondern sind auch Anknüpfungspunkt einer Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2.1
Die Verwertung von Absonderungsgut wirkt sich daher regelmäßig in mehrfacher Weise auf die Vergütung des Insolvenzverwalters aus:
- 1. Durch eine Erhöhung des Wertes der Insolvenzmasse, da die Beiträge nach § 170, § 171 InsO wie unbelastetes Vermögen zu behandeln sind. Ein Überschuss aus der Verwertung, d.h. ein Erlös, der höher ist als der Wert des Absonderungsrechts und welcher auch nach Abzug der Beiträge in der Masse verbleibt, ist ebenfalls wie freies Vermögen zu behandeln. Dies erhöht die Regelvergütung nach § 2.
- 2. Aus dem (maximal) hälftigen Feststellungskostenbeitrag erhält der Verwalter eine Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1, welche der Regelvergütung nach § 2 hinzuzurechnen ist.
- 3. Mit der Erhöhung der Regelvergütung um die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 erhöht sich auch die Auslagenpauschale gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 und die Höhe der dreißigprozentigen Pauschsatzgrenze gem. § 8 Abs. 3 Satz 2.
- 4. Hinzukommen kann darüber hinaus auch ein Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Buchst. a), welcher jedoch die Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1, nicht jedoch die Auswirkungen auf die Regelvergütung nach Punkt 1 zu berücksichtigen hat. Zu beachten ist jedoch, dass auch aus einem Zuschlag die absolute Grenze der Mehrvergütung aus § 1 Abs. 2 Nr. 1 von 2 % des Verwertungserlöses bzw. 50 % des Feststellungsbeitrags nicht überschritten werden darf.
Rdnr. 173 Die Berechnung der besonderen Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 erfolgt dabei durch eine Vergleichsrechnung zwischen den Werten der normalen Insolvenzmasse und den Werten dieser Insolvenzmasse zuzüglich der an die Absonderungsberechtigten aus der Verwertung geflossenen Beträge unter Begrenzung auf 50 % der in die Masse geflossenen Feststellungsbeträge nach § 171 Abs. 1 InsO. Abzustellen ist dabei auf den Brutto-Erlös inkl. Umsatzsteuer.1
Rdnr. 174 Diese besondere, allein nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 zu berechnende Vergütung erhöht nicht die Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalters, was jedoch nach der Stellung dieser Regelung in § 1 zu erwarten wäre. Vielmehr ist der sich aus § 1 Abs. 2 Nr. 1 ergebenden Betrag für die weitere Vergütungsberechnung der Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 hinzuzurechnen. In den Insolvenzverfahren, in denen dem Insolvenzverwalter eine besondere Vergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 zuzusprechen ist, ist die für evtl. Zu- und Abschläge nach § 3 und eine Auslagenpauschale nach § 8 Abs. 3 maßgebliche Regelvergütung aus der nach § 1 ergebenden Berechnungsgrundlage und den nach § 2 Abs. 1 zu errechnenden Regelsatz zuzüglich der besonderen Vergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 zu berechnen.1 Jedoch darf der Teil der Regelvergütung, der sich aus der Mehrvergütung ergibt, durch Zuschläge nicht über 50 % der Feststellungskosten hinaus erhöht werden.2 Daher wirkt sich die besondere Vergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 ebenso auf die Höhe von Zu- und Abschlägen nach § 3 aus als auch auf die Höhe der Auslagenpauschale nach § 8 Abs. 3. Auch bei einer Vergütungsberechnung auf der Basis einer (erhöhten) Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 ist eine eventuelle Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 zu berücksichtigen. Auch in Verfahren mit nicht unerheblichen Massen kann eine besonders hohe Gläubigerzahl dazu führen, dass anstelle der Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 die erhöhte Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 S. 2 und 3 tritt. Dies führt nicht dazu, dass der Insolvenzverwalter seinen Anspruch auf die besondere Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 verlieren würde.
2 BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, Rdnr. 23, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046
Kernentscheidungen
Der Betrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV ist Bestandteil der Berechnungsgrundlage und damit der Regelvergütung, auf die sich Zu- und Abschläge gemäß § 3 InsVV beziehen. Ein möglicher Zu- oder Abschlag ist deshalb auch aus diesem Betrag zu berechnen.
BGH v. 17.04.2013 - IX ZB 141/11, ZInsO 2013, 1104
BGH v. 11.05.2006 - IX ZB 249/04, NZI 2006, 464 = ZInsO 2006, 642
___________________________________________________Bei der zur Ermittlung der Höhe der Mehrvergütung gebotenen Vergleichsberechnung ist jeweils darauf abzustellen, wie hoch die Vergütung unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen konkret wäre. Der auf höchstens 50 % der Feststellungskosten begrenzte Differenzbetrag bildet abschließend die dem Insolvenzverwalter zu gewährende Mehrvergütung.
BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046
Rdnr. 175 Ergibt sich bei der Verwertung des mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstands ein Wert, welcher das Absonderungsrecht des Gläubigers übersteigt, ist dieser übersteigende Betrag, der der Insolvenzmasse wie die Erlöse aus dem unbelasteten Vermögen zufließen, in vollem Umfang der Masse zuzurechnen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3).1
b. Einzelheiten zu besonderen Vermögenspositionen im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1
aa. Vermieterpfandrechte
Rdnr. 176 Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 gilt für alle Absonderungsrechte im Sinne der § 170, § 171 InsO. Dementsprechend sind auch die einem Vermieterpfandrecht unterliegende Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 zu behandeln.1 Voraussetzung für eine Berücksichtigung entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 1 ist auch in diesem Fall, dass der Insolvenzverwalter die dem Vermieterpfandrecht unterliegenden Gegenstände selbst verwertet hat.2
2 Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 38
bb. freiwillige Beiträge bei der Verwertung belasteter Immobilien
Rdnr. 177 Da die Regelungen für Kostenbeiträge in § 170, § 171 InsO nur die Fälle der Verwertung beweglicher Sachen bzw. von Forderungen betreffen, besitzt die Insolvenzmasse keinen gesetzlichen Anspruch auf einen Feststellungskostenbeitrag bei einer Veräußerung eines Grundstücks durch den Insolvenzverwalter.1
Rdnr. 178 In der Praxis sind die Immobilien des Insolvenzschuldners oft über deren Wert hinaus mit Absonderungsrechten belastet. Eine aufwendige Verwertung dieser Immobilien durch den Insolvenzverwalter würde zumeist keinen Massezufluss bedeuten. Daher besteht für den Insolvenzverwalter kein großes Interesse, solche Immobilien in einer aufwendigen Weise zu verwerten, da hierdurch nur die Befriedigungsquote der entsprechenden Absonderungsberechtigten, nicht jedoch der Wert des für eine Verteilung zur Verfügung stehenden Betrags erhöht wird. Die ungesicherten Insolvenzgläubiger profitieren von einer verbesserten Befriedigung der absonderungsberechtigen Gläubiger jedoch dadurch, dass sich die Beträge der von den absonderungsberechtigen Gläubigern zur Tabelle angemeldeten Ausfallforderungen verringern und sich in entsprechender Weise der Quotenanteil der ungesicherten Insolvenzgläubiger erhöht.1
Rdnr. 179 Dies zu bewirken gehört allgemein zu den Aufgaben eines Insolvenzverwalters.1 Unterlässt ein Insolvenzverwalter es, durch eine Verwertung belasteter Immobilien die Befriedigung der ungesicherten Insolvenzgläubiger zu verbessern, könnte dies einen Haftungsanspruch nach § 60 InsO rechtfertigen.
Rdnr. 180 Da allgemein die Ergebnisse einer Zwangsversteigerung nach dem ZVG hinter denen einer freihändigen Verwertung durch den Insolvenzverwalter erheblich zurückbleiben, haben insbesondere die absonderungsberechtigten Gläubiger ein großes, eigenes Interesse daran, dass sich der Insolvenzverwalter bereit erklärt, sich um eine bestmögliche Verwertung zu bemühen. Die Aufgabe der Verwertung von Immobilien gehört gem. § 165 InsO auch zu den Grundaufgaben des Insolvenzverwalters, welche er auch nicht an einen Grundpfandgläubiger abtreten kann. Dieser hat allein das Recht, aus seinem Absonderungsrecht heraus eine Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung nach dem ZVG zu betreiben. Ein freihändiger Verkauf einer belasteten Immobilie ist einem absonderungsberechtigten Gläubiger auch dann nicht möglich, wenn die Belastungen den Wert der Immobilie vollständig übersteigen.1 Eigentümer der Immobilie bleibt auch im Insolvenzverfahren allein der Insolvenzschuldner. Dessen Recht zur Veräußerung einer Immobilie geht gem. § 80 Abs. 1 InsO einzig und allein auf den Insolvenzverwalter über.
Rdnr. 181 Evtl. in Verkennung der Rechtslage, dass der Insolvenzverwalter bereits aus § 165 InsO und seinen Amtspflichten heraus zu einer bestmöglichen Verwertung der Immobilie verpflichtet ist, erklären sich insbesondere absonderungsberechtigte Banken bereit, von dem ihnen zustehenden Verwertungserlös Teile in die Insolvenzmasse zu leisten. Ein gesetzlicher Anspruch der Insolvenzmasse auf einen solchen Feststellungs- oder Verwertungskostenbeitrag besteht bei einer Veräußerung eines Grundstücks durch den Insolvenzverwalter nicht.1 Gelangen Beträge aus einer Verwertungsvereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und einem absonderungsberechtigen Gläubiger in die Insolvenzmasse, sind diese wie sonstiges, unbelastetes Vermögen des Insolvenzschuldners zu behandeln und normal in die Berechnungsgrundlage aufzunehmen.2 Dies gilt auch für den mit der Veräußerung verbundenen Umsatzsteuerbetrag3, der als Massezufluss zu behandeln ist.
2 LG Heilbronn v. 04.04.2012 - 1 T 89/12
3 BFH v. 28.09.2011 - V R 28/09, ZInsO 2011, 1904
Kernentscheidungen
a) Im Fall der freihändigen Veräußerung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Grundstücks durch den Insolvenzverwalter kann dieser Anspruch auf eine Mehrvergütung haben, die sich auf höchstens 2 % des Verwertungserlöses beläuft.
b) Ist zwischen Verwalter und Absonderungsberechtigten allgemein ein Kostenbeitrag für die Verwertung einer Immobilie zu Gunsten der Masse vereinbart worden, beträgt der für die Vergütung maßgebliche Anteil der Feststellungskosten 4/9 dieses Beitrags.
c) Bei der zur Ermittlung der Höhe der Mehrvergütung gebotenen Vergleichsberechnung ist jeweils darauf abzustellen, wie hoch die Vergütung unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen konkret wäre. Der auf höchstens 50 % der Feststellungskosten begrenzte Differenzbetrag bildet abschließend die dem Insolvenzverwalter zu gewährende Mehrvergütung.BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046
___________________________________________________Der Anspruch auf eine Vergütung unter Berücksichtigung des vollen Werts eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Grundstücks setzt voraus, dass die Verwertung durch den Insolvenzverwalter zu einem dem Feststellungsbeitrag vergleichbaren Massezufluss geführt hat.
BGH v. 09.06.2016 - IX ZB 17/15, Rdnr. 12, ZInsO 2016, 1443
___________________________________________________1. Veräußert ein Insolvenzverwalter ein mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück freihändig aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung, liegt neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber auch eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Verwertungserlös einen „Massekostenbeitrag" zu Gunsten der Masse einbehalten darf. Vergleichbares gilt für die freihändige Verwaltung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke durch den Insolvenzverwalter.
2. Eine steuerbare Leistung liegt auch bei der freihändigen Verwertung von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter vor (Änderung der Rechtsprechung).
BFH v. 28.09.2011 - V R 28/09, ZInsO 2011, 1904
Rdnr. 182 Die hierdurch bewirkte Mehrung der Insolvenzmasse und die in Folge eintretende Erhöhung von Berechnungsgrundlage und Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 bedeutet bereits eine Verbesserung der Verwaltervergütung. Für diesen wäre jedoch eine höhere Vergütung erzielbar, wenn die Beträge aus einem vereinbarten freiwilligen Kostenbeitrag des absonderungsberechtigten Gläubigers zu einer Erhöhung entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 1 führen würden. Gegen eine Behandlung der freiwilligen Beiträge aus den Händen der gesicherten Gläubiger als Beiträge im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 spricht, dass der Verordnungsgeber nur für die Pflichtbeiträge nach § 170, § 171 InsO eine besondere Auswirkung auf die Höhe der Verwaltervergütung vorgesehen hat. Gleichwohl steht nach der Rechtsprechung des BGH einem Insolvenzverwalter auch bei einer Verwertung eines mit Absonderungsrechten belasteten Grundstücks eine Mehrvergütung entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2 zu1, da der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2 nicht auf die Fälle verengt werden darf, in denen gesetzlich geregelte Feststellungskosten anfallen. Diese Wertung stimmt nach BGH auch mit der grundlegenden Vergütungsregelung in § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO überein, wonach sich die Verwaltervergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse inklusive der mit Absonderungsrechten belasteten Immobilien berechnet.2 Evtl. hat der Verordnungsgeber ursprünglich nicht erkannt, dass es in den Insolvenzverfahren zu solchen freiwilligen Zahlungen kommen kann.3 Evtl. besondere Belastungen dadurch, dass der Insolvenzverwalter seiner Grundaufgabe der Verwertung der Immobilien des Insolvenzschuldners - sei es im Wege einer freihändigen Verwertung oder über eine Zwangsversteigerung - nachkommt, können durch einen angemessenen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 berücksichtigt werden.4 Es ist irreführend und falsch, anzunehmen, der Verwalter könne sich mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger darauf verständigen, dass er, der Verwalter, die freihändige Verwertung gegen Zahlung eines vereinbarten Kostenbeitrags zugunsten der Masse betreibt5, da der Verwalter mit dem Verkauf des Eigentums an der Immobilie ausschließlich ein Verwertungsgeschäft der Insolvenzmasse ausführt, § 80 InsO, § 159 ff. InsO.6 Ist ein Grundpfandgläubiger ist nicht berechtigt, über das Eigentum eines Insolvenzschuldners durch Rechtsgeschäft zu verfügen, kann er den Insolvenzverwalter auch nicht mit der entsprechenden Verwertung beauftragen, und der Verwalter kann mit der Verwertung auch kein Geschäft des Gläubigers betreiben.6 Ein Insolvenzverwalter handelt daher auch grob pflichtwidrig im Sinne des § 60 InsO, wenn er sich von dem Grundpfandgläubiger persönlich eine Vergütung für die Immobiliarverwertung, die Teil der Masseverwertung ist, versprechen und gewähren ließe.6
2 BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046. Bereits in diesem Sinne LG Heilbronn v. 09.05.2011 - 1 T 418/10, ZInsO 2011, 1958, 1959; Prasser/Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2015, § 1 InsVV Rn. 43; MünchKomm-InsO/Riedel, 4. Aufl. 2019, § 1 InsVV Rn. 19; HmbKomm-InsO/ Büttner, 8. Aufl. 2020, § 1 InsVV Rn. 34; HK-InsO/Keller, 10. Aufl. 2020, § 1 InsVV Rn. 23; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rn. 62; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 5. Aufl. 2021, § 3 Rn. 83
3 So zustimmend BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046
4 BGH v. 09.06.2016 - IX ZB 17/15, ZInsO 2016, 1443
5 Formulierung des BGH v. 13.01.2011 - IX ZR 53/09, NZI 2011, 138 = ZInsO 2011, 389
6 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 62; Mitlehner, ZIP 2012, 649
Rdnr. 183 Gleichwohl werden zu Gunsten der Insolvenzverwalter die freiwilligen Kostenbeiträge der absonderungsberechtigen Gläubiger im Rahmen einer Immobilienverwertung analog § 1 Abs. 2 Nr. 1 behandelt.1 Einem Insolvenzverwalter steht auch bei einer Verwertung eines mit Absonderungsrechten belasteten Grundstücks eine Mehrvergütung entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2 zu.2 Diese Mehrvergütung ist allerdings in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV auf die Hälfte des für die Feststellung in die Masse geflossenen Betrags bzw. auf höchstens 2 % des für den Absonderungsgegenstand erzielten Verwertungserlöses begrenzt.2 Die Intention des Verordnungsgebers, die sich aufgrund einer Vergleichsberechnung ergebende Mehrvergütung im Interesse der Masse nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 zu begrenzen, gilt für die freihändige Verwertung von Immobilien nicht anders als bei der Verwertung von beweglichen Gegenständen durch den Insolvenzverwalter. Auch im erstgenannten Fall muss sichergestellt sein, dass die Masse infolge der Einbeziehung von solchen Vermögensgegenständen in die Berechnungsgrundlage, die aufgrund ihrer Belastung mit Absonderungsrechten für die Zahlung der Vergütung tatsächlich nicht zur Verfügung stehen, nicht von der Verwaltervergütung aufgezehrt wird.3 Übernehmen Insolvenzverwalter eine Verwertung eines belasteten Grundstücks und fließt hierfür tatsächlich ein als solcher vereinbarter Feststellungskostenbeitrag im Sinne des § 171 Abs. 1 InsO zur Insolvenzmasse, ist dieser Beitrag und die Verwertungstätigkeit des Insolvenzverwalters entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 1 zu behandeln.4
2 BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046. So bereits Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rn. 62; MünchKomm-InsO/Riedel, 4. Aufl. 2019, § 1 InsVV Rn. 20; HK-InsO/Keller, 10. Aufl. 2020, § 1 InsVV Rn. 26; HmbKomm-InsO/Büttner, 8. Aufl. 2020, § 1 InsVV Rn. 34; BeckOK-InsO/Budnik, 2021, § 1 InsVV Rn. 19; Nerlich/Römermann/Stephan, InsO, 2017, § 1 InsVV Rn. 16; Förster, ZInsO 2002, 575.
3 BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046
4 BGH v. 23.10.2008 - IX ZB 157/05; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 62; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl. 2010, Rdnr. 192; Bücheler, ZInsO 2011, 718, 721; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 59
Rdnr. 184 In der Praxis mangelt es bei sog. Verwertungsvereinbarungen zwischen dem Insolvenzverwalter und insbesondere absonderungsberechtigten Banken oft an einer Klarstellung, wie der Kostenbeitrag der Bank an die Insolvenzmasse auf den Feststellungs- und den Verwertungsaufwand aufzuteilen ist. Ist nur allgemein eine Massebeteiligung vereinbart worden, muss angenommen werden, dass diese sowohl einen Beitrag für Feststellungs- als auch für Verwertungskosten enthält.1 Es dürfte in solchen Fällen sachgerecht sein, den an die Masse fließenden Beitrag hinsichtlich einer entsprechenden Berücksichtigung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 nach den Maßstäben des § 171 InsO aufzuteilen. Nach Abzug eines Umsatzsteuerbetrags entsprechend § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO ist für die Berechnung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 ein Anteil von 4/9 des in die Masse fließenden Betrags anzusetzen.2 Vereinbarungen, welche formal den freiwilligen Kostenbeitrag des Gläubigers anders als wie in § 171 InsO vorgesehen im Verhältnis 4 zu 5 auf den Feststellungs- und den Verwertungskostenbeitrag aufteilen und dadurch zu einem höheren Feststellungskostenbeitrag und in der Folge zu einer höheren Mehrvergütung analog § 1 Abs. 2 Nr. 1 führen sollen, sind hinsichtlich der Verwaltervergütung als wirkungslos anzusehen.3 Weder die absonderungsberechtigen Gläubiger noch der Insolvenzverwalter haben es in der Hand, über die Höhe der dem Insolvenzverwalter zustehenden (Sonder-)Vergütung zu entscheiden. Zwar wird die Vergütung durch die Höhe der freiwilligen Beträge beeinflusst, doch fehlt es an einer Berechtigung, die Berechnungsregeln bzw. die Wertungen der InsO und der InsVV abzuändern.4 Daher sind die freiwilligen Beiträge der absonderungsberechtigten Gläubiger im Rahmen einer Immobilienverwertung über eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 in der Berechnung nur mit 4/9 zu berücksichtigen5; die verbleibenden 5/9 erhöhen den Berechnungswert des § 1 ohne dass dies mit einer Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 verbunden wäre. Dies schließt evtl. Zuschläge nach § 3 Abs. 1 für besondere Belastungen nicht aus.
2 Prasser/Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 4/15, § 1 InsVV Rdnr. 40
3 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 62. Anders Prasser/Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 4/15, § 1 InsVV Rdnr. 40; Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 24
4 Mitlehner, ZIP 2012, 649. Anders Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 24, welche die Aufteilung des freiwilligen Betrags des Grundpfandgläubigers in das Belieben der Beteiligten stellen und den Insolvenzverwalter hierfür "belohnen" wollen, indem sie diesem 50% des vereinbarten Feststellungskostenbeitrags zuerkennen.
5 BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046
Rdnr. 185 Die nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV dem Insolvenzverwalter zustehende Mehrvergütung ist jedoch auch unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen auf 50 % des Betrags begrenzt, der für die Kosten der Feststellung in die Masse geflossen ist.1 Dies gilt auch für die Mehrvergütung, die sich aus der Veräußerung von mit Absonderungsrechten belasteten Grundstücken ergibt. Die Kappungsgrenze in Höhe von 50 % der Feststellungskosten stellt nach BGH eine absolute Grenze dar.1 Die Mehrvergütung kann nicht über diese Grenze hinaus erhöht werden. Sie ist auch nach der Rechtsprechung des BGH Bestandteil der Regelvergütung, auf die sich Zu- und Abschläge gemäß § 3 beziehen.2 Auch im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 erforderlichen Vergleichsberechnung sind die Zu- und Abschläge auf die Regelvergütung zu erstrecken. Jedoch darf der Teil der Regelvergütung, der sich aus der Mehrvergütung ergibt, durch Zuschläge nicht über 50 % der Feststellungskosten hinaus erhöht werden. Daher ist die Mehrvergütung in einem letzten Rechenschritt gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV stets auf höchstens 50 % der Feststellungskosten zu begrenzen.3
Beispielsfall des BGH:
- Erzielter Erlös aus der Verwertung einer belasteten Betriebsimmobilie: 5.700.000 €
„Kostenbeitrag des Absonderungsgläubigers“: 203.490 € (= 3,57 %)
berücksichtigungsfähiger Feststellungskostenanteil (4/9) dieser Zahlung in die Masse: 90.440 € (A)
gesetzliche Feststellungskosten für die Verwertung von beweglichen Gegenständen: 120.218,91 € (B)
Summe aller Feststellungskosten von 210.658,91 € (C) = [(A) 90.440 € + (B) 120.218,91 €] - Die Mehrvergütung ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 auf die Hälfte dieses Betrages (C), mithin auf 105.329,46 €, begrenzt.
- Insolvenzmasse: 4.377.506,42 €
Regelvergütung, § 2 Abs. 1: 115.300,13 €
+ Zuschlag 110 %: 126.830,14 € - Nettovergütung:
Regelvergütung, § 2 Abs. 1: 115.300,13 €
+ Mehrvergütung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2: (C) 105.329,46 €
+ Zuschlag 110 %: 126.830,14 € - insgesamt: 347.459,73 €
In der Praxis bedeutet dies eine Abkehr von dem Grundsatz des BGH4, wonach die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 als Bestandteil der Regelvergütung wie diese durch Zu- und Abschläge verändert wird. Die Mehrvergütung ist daher faktisch nach BGH unverändert der Regelvergütung, diese evtl. verändert durch Zu- und Abschläge, hinzuzusetzen. Durch die Festlegung absoluter Obergrenzen durch den BGH ist eine Erhöhung der Vergütung über eine Erhöhung der Mehrvergütung durch einen Zuschlagstatbestand nicht mehr möglich. Eine Reduzierung durch einen Abschlag ist jedoch auch nach BGH möglich, da absolute Untergrenzen einer Mehrvergütung weder durch die InsVV noch durch den BGH festgelegt wurden.
Dementsprechend kann das Rechenschema für eine Vergütung inkl. Mehrvergütung und Zu- und Abschlägen wie folgt aussehen:
- Betrag der Regelvergütung auf der Basis der Berechnungsmasse
- + Erhöhung durch Zuschläge gem. § 3 Abs. 1
- Herabsetzung durch Abschläge gem. § 3 Abs. 2
- weitere Reduzierung durch die vorzunehmende Gesamtschau
- (limitiert auf 50 % des Feststellungsbeitrags)
(limitiert auf 2% des Verwertungserlöses)
diese limitiert entsprechend der Vergleichsrechnung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2
2 BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046; BGH v. 11.05.2006 - IX ZB 249/04, Rdnr. 48, NZI 2006, 464 = ZInsO 2006, 642; BGH v. 17.04.2013 - IX ZB 141/11, Rdnr. 6, ZInsO 2013, 1104. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, Rdnr. 20, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046: "Soweit aus diesen Entscheidungen im Schrifttum geschlossen worden ist, die errechnete Mehrvergütung könne noch (beliebig) um Zuschläge genauso wie die Regelvergütung im Übrigen erhöht werden (…), beruht das aber auf einem unzutreffenden Verständnis dieser Rechtsprechung."
3 Wie dies in einem Zusammenspiel zwischen Regelvergütung, Mehrvergütung und mehreren Zuschlägen rechnerisch erfasst werden kann, ist auch der Entscheidung des BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046, nicht zu entnehmen.
4 BGH v. 17.04.2013 - IX ZB 141/11, ZInsO 2013, 1104; BGH v. 11.05.2006 - IX ZB 249/04, NZI 2006, 464 = ZInsO 2006, 642
cc. freiwillige Beiträge bei der Verwertung von Forderungen
Rdnr. 186 Leisten Aus- oder Absonderungsberechtigte freiwillig Beträge, die über die gesetzlichen Beiträge gem. § 170, § 171 InsO hinausgehen, sind diese Beträge ungekürzt in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen.
Kernentscheidung
Es ist grds. zulässig, dass Gläubiger und Insolvenzverwalter hinsichtlich der Verwertung von zur Sicherung abgetretener Forderungen betreffend der an die Masse abzuführenden Feststellungs- und Verwertungskosten über die gesetzliche Regelung in den § 170, § 171 InsO hinausgehende, die Masse besserstellende Vereinbarungen treffen können. Für das Bestehen einer solchen abweichenden Regelung ist aber der Insolvenzverwalter darlegungs- und beweisbelastet.
AG Köln v. 27.12.2010 - 142 C 338/10, ZInsO 2011, 1260
dd. Anfechtbarkeit von Absonderungsrechten
Rdnr. 187 Gegenstände mit Absonderungsrechten sind nur dann entsprechend § 1 Abs. 2 zu behandeln, wenn das Absonderungsrecht tatsächlich besteht und auch nicht durch eine Insolvenzanfechtung gem. § 143 InsO zunichte gemacht wurde. Im Falle der Schätzung der Insolvenzmasse gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 ist das voraussichtliche Ergebnis der Insolvenzanfechtung zugrunde zu legen.
Kernentscheidungen
Verwertet der Insolvenzverwalter ein unbelastetes Grundstück, ist der Erlös Teil der Berechnungsgrundlage. Entsprechendes gilt, wenn die vorhandenen Grundpfandrechte nicht mehr valutieren und zugunsten der Masse gelöscht werden.
BGH v. 21.09.2017 - IX ZB 84/16, DZWIR 2018, 135 = ZInsO 2017, 2286
___________________________________________________Ein zur Sicherheit übereigneter Gegenstand aus dem Vermögen der Schuldnerin führt dann nicht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsO zu Abzügen bei der Vergütung, wenn die Sicherungsübereignung wirksam angefochten ist.
BGH v. 02.02.2006 - IX ZB 167/04, NZI 2006, 232 = ZInsO 2006, 254
c. Berücksichtigung des Verwertungsüberschusses, § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3
Rdnr. 188 Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 ist nichtig. Sie hierzu die Ausführungen zur Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2, oben Rdnr. 91b ff. bzw. den Beitrag zu Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 InsVV als PDF. In der nachfolgenden Kommentierung wird diese Rechtsansicht außer Acht gelassen, damit Rechtsanwender, welche die Regelungen des § 1 Abs. 2 gleichwohl anwenden wollen oder müssen, in sachgerechter Weise diese Normierungen umsetzen können.
Rdnr. 189 Gehören zur Insolvenzmasse Gegenstände, die mit Absonderungsrechten belastet sind, zählen zur Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters stets diejenigen Beträge, die nach Befriedigung der Absonderungsrechte als Überschuss der Masse zustehen (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Satz 3).1 Wird dagegen bei der Verwertung eines mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstands ein das Absonderungsrecht übersteigender Überschuss erzielt, ist dieser in vollem Umfang der Masse zuzurechnen.2 Siehe hierzu das Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 bei einem Verwertungsüberschuss.
2 BGH v. 02.02.2006 - IX ZB 167/04, NZI 2006, 232 = ZInsO 2006, 254; AG Düsseldorf v. 29.05.2017 - 502 IN 195/12, ZInsO 2017, 1339; Keller, NZI 2013, 1067, 1068
Kernentscheidung
Der Wert eines mit Grundpfandrechten belasteten, vom Insolvenzverwalter freihändig veräußerten Grundstücks ist der Berechnung seiner Vergütung nicht zugrunde zu legen, wenn weder ein Übererlös noch ein Kostenbeitrag zur Masse fließt.
BGH v. 09.06.2016 - IX ZB 17/15, ZInsO 2016, 1443
d. Behandlung nachrangiger Absonderungsrechte im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1
Rdnr. 190 Ein sämtlichen Insolvenzforderungen nachrangiges Absonderungsrecht erhöht im Falle der Verwertung durch den Insolvenzverwalter die Bemessungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters in der Weise, dass der der Masse zustehende Betrag in vollem Umfang, der an den Absonderungsberechtigten auszukehrende Betrag aber nur mit höchstens 2% des Erlösanteils zu berücksichtigen ist.1
e. Behandlung des Ersatzabsonderungsrechts
Rdnr. 191 Ging ein Absonderungsrecht aufgrund einer Handlung des Insolvenzschuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder eines des Insolvenzschuldners unter, kann dem ursprünglich Berechtigten ein Ersatzabsonderungsrecht analog § 48 InsO zustehen. (Zur Ersatzaussonderung siehe § 1 Rdnr. 75.) Voraussetzung für die Entstehung dieses Ersatzabsonderungsrecht ist es jedoch, dass die entsprechende Gegenleistung unterscheidbar vorhanden ist. Bei einer Zahlung an den Insolvenzverwalter bedarf es für die notwendige Unterscheidbarkeit der Verwahrung auf einem geeigneten Sonderkonto.1 Ist die mit diesem Ersatzabsonderungsrecht belastete Gegenleistung dergestalt, dass eine Verwertung notwendig ist, steht dem Insolvenzverwalter bei einer Verwertung durch ihn ein Betrag gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 in gleicher Weise zu, wie bei der Verwertung eines mit einem normalen Absonderungsrecht belasteten Gegenstand. Entfällt eine Verwertungsnotwendigkeit, weil der Ersatzabsonderungsanspruch als Masseschuld gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu qualifizieren wäre2, entfällt auch eine Berechnung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1. Der Wert des entsprechenden, ursprünglich mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstands ist wie der des unbelasteten Vermögens vollständig in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen. Die Masseschuld gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO wirkt sich in diesem Fall nicht negativ auf die Vergütung des Insolvenzverwalters aus.3
2 Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl. 2010, Rdnr. 210; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 74; Stephan/Riedel, InsVV, 2. Aufl. 2021, § 1 Rdnr. 66
3 BK-InsO-Blersch, Stand Februar 2009, § 1 InsVV Rdnr. 14; Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 37
Rdnr. 192 In der Regel bemisst sich die besondere Vergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 mit 2 Prozent des Verwertungserlöses. Nach der Systematik des § 1 Abs. 2 Nr. 1 und der Rechtsprechung des BGH sollte gleichwohl in jedem Fall ein Vergütungsantrag als auch eine Vergütungsfestsetzung mit der notwendigen Vergleichsrechnung versehen werden.1
Rdnr. 192a Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 inkl. Zuschlag und Überschreitung der Kappungsgrenze gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19
Ausgangslage:
Der Wert des unbelasteten Vermögens beträgt ohne die Beiträge nach § 171 InsO 1.000.000 €.
Der Insolvenzverwalter verwertete das vollständig mit Absonderungsrechten belastete Vermögen des Insolvenzschuldners und erzielt hierdurch einen Erlös von 800.000 €. Eine Belastung der Masse mit Umsatzsteuer erfolgt nicht.Die Voraussetzungen für Zu- und Abschläge liegen vor. Diese rechtfertigen nach Vornahme einer Gesamtschau insgesamt eine Erhöhung um 250 %. Es handelt sich ausschließlich um Tatbestände, bei denen eine Vergleichsrechnung gleich welcher Art nicht vorzunehmen ist.
Wie berechnet sich in einem solchen Fall unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH die Vergütung des Insolvenzverwalters?
1. Grund-Regelvergütung gem. § 2 Abs. 1 auf Basis des Wertes der Insolvenzmasse
Nach § 170, § 171 InsO sind die Kostenbeiträge nach § 171 InsO aus diesem Erlös an die Insolvenzmasse auszukehren. Diese sind:
- nach § 171 Abs. 1 InsO 4 % von 800.000 € als Feststellungsbeitrag = 32.000 € sowie
- nach § 172 Abs. 2 InsO 5 % von 800.000 € als Verwertungskostenbeitrag = 40.000 €,
insgesamt 72.000 €.Der Wert der Insolvenzmasse inklusive der Beiträge nach § 171 InsO beträgt daher 1.000.000 € + 72.000 € = 1.072.000 €.
Auf der Basis dieser Berechnungsgrundlage von 1.072.000 € beträgt die Grund-Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. 49.190 €R1.
2. Berechnung der Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1
Gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ist aufgrund der Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters der Wert der belasteten Gegenstände zu berücksichtigen. Dies würde zu einer Berechnungsgrundlage von 1.800.000 € führen (unbelastetes Vermögen 1.000.000 € + belastetes Vermögen 800.000 €).
Auf der Basis dieser erhöhten Berechnungsgrundlage von 1.800.000 € betrüge die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. daher 63.750 €R2.
Die Differenz zwischen diesen beiden Regelvergütungssätzen R1 und R2 beträgt 14.560 €M. Dies ist die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1.
Der Insolvenzverwalter soll jedoch nicht diese höhere Regelvergütung erhalten, da ja nicht die vollen 800.000 € zu Masse geflossen sind. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 erhält der Verwalter in einem solchen Fall maximal 50 % des in die Masse geflossenen Feststellungsbeitrags!
Der in die Masse geflossene Feststellungsbeitrag betrug 32.000 €
50 % von 32.000 € sind 16.000 €FB.Der geringere der beiden Beträge ist als Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 anzusetzen. Dies sind hier 14.560 €M.
Dies ist der Betrag der Mehrvergütung, den der Insolvenzverwalter für die Verwertung der mit Aussonderungsrechten belasteten Vermögensgegenstände in diesem Fall nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 erhält.
3. Bestimmung der um die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 erhöhten Regelvergütung
Die Regelvergütung berechnet sich in diesem Fall (und auch für evtl. Zu- und Abschläge nach § 3) auf der Basis einer Berechnungsgrundlage von 1.072.000 €. Die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. beträgt daher 49.190 €R1. Diese Regelvergütung ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 um 14.560 €M auf 63.750 €R2 zu erhöhen.
Diese 63.750 €R2 sind die Regelvergütungsbasis für alle weiteren Vergütungsberechnungen dieses Verfahrens.
4. Berücksichtigung der Zuschlagsfaktoren gem. § 3
Die Regelvergütung inkl. Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 ist gem. BGH die Regelvergütung, auf die sich Zu- und Abschläge gemäß § 3 beziehen.
Die Voraussetzungen für Zu- und Abschläge liegen in diesem Rechenbeispiel vor. Diese rechtfertigen nach Vornahme einer Gesamtschau insgesamt eine Erhöhung um 250 %Z1. Es handelt sich ausschließlich um Tatbestände, bei denen eine Vergleichsrechnung gleich welcher Art nicht vorzunehmen ist.
a. Berücksichtigung der Zuschlagsfaktoren gem. § 3 mittels der um die Mehrvergütung veränderten Regelvergütung
Bislang wurde der Wert der Erhöhung durch eine Multiplikation des Wertes der Regelvergütung mit der Erhöhung ermittelt. Dies wäre in diesem Fall die erhöhte Gesamtvergütung 63.750 €R2 + 250 %Z1 (= 159.375 €) = 222.125 €F1.
Hierin wurde die Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 jedoch zweimal berücksichtigt. Einmal bei der Bemessung der (erhöhten) Regelvergütung und zum zweiten Mal durch den Zuschlag. Jedoch darf der Teil der Regelvergütung, der sich aus der Mehrvergütung ergibt, gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19 (ZInsO 2021, 2046) durch Zuschläge nicht über 50 % der Feststellungskosten hinaus erhöht werden. Daher ist die Mehrvergütung in einem letzten Rechenschritt gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 stets auf höchstens 50 % der Feststellungskosten, also hier 16.000 €FB, zu begrenzen. Um dies festzustellen und ausschließen zu können, dass die Grenzen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 nicht überschritten werden, muss die angemessenen Veränderungen der erhöhten Regelvergütung durch Umstände im Sinne von § 3 rechnerisch anders erfasst werden.
b. Berücksichtigung der Zuschlagsfaktoren gem. § 3 bei Trennung von Grund-Regelvergütung und Mehrvergütung
Die Grund-Regelvergütung beträgt 49.190 €R1.
Die angemessene Änderung der Grund-Regelvergütung gem. § 3 um hier 250 %Z1 beträgt 122.975 €F2 (Grund-RegelvergütungR1 mal 250 %Z1).
Die Mehrvergütung beträgt 14.560 €M.
Auch die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 wird von Zu- und Abschlägen gem. § 3 verändert. Die angemessene Änderung gem. § 3 führt in diesem Verfahren zu einer Erhöhung um 250 %Z1.
250 %Z1 von 14.560 €M ergeben 36.400 €. Dieser Betrag übersteigt sowohl den Betrag gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 von 14.560 €M als auch den Betrag gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 von 16.000 €FB. Gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19 (ZInsO 2021, 2046) darf jedoch auch die eine Veränderung gem. § 3 die absolute Kappungsgrenze von 50 % der FeststellungskostenFB nicht überschritten werden.
Daher ist die Erhöhung in diesem Verfahren auf den Betrag der hälftigen FeststellungskostenFB von 16.000 €FB begrenzt. Die Differenz zwischen der Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 von 14.560 €M und den hälftigen FeststellungskostenFB von 16.000 €FB beträgt hier 1.440 €G.
5. Ergebnis insgesamt daher in diesem Fall
Die Grund-Regelvergütung beträgt 49.190 €R1
+ Zuschlag auf die Grundregelvergütung 122.975 €F2
+ Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 14.560 €M
+ Zuschlag auf die Mehrvergütung, begrenzt auf 1.440 €G
Insgesamt: 188.165 €
Bislang wurde die Mehrvergütung auch vollständig durch die Zuschläge verändert. Nach der bisherigen Praxis hätte der Zuschlag in diesem Verfahren einen Wert von 159.375 €, so dass die Gesamtvergütung 223.125 € betrüge. In diesem Verfahren reduziert sich die Gesamtvergütung dementsprechend um 34.960 €. Dies entspricht einem Zuschlag vom 55 %. Die Entscheidung, ob bei der Berechnung der Vergütung inkl. einer Mehrvergütung und Zu- und Abschlägen eine gemeinsame Zu-/Abschlagsberechnung entsprechend oben Nr. 4a oder getrennt entsprechend oben Nr. 4b vorzunehmen ist, hängt von allen Zahlen ab. Die Berechnung nach oben Nr. 4b ergibt in allen Fällen das unter Berücksichtigung der Kappungsgrenzen gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19 (ZInsO 2021, 2046) ein richtiges Ergebnis.
Rdnr. 192b Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 inkl. Zuschlag und Überschreitung der Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 entspr. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19
Ausgangslage:
Der Wert des unbelasteten Vermögens beträgt ohne die Beiträge nach § 171 InsO 1.000.000 €.
Der Insolvenzverwalter verwertete das vollständig mit Absonderungsrechten belastete Vermögen des Insolvenzschuldners und erzielt hierdurch einen Erlös von 800.000 €. Eine Belastung der Masse mit Umsatzsteuer erfolgt nicht.Die Voraussetzungen für Zu- und Abschläge liegen vor. Diese rechtfertigen nach Vornahme einer Gesamtschau insgesamt eine Erhöhung um 5 %. Es handelt sich ausschließlich um Tatbestände, bei denen eine Vergleichsrechnung gleich welcher Art nicht vorzunehmen ist.
Wie berechnet sich in einem solchen Fall unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH die Vergütung des Insolvenzverwalters?
1. Grund-Regelvergütung gem. § 2 Abs. 1 auf Basis des Wertes der Insolvenzmasse
Nach § 170, § 171 InsO sind die Kostenbeiträge nach § 171 InsO aus diesem Erlös an die Insolvenzmasse auszukehren. Diese sind:
- nach § 171 Abs. 1 InsO 4 % von 800.000 € als Feststellungsbeitrag = 32.000 € sowie
- nach § 172 Abs. 2 InsO 5 % von 800.000 € als Verwertungskostenbeitrag = 40.000 €,
insgesamt 72.000 €.Der Wert der Insolvenzmasse inklusive der Beiträge nach § 171 InsO beträgt daher 1.000.000 € + 72.000 € = 1.072.000 €.
Auf der Basis dieser Berechnungsgrundlage von 1.072.000 € beträgt die Grund-Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. 49.190 €R1.
2. Berechnung der Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1
Gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ist aufgrund der Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters der Wert der belasteten Gegenstände zu berücksichtigen. Dies würde zu einer Berechnungsgrundlage von 1.800.000 € führen (unbelastetes Vermögen 1.000.000 € + belastetes Vermögen 800.000 €).
Auf der Basis dieser erhöhten Berechnungsgrundlage von 1.800.000 € betrüge die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. daher 63.750 €R2.
Die Differenz zwischen diesen beiden Regelvergütungssätzen R1 und R2 beträgt 14.560 €M. Dies ist die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1.
Der Insolvenzverwalter soll jedoch nicht diese höhere Regelvergütung erhalten, da ja nicht die vollen 800.000 € zu Masse geflossen sind. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 erhält der Verwalter in einem solchen Fall maximal 50 % des in die Masse geflossenen Feststellungsbeitrags!
Der in die Masse geflossene Feststellungsbeitrag betrug 32.000 €
50 % von 32.000 € sind 16.000 €FB.Der geringere der beiden Beträge ist als Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 anzusetzen. Dies sind hier 14.560 €M.
Dies ist der Betrag der Mehrvergütung, den der Insolvenzverwalter für die Verwertung der mit Aussonderungsrechten belasteten Vermögensgegenstände in diesem Fall nach § 1 Abs. 2 Nr. 1.
3. Bestimmung der um die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 erhöhten Regelvergütung
Die Regelvergütung berechnet sich in diesem Fall (und auch für evtl. Zu- und Abschläge nach § 3) auf der Basis einer Berechnungsgrundlage von 1.072.000 €. Die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. beträgt daher 49.190 €R1. Diese Regelvergütung ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 um 14.560 €M auf 63.750 €R2 zu erhöhen.
Diese 63.750 €R2 sind die Regelvergütungsbasis für alle weiteren Vergütungsberechnungen dieses Verfahrens.
4. Berücksichtigung der Zuschlagsfaktoren gem. § 3 bei Trennung von Grund-RegelvergütungR1 und MehrvergütungM
Die Grund-RegelvergütungR1 beträgt 49.190 €R1.
Die angemessene Änderung der Grund-RegelvergütungR1 gem. § 3 um hier 5 %Z2 beträgt 2.459,50 €F2 (Grund-RegelvergütungR1 mal 5 %Z2).
Auch hier ist die MehrvergütungM um 5 %Z2 zu erhöhen.
5 %Z2 von 14.560 €M ergeben 728 €Z2. Die Addition von MehrvergütungM von 14.560 €M und ZuschlagZ2 von 728 €Z2 ergibt 15.288 €. Die Betrag übersteigt die absolute Kappungsgrenze von 50 % der Feststellungskosten von 16.000 €FB nicht. Daher ist die volle Erhöhung in diesem Verfahren zu berücksichtigen.
5. Ergebnis insgesamt daher in diesem Fall
Die Grund-Regelvergütung beträgt 49.190 €R1
+ Zuschlag auf die Grundregelvergütung 2.459,50 €F2
+ Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 14.560 €M
+ Zuschlag auf die Mehrvergütung 728 €Z2
Insgesamt: 66.937,50 €
Rdnr. 192c Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 mit einem massemehrenden Zuschlag gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19
Ausgangslage:
Der Wert des unbelasteten Vermögens beträgt ohne die Beiträge nach § 171 InsO 1.000.000 €.
Der Insolvenzverwalter verwertete das vollständig mit Absonderungsrechten belastete Vermögen des Insolvenzschuldners und erzielt hierdurch einen Erlös von 800.000 €. Eine Belastung der Masse mit Umsatzsteuer erfolgt nicht.Die Voraussetzungen für einen Zuschlag gem. § 3 Abs. 1 a) liegen vor, da die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat. Dies rechtfertigt dem Grund nach eine Erhöhung um 30 %Z3.
Wie berechnet sich in einem solchen Fall unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH die Vergütung des Insolvenzverwalters?
1. Grund-Regelvergütung gem. § 2 Abs. 1 auf Basis des Wertes der Insolvenzmasse
Nach § 170, § 171 InsO sind die Kostenbeiträge nach § 171 InsO aus diesem Erlös an die Insolvenzmasse auszukehren. Diese sind:
- nach § 171 Abs. 1 InsO 4 % von 800.000 € als Feststellungsbeitrag = 32.000 € sowie
- nach § 172 Abs. 2 InsO 5 % von 800.000 € als Verwertungskostenbeitrag = 40.000 €,
insgesamt 72.000 €.Der Wert der Insolvenzmasse inklusive der Beiträge nach § 171 InsO beträgt daher 1.000.000 € + 72.000 € = 1.072.000 €.
Auf der Basis dieser Berechnungsgrundlage von 1.072.000 € beträgt die Grund-Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. 49.190 €R1.
2. Berechnung der Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1
Gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ist aufgrund der Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters der Wert der belasteten Gegenstände zu berücksichtigen. Dies würde zu einer Berechnungsgrundlage von 1.800.000 € führen (unbelastetes Vermögen 1.000.000 € + belastetes Vermögen 800.000 €).
Auf der Basis dieser erhöhten Berechnungsgrundlage von 1.800.000 € betrüge die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. daher 63.750 €R2.
Die Differenz zwischen diesen beiden Regelvergütungssätzen R1 und R2 beträgt 14.560 €M. Dies ist die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1.
Der Insolvenzverwalter soll jedoch nicht diese höhere Regelvergütung erhalten, da ja nicht die vollen 800.000 € zu Masse geflossen sind. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 erhält der Verwalter in einem solchen Fall maximal 50 % des in die Masse geflossenen Feststellungsbeitrags!
Der in die Masse geflossene Feststellungsbeitrag betrug 32.000 €
50 % von 32.000 € sind 16.000 €FB.Der geringere der beiden Beträge ist als Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 anzusetzen. Dies sind hier 14.560 €M.
Dies ist der Betrag der Mehrvergütung, den der Insolvenzverwalter für die Verwertung der mit Aussonderungsrechten belasteten Vermögensgegenstände in diesem Fall nach § 1 Abs. 2 Nr. 1.
3. Bestimmung der um die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 erhöhten Regelvergütung
Die Regelvergütung berechnet sich in diesem Fall (und auch für evtl. Zu- und Abschläge nach § 3) auf der Basis einer Berechnungsgrundlage von 1.072.000 €. Die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. beträgt daher 49.190 €R1. Diese Regelvergütung ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 um 14.560 €M auf 63.750 €R2 zu erhöhen.
Diese 63.750 €R2 sind die Regelvergütungsbasis für alle weiteren Vergütungsberechnungen dieses Verfahrens.
4. Vergleichsrechnung zum Zuschlag i.S.v. § 3 Abs. 1 a)
Der Zuschlag von 30 %Z3 führt bei einer Regelvergütungsbasis von 63.750 €R2 zur einer Erhöhung um 19.125 € (= 30 % von 63.750 €). Die Mehrvergütung von 14.560 €M ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 jedoch entsprechend § 3 Abs. 1 a) herauszurechnen. Die 19.125 € sind hierzu um die 14.560 €M zu reduzieren, so dass 4.565 € verbleiben.
Diese 4.565 € sind in ein Verhältnis zur Regelvergütungsbasis von 63.750 €R2 zu setzen. 4.565 € sind rund 7,2 % der Regelvergütungsbasis. Der Zuschlag für die erheblichen Belastungen aus der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten ist daher in diesem Fall von 30 % auf 7,2 %Z4 zu reduzieren.
5. Berücksichtigung des Zuschlags gem. § 3 bei Trennung von Grund-Regelvergütung und Mehrvergütung
Die Grund-Regelvergütung beträgt 49.190 €R1.
Die angemessene Änderung der Grund-Regelvergütung gem. § 3 um hier nun verbleibende 7,2 %Z4 beträgt 3.541,68 €F4 (Grund-Regelvergütung mal 7,2 %Z4).
Die Mehrvergütung beträgt 14.560 €M.
7,2 %Z4 von 14.560 €M ergeben 1.092 €Z5. Die Addition von Mehrvergütung von 14.560 €M und ZuschlagZ5 von 1.092 €Z5 ergibt 15.652 €. Die Betrag übersteigt die absolute Kappungsgrenze von 50 % der Feststellungskosten von 16.000 €FB nicht.
Daher ist die volle ErhöhungZ5 in diesem Verfahren zu berücksichtigen.
6. Ergebnis insgesamt daher in diesem Fall
Die Grund-Regelvergütung beträgt 49.190 €R1
+ Zuschlag auf die Grundregelvergütung 3.541,68 €F4
+ Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 14.560 €M
+ Zuschlag auf die Mehrvergütung 1.092 €Z5
Insgesamt: 68.383,68 €
Rdnr. 192d Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1, bei einem Verwertungsüberschuss
Ausgangslage:
Der Wert des unbelasteten Vermögens beträgt ohne die Beiträge nach § 171 InsO 10.000 €.
Der Insolvenzverwalter verwertet einen mit einem Absonderungsrecht in Höhe von 30.000 € belasteten Vermögensgegenstand des Insolvenzschuldners und erzielt hierdurch einen Erlös von 40.000 €. Eine Belastung der Masse mit Umsatzsteuer erfolgt nicht.Von dem Erlös von 40.000 € sind zugunsten der Insolvenzmasse die Beträge nach § 171 InsO abzuziehen. Diese Pauschalen sind auch dann abzuziehen, wenn der Wert des Sicherungsgutes die gesicherte Forderung übersteigt, also ein Übererlös erzielt wird.1
Nach § 170, § 171 InsO sind die Kostenbeiträge bei einem Verwertungsüberschuss nicht aus diesem Erlös von 40.000 € zu berechnen, sondern dem Sinn und Zweck der Massebeteiligung der Absonderungsgläubiger gem. §§ 170, 171 InsO entsprechend, nur aus dem Wertanteil des Absonderungsrechts (hier: 30.000 €)2. Die Kostenpauschalen nach § 171 InsO hat im Ergebnis stets der gesicherte Gläubiger zu tragen, und zwar auch dann wenn der Übererlös auch zur Deckung der Feststellungskosten ausreicht.3 Hiervon kann sich der Gläubiger auch durch Übersicherung nicht schützen.3 Der Normzweck des § 170 InsO, besteht darin, die Verwaltermehrkosten aus der Feststellung und der Verwertung der Sicherheit nicht der Gläubigergesamtheit, also den ungesicherten Gläubigern anzulasten, sondern den gesicherten Gläubiger hieran zu beteiligen.3 Da die Verwaltermehrkosten aber ungeachtet der Tatsache anfallen, ob der Wert des Sicherungsguts die gesicherte Forderung über- oder unterschreitet und ein überschießender Wert der Insolvenzmasse und damit der Gläubigergesamtheit zusteht, ginge es fehl, die Gläubigergesamtheit allein mit den Mehrkosten der Rechtefeststellung und Verwertung gerade in dem Fall zu belasten, in dem noch ein Residualwert zu Gunsten der Gläubigergesamtheit verbleibt.3 Das liefe darauf hinaus, die Gläubigergesamtheit solange mit den Mehrkosten allein zu belasten, wie „bei ihr noch etwas zu holen ist“ und den Sicherungsgläubiger erst dann an den Mehrkosten zu beteiligen, wenn für die Insolvenzmasse kein Restwert verbleibt.3 Das ist mit dem Normzweck nicht vereinbar.3
Dies bedeutet jedoch im Fällen eines Verwertungsüberschusses nicht, dass die Pauschalen an dem vollständigen Verwertungserlös zu orientieren wären, wie es jedoch der Formulierung des § 171 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 InsO vorgibt. Diese Vorgaben betreffen nur den Fall der üblichen vollständigen Belastung des des entsprechenden Gegenstands. An den Fall eines Verwertungsüberschusses hat der Gesetzgeber erkennbar nicht gedacht. Dies zeigt das Beispiel einer überwiegenden Verwertungsüberschuss: Verwertungserlös 100.000 €, Wert des Sicherungsrechts 5.000 €. Bei einer wörtlichen Anwendung des § 171 InsO wären die Pauschalen auf der Basis von 100.000 € zu berechnen und betrügen daher 9.000 €. Reduziert man das Absonderungsrecht um diese 9.000 € verbliebe für den gesicherten Gläubiger nichts. Das ist sicherlich nicht die Intention des § 171 InsO. Oder man entnimmt diese 9.000 € dem Erlös und verteilt den Rest mit 5.000 € an den Absonderungsgläubiger und fügt die restlichen 86.000 € (wie auch die 9.000 € aus den Pauschalen) der Insolvenzmasse zu. Dann liefe die mit §§ 170, 171 InsO gewollte wirtschaftliche Beteiligung der gesicherten Gläubiger zugunsten der ungesicherten Gläubiger leer. Ein angemessenes und sinnvolles Ergebnis unter Berücksichtigung der Ziele der §§ 170, 171 InsO wird daher im Fall eines Übererlöses dadurch erreicht, dass die Pauschalen nach § 171 InsO nach dem Wert des Absonderungsrecht bemessen werden und der Verwertungserlös (nur) die Obergrenze für die Ermittlung der Pauschalen darstellt.
Die Pauschalen in diesem Fall sind:
- nach § 171 Abs. 1 InsO 4 % aus 30.000 € als Feststellungsbeitrag = 1.200 € sowie
- nach § 171 Abs. 2 InsO 5 % aus 30.000 € als Verwertungskostenbeitrag = 1.500 €,
insgesamt 2.700 €.Aus dem Erlös der 40.000 € sind
- die Beiträge gem. § 171 InsO in Höhe von 2.700 € an die Masse abzuführen
- das Absonderungsrecht mit 27.300 € zu befriedigen (30.000 € abzüglich der Beiträge von zusammen 2.700 €)
- der verbleibende Verwertungsüberschuss (40.000 € Verwertungserlös minus 2.700 € Kostenbeiträge gem. § 171 InsO minus Auskehrung von 27.300 € an den Absonderungsberechtigten = verbleibender Überschuss von 10.000 €) der Masse zuzuführen.Der Wert des unbelasteten Vermögens inklusive der Beiträge nach § 171 InsO beträgt daher 10.000 € (unbelastetes Vermögen) + 2.700 € (Kostenbeiträge nach § 171 InsO) + 10.000 € (Verwertungsüberschuss) = 22.700 €.
Auf der Basis dieser Berechnungsgrundlage von 22.700 € beträgt die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 nun 9.080 €.
Gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 ist aufgrund der Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters der Wert der belasteten Gegenstände zu berücksichtigen. Dies würde zu einer Berechnungsgrundlage von 50.000 € führen (unbelastetes Vermögen 10.000 € + belasteter Gegenstand 40.000 €).
Auf der Basis dieser erhöhten Berechnungsgrundlage von 50.000 € betrüge die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV nun 16.250 €.
Die Differenz zwischen diesen beiden Regelvergütungssätzen beträgt 7.170 €.
Der Insolvenzverwalter soll jedoch nicht diese höhere Regelvergütung erhalten, da ja nicht die vollen 40.000 € zu Masse geflossen sind. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 erhält der Verwalter in einem solchen Fall maximal 50 % des in die Masse geflossenen Feststellungsbeitrags!
Der in die Masse geflossene Feststellungsbeitrag betrug 1.200 €.
50 % von 1.200 € sind 600 €.Dies ist der Betrag, den der Insolvenzverwalter für die Verwertung der mit Absonderungsrechten belasteten Vermögensgegenstände in diesem Fall nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 erhält.
Die Regelvergütung berechnet sich in diesem Fall (und auch für evtl. Zu- und Abschläge nach § 3) auf der Basis einer Berechnungsgrundlage von 22.700 €. Die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 beträgt daher 9.080 €. Diese Regelvergütung ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 um 600 € auf 9.680 € zu erhöhen.
Diese 9.680 € sind die Regelvergütungsbasis für alle weiteren Vergütungsberechnungen dieses Verfahrens.
2 AG Köln v. 27.12.2010 - 142 C 338/10, ZInsO 2011, 1260; HK-InsO/Hölzle, 10 Aufl. 2020, § 170 Rdnr. 14 und § 171 Rdnr. 5; HambKomm/Scholz, InsO, 7. Aufl. 2019, § 170 Rdnr. 3; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, 14. Aufl. 2015, § 170 Rdnr. 9. Anders evtl. BGH v. 06.12.2007 - XII ZR 95/16, NZI 2018, 174 = ZInsO 2018, 388, in seinem Hinweis an das OLG Düsseldorf
3 Hölzle in: Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 10. Aufl. 2020, § 171 Rdnr. 14
Rdnr. 192e Berechnungsbeispiel zum Mehrbetrag aus einer Verwertung, § 1 Abs. 2 Nr. 1 inkl. Zuschlag gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19 bei Vereinbarung einer überobligatorischen Massebeteiligung
Ausgangslage:
Der Wert des unbelasteten Vermögens beträgt ohne die Beiträge nach § 171 InsO 1.000.000 €.
Der Insolvenzverwalter verwertete das vollständig mit Absonderungsrechten belastete Vermögen des Insolvenzschuldners und erzielt hierdurch einen Erlös von 800.000 €. Eine Belastung der Masse mit Umsatzsteuer erfolgt nicht.Der Absonderungsgläubiger vereinbart mit dem Insolvenzverwalter eine überobligatorische Massebeteilungung von 30 %!
Die Voraussetzungen für Zu- und Abschläge liegen vor. Diese rechtfertigen nach Vornahme einer Gesamtschau insgesamt eine Erhöhung um 250 %. Es handelt sich ausschließlich um Tatbestände, bei denen eine Vergleichsrechnung gleich welcher Art nicht vorzunehmen ist.
Wie berechnet sich in einem solchen Fall unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH die Vergütung des Insolvenzverwalters?
Wo liegen in einem solchen Fall die gem. BGH auch bei Zuschlägen zu beachtenden Kappungsgrenzen hinsichtlich der Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1?
1. Grund-Regelvergütung gem. § 2 Abs. 1 auf Basis des Wertes der Insolvenzmasse
Nach § 170, § 171 InsO sind die Kostenbeiträge nach § 171 InsO aus diesem Erlös an die Insolvenzmasse auszukehren. Diese sind:
- nach § 171 Abs. 1 InsO 4 % von 800.000 € als Feststellungsbeitrag = 32.000 € sowie
- nach § 172 Abs. 2 InsO 5 % von 800.000 € als Verwertungskostenbeitrag = 40.000 €,
insgesamt 72.000 €.Konkret hat der Absonderungsberechtigte jedoch eine überobligatorische Massebeteiligung von 30 % des Verwertungserlöses (800.000 €), mithin in Höhe von 240.000 € vereinbart.
Der Wert der Insolvenzmasse inklusive des freiwilligen, die Beiträge nach § 171 InsO übersteigenden Massebeteiligungsbetrag beträgt daher 1.000.000 € + 240.000 € = 1.240.000 €.
Auf der Basis dieser Berechnungsgrundlage von 1.240.000 € beträgt die Grund-Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. 52.550 €R1.
2. Berechnung der Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1
Gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ist aufgrund der Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters der Wert der belasteten Gegenstände zur Ermittlung der Mehrvergütung zu berücksichtigen. Dies würde zu einer Berechnungsgrundlage von 1.800.000 € führen (unbelastetes Vermögen 1.000.000 € + belastetes Vermögen 800.000 €).
Auf der Basis dieser erhöhten Berechnungsgrundlage von 1.800.000 € betrüge die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. daher 63.750 €R2.
Die Differenz zwischen diesen beiden Regelvergütungssätzen R1 und R2 beträgt 11.200 €M. Dies ist die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1.
Der Insolvenzverwalter soll jedoch nicht diese höhere Regelvergütung erhalten, da ja nicht die vollen 800.000 € zu Masse geflossen sind. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 erhält der Verwalter in einem solchen Fall maximal 50 % des in die Masse geflossenen Feststellungsbeitrags!
Gem. § 171 Abs. 1 InsO beträgt der obligatorische Feststellungsbeitrag 4 % des Verwertungserlöses von hier 800.000 €, also 32.000 €. Und 50 % von 32.000 € sind 16.000 €FB.
Der hier tatsächlich geflossene Feststellungsbeitrag beträgt jedoch 4/9 der überobligatorischen Massebeteilung von 240.000 €. 4/9 von 240.000 € sind 106.666,67 €. Die Mehrvergütung ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 auf 50 % dieser 106.666,67 € begrenzt. Dies sind 53.333,34 €.
Der geringere der beiden Beträge ist als Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 anzusetzen. Dies sind hier 11.200 €M.
(Man mag sich vielleicht darüber wundern, dass hier nicht die 53.333,34 € anstelle der 11.200 € genommen werden. Dies wäre aber falsch, da anderenfalls die Vergütung 105.883,34 € (52.550 € plus 53.333,34 €) betragen würde. Dies wäre mehr als eine Vergütung bei einer vollständig unbelasteten Masse mit einem Wert von hier 1.800.000 €. Und ein Insolvenzverwalter kann über eine Regelvergütung plus Mehrvergütung aus der Verwertung von Absonderungsgegenständen nicht mehr an Vergütung erhalten, als wenn keinerlei Absonderungsrechte bestünden.)
3. Bestimmung der um die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 erhöhten Regelvergütung
Die Regelvergütung berechnet sich in diesem Fall (und auch für evtl. Zu- und Abschläge nach § 3) auf der Basis einer Berechnungsgrundlage von 1.240.000 €. Die Regelvergütung nach § 2 Abs. 1 a.F. beträgt daher 52.500 €R1. Diese Regelvergütung ist gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 um 11.200 €M auf 63.750 €R2 zu erhöhen.
Diese 63.750 €R2 sind die Regelvergütungsbasis für alle weiteren Vergütungsberechnungen dieses Verfahrens.
4. Berücksichtigung der Zuschlagsfaktoren gem. § 3
Die Regelvergütung inkl. Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 ist gem. BGH1 die Regelvergütung, auf die sich Zu- und Abschläge gemäß § 3 beziehen.
Die Voraussetzungen für Zu- und Abschläge liegen in diesem Rechenbeispiel vor. Diese rechtfertigen nach Vornahme einer Gesamtschau insgesamt eine Erhöhung um 250 %Z1. Es handelt sich ausschließlich um Tatbestände, bei denen eine Vergleichsrechnung gleich welcher Art nicht vorzunehmen ist.
a. Berücksichtigung der Zuschlagsfaktoren gem. § 3 mittels der um die Mehrvergütung veränderten Regelvergütung
Bislang wurde der Wert der Erhöhung durch eine Multiplikation des Wertes der Regelvergütung mit der Erhöhung ermittelt. Dies wäre in diesem Fall die erhöhte Gesamtvergütung 63.750 €R2 + 250 %Z1 (= 159.375 €) = 222.125 €F1.
Hierin wurde die Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 jedoch zweimal berücksichtigt. Einmal bei der Bemessung der (erhöhten) Regelvergütung und zum zweiten Mal durch den Zuschlag. Jedoch darf der Teil der Regelvergütung, der sich aus der Mehrvergütung ergibt, gem. BGH1 durch Zuschläge nicht über 50 % der Feststellungskosten hinaus erhöht werden.
Die konkreten Feststellungskosten waren in diesem Verfahren aufgrund der überobligatorischen Beteilung effektiv 106.666,67 €. Die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 von 50 % dieses Betrags sind damit 53.333,34 €.
Ist dieser Betrag von 53.333,34 € in diesem Verfahren die auch bei Zuschlägen zu beachtenden Kappungsgrenze?
Gem. dem ersten Leitsatz der Entscheidung des BGH1 ist die Mehrvergütung jedoch auf höchstens 2 % des Verwertungserlöses begrenzt:
a) Im Fall der freihändigen Veräußerung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Grundstücks durch den Insolvenzverwalter kann dieser Anspruch auf eine Mehrvergütung haben, die sich auf höchstens 2 % des Verwertungserlöses beläuft. ...
BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/19, NZI 2021, 1036 = ZInsO 2021, 2046
Dies wären aber hier 2% von 800.000 €, also nur 16.000 €!
Der bloße Blick auf den ersten Leitsatz der BGH-Entscheidung führt jedoch zu einem falschen Ergebnis. Aus den weiteren Ausführungen des BGH1 (Rdnr. 18) ist zu entnehmen, dass es tatsächlich nicht um 2% des Verwertungserlösses, sondern vielmehr um 50 % von 4/9 der konkret für die Feststellung in die Masse fließenden Beträge ging. Von diesen sollen auch bei evtl. Zuschlägen nach § 3 Abs. 1 gleichwohl 50 % für die Insolvenzgläubiger verbleiben. Dies ist auch die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, nach der die "für die Kosten ihrer Feststellung in die Masse" geflossenen Beträge in ihrer konkreten Höhe maßgeblich sind und nicht etwa (nur) eine Pauschale von 2% des Verwertungserlöses. Diese Regelung ist auch in diesem Fall anzuwenden und zu vermuten, dass es auch trotz des fehlerhaften ersten Leitsatzes der Entscheidung1 gleichwohl der Intention des BGH entsprichtn, in diesem Verfahren die Kappungsgrenze für eine durch Zuschläge erhöhte Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 mit 53.333,34 € anzusetzen und hierdurch zu gewährleisten, dass die anderen 50 % des Feststellungsanteils der überobligatorischen Massebeteiligung für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger verbleiben.
Würde man diese Kappungsgrenze von 50 % der 4/9 der Massebeteiligung an dem Verwertungserlös des mit Absonderungsrechten belasteten Vermögens nicht an der konkreten Massebeteiligung (hier 30 % des Erlöses anstelle von 9 % gem. § 171 InsO), sondern ohne Berücksichtigung der überobligatorischen Massebeteiligung strikt mit 2% des Verwertungserlöses orientieren, würde in diesem Verfahren die entsprechende Kappungsgrenze nicht bei 53.333,34 €, sondern bei 16.000 € liegen. Gemessen an der konkreten Massebeteilígung von 240.000 € und einer Zuordnung eines Anteils von 4/9 für die Festellung, also 106.666,67 €, würde eine Kappungsgrenze bei 16.000 € den insoweit zur Verfügung stehenden Betrag nicht 50/50 zwischen dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern aufteilen, sondern im Verhältnis von 15/85. Ein Insolvenzverwalter stünde durch diese erfolgreiche Verhandlung einer überobligatorischen Massebeteiligung im Interesse der Insolvenzgläubigere kaum besser, als wenn er darauf verzichtet und es bei der gesetzlichen Massebeteiligung gem. § 171 InsO belassen hätte. Die Bestimmungen zur Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr 1 und auch die Entscheidung des BGH1 haben zwar eine angemessene Verteilung der Massebeteiligung zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzgläubiger zum Ziel, sicherlich jedoch nicht das Ziel, einen Insolvenzverwalter zu demotivieren, in einem Verfahren eine bessere Massebeteiligung im Interesse auch der Insolvenzgläubiger zu erzielen.
Daher ist die Mehrvergütung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 stets auf höchstens 50 % der konkreten Feststellungskosten, also hier 53.333,34 €FB, zu begrenzen.
b. Berücksichtigung der Zuschlagsfaktoren gem. § 3 bei Trennung von Grund-Regelvergütung und Mehrvergütung
Die Grund-Regelvergütung beträgt 52.550 €R1.
Die angemessene Änderung der Grund-Regelvergütung gem. § 3 um hier 250 %Z1 beträgt 131.375 €F2 (Grund-RegelvergütungR1 mal 250 %Z1).
Die Mehrvergütung beträgt 11.200 €M.
Auch die Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 wird von Zu- und Abschlägen gem. § 3 verändert. Die angemessene Änderung gem. § 3 führt in diesem Verfahren zu einer Erhöhung um 250 %Z1.
250 %Z1 von 11.200 €M ergeben 28.000 €. Dieser Betrag übersteigt zwar den Betrag gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 von 11.200 €M, jedoch nicht den Betrag gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 von hier 53.333,34 €FB. Die Kappungsgrenze gem. BGH v. 22.07.2021 - IX ZB 85/191 wird in diesem Verfahren nicht überschritten.
5. Ergebnis insgesamt daher in diesem Fall
Die Grund-Regelvergütung beträgt 52.550 €R1
+ Zuschlag auf die Grundregelvergütung 131.375 €F2
+ Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 11.200 €M
+ Zuschlag auf die Mehrvergütung, begrenzt auf 28.000 €G
Insgesamt: 223.125 €___________________________________________________
Nur zum Vergleich: Wie wäre die Vergütung in diesem Fall festzusetzen, wenn es keine Vereinbarung für eine überobligatorische Massebeteiligung gegeben hätte?
Dies ist das Beispiel oben Rdnr. 192a mit dem Ergebnis:
Grund-Regelvergütung 49.190 €
+ Zuschlag auf die Grundregelvergütung 122.975 €
+ Mehrvergütung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 14.560 €
+ Zuschlag auf die Mehrvergütung, begrenzt auf 1.440 €
Insgesamt: 188.165 €Durch die besondere Vereinbarung des Insolvenzverwalters mit dem Absonderungsberechtigten erhielt die Masse hier 168.000 € mehr (240.000 € statt nur 72.000 €).
Dies erhöht in der Folge hier die Nettovergütung inkl. der Zuschläge um 34.960 €.
Der Anteil des Insolvenzverwalters an den zusätzlichen 168.000 € beträgt also rund 21 %.
Die restlichen 79 % bzw. 133.040 € stehen trotz der Zuschläge den Insolvenzgläubigern und der Gerichtskasse zur Verfügung.
f. Wahlrecht / Wahlpflicht des Insolvenzverwalters bei § 1 Abs. 2 Nr. 1?
Rdnr. 193 Die Möglichkeit, die Vergütung im Falle der Verwertung von Absonderungsgegenständen gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 um eine sog. Mehrvergütung zu erhöhen, steht nach der Formulierung des § 1 nicht unter der Bedingung, dass der Insolvenzverwalter sich dazwischen entscheidet, ob entweder der Wert der belasteten Gegenstände entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 in der Ermittlung der Berechnungsmasse zu berücksichtigen ist oder (nur) die sog. Mehrvergütung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 in Höhe von maximal 50 % der Feststellungsbeiträge nach § 171 InsO die Regelvergütung des § 2 erhöhen soll.1 Die nach § 170, § 171 InsO an die Insolvenzmasse zu leistenden Beträge sind unabhängig davon Bestandteil der Insolvenzmasse, ob dem Insolvenzverwalter eine Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 zusteht oder nicht. Nach der insoweit klaren Regelung des § 1 wirken sich die Werte der mit Absonderungsrechten belasteten Massegegenstände daher in zweifacher Weise auf die Vergütung des Insolvenzverwalters aus:
- 1. durch eine Erhöhung des Wertes der Berechnungsgrundlage durch die nach § 170, § 171 InsO in die Masse fließenden Beträge
- 2. durch die entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 zu berechnende Mehrvergütung.
Rdnr. 194 Die Entscheidung des BGH vom 10.10.20131 wird teilweise als Argument dafür herangezogen, ein Insolvenzverwalter müsse sich im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 entscheiden, ob er die durch die Beiträge nach § 170, § 171 InsO erhöhte Berechnungsgrundlage oder die Mehrvergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 in Anspruch nehmen möchte. Dies ist jedoch eine Fehlinterpretation des BGH. Diese Entscheidung, welche durch den BGH nicht zur Veröffentlichung vorgesehen und bewusst nicht mit einem Leitsatz versehen worden war, enthält keinen Sachverhalt, dem entnommen werden könnte, ob es sich um einen Fall der Verwertung von Mobilien und damit den Standardfall der Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 handelte oder ob eine Verwertung von Immobilien der Entscheidung zugrunde lag. Dem Verweis des BGH auf zwei konkrete Entscheidungen2 ist jedoch zu entnehmen, dass auch dieses Verfahren die Verwertung von Immobilien betraf, bei der keine Beiträge gem. § 170, § 171 InsO zu leisten waren. In dem einen Verfahren3 ging es um den Kostenbeitrag einer absonderungsberechtigten Gläubigerbank für eine freihändige Veräußerung von Grundstücken und in der anderen Entscheidung4 ebenfalls um freiwillige Feststellungsbeiträge bei einer freihändigen Verwertung von Grundstücken. Aus diesen Entscheidungen kann sicherlich kein Wille des BGH herausgelesen werden, die vergütungsrechtliche Berücksichtigung von gesetzlichen Beiträgen gem. § 170, § 171 InsO anders als in den anderen Entscheidungen des BGH hierzu zu behandeln und bei der Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten mobilen Vermögens eine Wahlrecht zu konstruieren.
2 BGH v. 23.10.2008 - IX ZB 157/05 (in keiner Zeitschrift veröffentlicht) und BGH v. 17.04.2013 - IX ZB 141/11, ZInsO 2013, 1104
3 BGH v. 23.10.2008 - IX ZB 157/05
4 BGH v. 17.04.2013 - IX ZB 141/11, ZInsO 2013, 1104
Rdnr. 195 § 1 Abs. 2 Nr. 1 beinhaltet für den Fall der direkten Anwendung auf die Verwertung mobilen Vermögens auch nach der BGH-Rechtsprechung kein Wahlrecht und auch keine Wahlpflicht des Insolvenzverwalters. Die Berücksichtigung der aus den Beiträgen nach § 170, § 171 InsO stammenden Teile der Insolvenzmasse steht neben der nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 zu berechnenden Mehrvergütung, welche die besonderen Belastungen eines Verwalters aus der Verwertung des mit Absonderungsrechten belasteten Vermögens in einer pauschalen Weise honoriert. Einzelfälle, in denen diese pauschale Mehrvergütung für die Verwertung des belasteten Vermögens nicht zu einer angemessenen Vergütung führt, können durch Zu- und auch Abschläge nach § 3 Berücksichtigung finden. Die sog. Wahlpflicht-Entscheidung des BGH1 zur Behandlung freiwilliger Beiträge ist nicht über den Anwendungsbereich des BGH auf die Fälle der gesetzlichen Beiträge nach § 170, § 171 InsO zu übertragen, da dies der klaren Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 widerspräche.2
2 In diesem Sinne auch Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 34; Keller, Vergütung, 4. Aufl. 2016, S. 188; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 62; MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 3 InsVV Rdnr. 18; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 59
g. Verwertung ohne Verwertungsrecht
Rdnr. 196 Die vergütungsrechtlichen Auswirkungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 setzen voraus, dass der Insolvenzverwalter den jeweiligen belasteten Gegenstand verwertet hat und zu dieser Verwertung berechtigt war. Hat ein Insolvenzverwalter einen mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstand verwertet, obwohl er hierzu keine Berechtigung besaß, kann nur der Überschuss gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 nicht jedoch die nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2 zu berechnenden Vergütung berücksichtigt werden.1
Beispielsentscheidung
Die Übertragung des Kündigungs- und Einziehungsrechtes des Rückkaufswertes einer massefremden Versicherung an den Insolvenzverwalter führt bei Ausübung und Verwertung vergütungsrechtlich nur in Höhe der korrespondierenden Masseansprüche zu einer Massemehrung.
Der Überschuss aus der Verwertung der Forderung ist bereits unter vergütungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht dem Bereicherungsausgleich zuzuordnen, sondern entsprechend den aus- oder absonderungsrechtlichen Regeln zu betrachten.
AG Düsseldorf v. 29.05.2017 - 502 IN 195/12, ZInsO 2017, 1339
2. Behandlung von abgefundenen Aus- und Absonderungsrechten, § 1 Abs. 2 Nr. 2
- (Allgemein hierzu Graeber, InsbürO 2006, 425 ff.: Die Abfindung von Aus- und Absonderungsrechten durch den Insolvenzverwalter und ihre Auswirkungen in der Vergütungsberechnung)
Rdnr. 197 Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ist nichtig. Sie hierzu die Ausführungen zur Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2, oben Rdnr. 91b ff. bzw. den Beitrag zu Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 InsVV als PDF. In der nachfolgenden Kommentierung wird diese Rechtsansicht außer Acht gelassen, damit Rechtsanwender, welche die Regelungen des § 1 Abs. 2 gleichwohl anwenden wollen oder müssen, in sachgerechter Weise diese Normierungen umsetzen können.
Rdnr. 198 Im Einzelfall kann es für die Insolvenzmasse sinnvoll sein, eine gesonderte Verwertung der mit Aus- oder Absonderungsrechten belasteten Vermögensgegenstände des Insolvenzschuldners zu vermeiden. Dies kann durch eine Zahlung eines angemessenen Betrages an den Aus- bzw. Absonderungsberechtigten im Rahmen einer Einigung zwischen diesem Gläubiger und den Insolvenzverwalter erfolgen, mit welcher auf das Aus- bzw. Absonderungsrecht verzichtet wird. Die Zahlung des Insolvenzverwalters auf diese Einigung hin ist als Erfüllung einer sonstigen Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen. Entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 werden die sonstigen Masseverbindlichkeiten grundsätzlich nicht abgesetzt. § 1 Abs. 2 Nr. 2 sieht hiervon eine Ausnahme vor.
Kernentscheidung
a) Die Anmeldung einer Forderung zur Tabelle ohne eine Beschränkung auf den Ausfall bedeutet keinen Verzicht auf ein Recht zur abgesonderten Befriedigung.
b) Der Verzicht auf eine abgesonderte Befriedigung ist nur dann wirksam, wenn der belastete Massegegenstand hierdurch für die Masse frei wird.
c) Bei Anordnung der Eigenverwaltung kann der Verzicht auf ein Recht zur abgesonderten Befriedigung nur gegenüber dem Schuldner erklärt werden.
Rdnr. 199 Ist beispielsweise ein Vermögensgegenstand des Insolvenzschuldners mit einem Absonderungsrecht im Wert von 100.000 € belastet und einigt sich der Insolvenzverwalter mit dem Absonderungsberechtigten auf einen Verzicht unter Berücksichtigung möglicher Kostenbeiträge des Gläubigers nach § 170, § 171 InsO gegen eine Zahlung von 90.000 €, wird der Gegenstand lastenfrei und ist als solcher mit seinem vollen Wert von 100.000 € in der Insolvenzmasse zu berücksichtigen. Ohne die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 2 würde sich die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung hierdurch erhöht haben, ohne dass die Insolvenzgläubiger eine höhere Befriedigung erwarten könnten. Denn die Erhöhung der Insolvenzmasse um diese 100.000 € wird ja gleichzeitig durch eine Erhöhung der sonstigen Masseverbindlichkeiten um 90.000 € ausgeglichen und aus der Differenz von hier 10.000 € hätte die Masse bei einer Verwertung durch den Insolvenzverwalter die Kostenbeiträge nach § 171 InsO von 9 %, mithin 9.000 € erhalten. Die wirtschaftliche Verbesserung der Insolvenzgläubiger beträgt in diesem Fall also nur 1.000 €. Daher ist für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 der Wert des Gegenstandes um den Abfindungsbetrag der abzuziehen. In diesem Fall können damit nur 10.000 € in die Berechnungsgrundlage aufgenommen werden.
Rdnr. 200 § 1 Abs. 2 Nr. 2 sieht hierbei vor, dass von dem 'Sachwert' der betroffenen Gegenstände die aus der Masse hierfür gewährte Leistung abgezogen wird. Hierzu hat der Insolvenzverwalter spätestens in seinem Vergütungsantrag gem. § 8 Abs. 2 in nachvollziehbarer Weise vorzutragen. Solange als 'Sachwert' in diesem Sinne der im Rahmen der Verwertung erlöste Betrag berücksichtigt wird und somit der der Masse und damit den Insolvenzgläubigern letztlich auch tatsächlich zufließende Betrag ermittelt wird, entsteht eine angemessene Berücksichtigung dieses Vorgangs im Rahmen der Berechnungsgrundlage. Problematisch können jedoch Fallkonstellationen sein, in denen sich zwischen dem Zeitpunkt der Abfindung der Aus- und Absonderungsrechte und der Verwertung der 'Sachwert' verändert. Ein eventueller Wertzuwachs und damit eine Erhöhung der für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse ist in jedem Fall zu berücksichtigen; dieser Zuwachs erhöht die Berechnungsgrundlage nach § 1 und damit die Vergütung des Insolvenzverwalters. Gleiches muss dabei auch für die Fälle gelten, in denen sich der Wert der entsprechenden Gegenstände zwischen dem Zeitpunkt der Abfindung und einer späteren Verwertung verringert. Grundsätzlich bemisst sich die Vergütung des Insolvenzverwalters gem. § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO nach dem Wert der Insolvenzmasse zum Zeitpunkt der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt beinhaltet die Insolvenzmasse nicht (mehr) einen evtl. höheren Wert des Gegenstands mit den abgefundenen Aus- und Absonderungsrechten, sondern nur (noch) den aus der Verwertung dieses Betrags tatsächlich zugeflossenen Betrag. Genauso wie eine positive Berücksichtigung hierdurch berücksichtigt wird, wäre auch eine negative Entwicklung zu berücksichtigen. Die gegenteilige Ansicht, wonach als 'Sachwert' im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 auch ein den Verwertungserlös überschießender fiktiver Betrag zum Zeitpunkt der Abfindung berücksichtigt werden könnte, kollidiert mit der grundlegenden Regel des § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO.1 Wurde durch den Insolvenzverwalter eine Leistung erbracht, deren Wert den Sachwert entspr. § 1 Abs. 2 Nr. 2 übersteigt, verringert sich der Wert der Berechnungsgrundlage nicht um den Wert der Zuvielzahlung, da die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 2 nur zu einer Verringerung des berücksichtigungsfähigen Sachwerts bis auf maximal Null € führt, im Übrigen jedoch eine den Sachwert überschießende Zahlung gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 1 unbeachtlich ist. Die wirtschaftlich betrachtet erfolgte Zuvielzahlung könnte einen Haftungsanspruch gegen den Insolvenzverwalter begründen, soweit in dem weiteren Zusammenhang keine ausgleichende Verbesserung stattgefunden hat. Ein solcher Haftungsanspruch kann jedoch keine Berücksichtigung bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage und des Berechnungswerts finden.
Rdnr. 201 Durch die Abfindung der Aus- und Absonderungsrechte wird der entsprechende Gegenstand lastenfrei. Für die Vergütungsbemessung ist er mit Ausnahme der Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 2 auch als unbelasteter Gegenstand zu behandeln. Damit scheidet eine entsprechende Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 aus.1 Gegen eine Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 spricht auch, dass aus der Verwertung des inzwischen lastenfreien Gegenstands keine Feststellungs- oder Verwertungspauschalen eingehen. Der Insolvenzverwalter wird unabhängig von einem evtl. zu berücksichtigenden Zuschlag nach § 3 Abs. 1 bereits durch den Überschuss des Sachwerts gegenüber dem Abfindungsbetrag etwas bessergestellt.
3. Berücksichtigung eines Aufrechnungsüberschusses, § 1 Abs. 2 Nr. 3
Rdnr. 202 Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 ist nichtig. Sie hierzu die Ausführungen zur Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2, oben Rdnr. 91b ff. bzw. den Beitrag zu Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 InsVV als PDF. In der nachfolgenden Kommentierung wird diese Rechtsansicht außer Acht gelassen, damit Rechtsanwender, welche die Regelungen des § 1 Abs. 2 gleichwohl anwenden wollen oder müssen, in sachgerechter Weise diese Normierungen umsetzen können.
Rdnr. 203 Ähnlich der Regelung nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 für die Abfindung von Aus- und Absonderungsrechten ist bei einer Verrechnung einer der Insolvenzmasse zustehenden Forderung mit einer Gegenforderung eines Dritten nicht allein der Wert der der Insolvenzmasse zustehenden Forderung maßgeblich, sondern der sich für die Insolvenzmasse aus der Verrechnung ergebende Überschuss. Voraussetzung ist für diese Beschränkung der Berechnungsgrundlage, dass sich die Forderung der Insolvenzmasse und die jeweilige Gegenforderung aufrechenbar oder sonst verrechenbar gegenüberstehen.1 Es muss sich dabei daher um eine Aufrechnungslage entsprechend §§ 94 bis 96 InsO handeln.2 Nur dann besteht eine den Verrechnungsgläubiger bevorzugende, einem Absonderungsrecht ähnliche Rechtsposition.1 Eine Aufrechnung eines Gläubigers mit Masseschuldansprüchen fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 Nr. 3, da gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Masseverbindlichkeiten grundsätzlich nicht zu berücksichtigen und dementsprechend nur in den in § 1 Abs. 2 Nr. 4 benannten Ausnahmen abzuziehen sind.3 Hierzu gehören die im Verfahren bezahlten Umsatzsteuern und erhaltenen Vorsteuererstattungen, welche nicht über § 1 Abs. 2 Nr. 3 zu berücksichtigen sind, soweit es sich nicht um Verrechnungen innerhalb des jeweiligen Voranmeldezeitraums handelt.4 Macht der Insolvenzgläubiger von einer ihm zustehenden Aufrechnungsbefugnis keinen Gebrauch, ist die gesamte Forderungssumme ohne eine Einschränkung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen.5
2 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 82; Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 40; BK-InsO-Blersch, Stand Februar 2009, § 1 InsVV Rdnr. 16; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 79
3 Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 85; Amberger in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsVV, 1. Aufl. 2014, § 1 Rdnr. 77; Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 40; BK-InsO-Blersch, Stand Februar 2009, § 1 InsVV Rdnr. 16; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 81; Eickmann in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 23. Lfg. Stand 5/05, § 1 Rdnr. 43
4 LG Frankfurt/O. v. 24.11.2000 - 6 (a) T 370/00, ZInsO 2001, 23 (zu § 2 Nr. 4 VergVO); Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 83; Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 40; BK-InsO-Blersch, Stand Februar 2009, § 1 InsVV Rdnr. 16; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 80; Eickmann in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 23. Lfg. Stand 5/05, § 1 Rdnr. 43
5 MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 27
4. Auswirkung der Kosten des Insolvenzverfahrens und der sonstigen Masseverbindlichkeiten auf die Berechnungsgrundlage, § 1 Abs. 2 Nr. 4*
(* Siehe hierzu: Wipperfürth/Graeber, InsbürO 2021, 429)a. Grundsatz: Keine Berücksichtigung in der Berechnungsgrundlage, § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1
Rdnr. 204 Entsprechend § 1 Abs. 1 berechnet sich die Vergütung des Insolvenzverwalters nach dem Wert der Insolvenzmasse. Deren Gesamtwert ist jedoch am Ende eines Insolvenzverfahrens nicht mehr vollständig vorhanden, da der Insolvenzverwalter entsprechend § 53 InsO gezwungen ist, bereits während des Verfahrens die Kosten nach § 54 InsO1 und die sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO zu befriedigen. Bereits hieraus ergibt sich eine Differenz zwischen dem für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehenden Betrags zu der für die Berechnung des Insolvenzverfahrens maßgeblichen Berechnungsgrundlage.
Rdnr. 205 Die InsVV stellt mit § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 klar, dass die Basis der Vergütung des Insolvenzverwalters grundsätzlich unabhängig von dem an die Gläubiger zu verteilenden Betrag ist. Auch wenn insbesondere die sonstigen Masseverbindlichkeiten des Verfahrens die Befriedigungsquote der Insolvenzgläubiger verringern, wird nach dem Grundsatz von § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 die Vergütung des Insolvenzverwalters hiervon nur ausnahmsweise beeinflusst. Die Regelungen des § 1 Abs. 2 zur Behandlung von Masseverbindlichkeiten sind abschließend und lassen keinen Ermessensspielraum zu.1 Dementsprechend sind z.B. Betriebskosten, welche der Masse aus einer vermieteten Immobilie entstehen und welche durch Zahlungen des Mieters ausgeglichen werden, nur dann entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) zu berücksichtigen, wenn diese Vermietung als Unternehmensfortführung zu qualifizieren ist.2
2 So ohne Einschränkung Prasser/Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, Stand 4/15, § 1 InsVV Rdnr. 59 und wieder einschränkend in Rdnr. 77; Amberger in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsVV, 1. Aufl. 2014, § 1 Rdnr. 78
Kernentscheidung
Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV werden die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten grundsätzlich nicht abgesetzt.
BGH v. 16.10.2008 - IX ZB 179/07, NZI 2009, 49 = ZInsO 2008, 1262
BGH v. 05.03.2015 - IX ZR 164/14, NZI 2015, 362 = ZInsO 2015, 742; BGH v. 18.12.2014 - IX ZB 5/13, DZWIR 2015, 327 = NZI 2015, 187 = ZInsO 2015, 221
b. Ausnahme: Abzug von Vergütungen für besondere Sachkunde nach § 5, § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a)
Rdnr. 206 Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a) ist nichtig. Sie hierzu die Ausführungen zur Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2, oben Rdnr. 91b ff. bzw. den Beitrag zu Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 InsVV als PDF. In der nachfolgenden Kommentierung wird diese Rechtsansicht außer Acht gelassen, damit Rechtsanwender, welche die Regelungen des § 1 Abs. 2 gleichwohl anwenden wollen oder müssen, in sachgerechter Weise diese Normierungen umsetzen können.
Rdnr. 207 Gebühren und Auslagen, welche der Insolvenzverwalter entsprechend § 5 gesondert neben seiner Verwaltervergütung erhält und unabhängig von der Festsetzung der Verwaltervergütung aus der Masse entnehmen kann, sind von dem Wert der Insolvenzmasse entsprechend § 1 abzuziehen, § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a). Neben der weiteren Regelung unter dem Buchstaben b) ist dies eine Ausnahme von dem in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 geregelten Grundsatz, die Höhe der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht von der Höhe der Kosten des Insolvenzverfahrens und den sonstigen Masseverbindlichkeiten beeinflussen zu lassen.
Kernentscheidung
Die Regelung, dass Beträge, die der Verwalter als Vergütung für den Einsatz besonderer Sachkunde erhält, von dem die Vergütung des Insolvenzverwalters bestimmenden Wert der Insolvenzmasse abgezogen werden, entspricht der Ermächtigungsgrundlage und ist verfassungsmäßig.
BGH v. 29.09.2011 - IX ZB 112/09, NZI 2011, 941 = ZInsO 2011, 2051
Rdnr. 208 Der Abzug für Gebühren und Auslagen im Sinne des § 5 ist seinem Wortlaut nach eng auszulegen. Abzugsfähig sind daher auch nur die Gebühren und Auslagen, welche dem Insolvenzverwalter persönlich und direkt zukommen. Eine indirekte wirtschaftliche Beteiligung an solchen Gebühren und Auslagen in dem Wege, dass die Anwaltssozietät des Insolvenzverwalters anwaltliche Tätigkeiten gegenüber der Insolvenzmasse abrechnet, wovon der Insolvenzverwalter als Sozietätsmitglied evtl. mitprofitiert, rechtfertigt eine Anwendung der Ausnahmeregelung der §§ 5, 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a) nicht.1 Die von einigen Untergerichten vorgenommene (zu) weite Auslegung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a) in der Weise, dass auch evtl. Beteiligungen des Insolvenzverwalters an Gläubigern sonstiger Masseverbindlichkeiten als Fall des § 5 angesehen werden, widerspricht der Regelung und dem Regelungszweck des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a).2 Daher kommt ein Abzug in diesem Sinne nur für Fälle in Betracht, in denen eine sonstige Masseverbindlichkeit von dem Insolvenzverwalter allein und persönlich in Rechnung gestellt worden ist.3
2 BGH v. 11.11.2004 - IX ZB 48/04, NZI 2005, 103 = ZInsO 2004, 1348; BGH v. 05.07.2007 - IX ZB 305/04, NZI 2007, 583 = ZInsO 2007, 813. Dies wird von MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 32 als formalistisch kritisiert.
3 BGH v. 05.07.2007 - IX ZB 305/04, NZI 2007, 583 = ZInsO 2007, 813
Kernentscheidung
Die an die Sozietät des Insolvenzverwalters gezahlten Beträge sind in die Berechnungsgrundlage gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 InsVV einzurechnen. Sie werden gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 InsVV nicht abgesetzt.
BGH v. 05.07.2007 - IX ZB 305/04, NZI 2007, 583 = ZInsO 2007, 813
Rdnr. 209 Abzuziehen ist nicht nur die Vergütung nach § 5 im eigentlichen Sinne, sondern auch die neben der Vergütung zustehenden Auslagen.1 Aus der Formulierung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. a), wonach die Beträge abzusetzen sind, die der Verwalter nach § 5 als Vergütung erhält, ist entgegen Haarmeyer2 nicht zu schließen, dass nur der Teil, der beispielsweise nach dem RVG als Vergütung und nicht als Auslagen zu behandeln ist, abzusetzen ist. Die Auslagen berechnen sich in der Regel als Pauschale, ohne dass es darauf ankäme, ob tatsächlich Kosten in Höhe der Auslagenfestsetzung entstanden wären. Damit stellen sich die pauschalen Auslagen als Vergütung im weiteren Sinne dar. Daher ist der gesamte gem. § 5 aus der Masse an den Insolvenzverwalter geleistete Betrag abzusetzen.
2 Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 85; ebenso KBP/Eickmann/Prasser, InsVV, Stand 26. Lfg. 8/06, § 1 Rdnr. 46
Rdnr. 210 Dies gilt in gleicher Weise für die in diesem Betrag enthaltene Umsatzsteuer. Dabei spielt es für die Absetzung nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a) keine Rolle, ob die Insolvenzschuldnerin bzw. die Masse vorsteuerabzugsberechtigt ist.1 Sollte dies der Fall sein, fließt der entsprechende Umsatzsteuerbetrag wieder in die Masse zurück und ist als Bestandteil der Insolvenzmasse bei der Ermittlung des Berechnungswerts auch zu Gunsten des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Ob die besondere Vergütung nach § 5 beispielsweise aus einem gerichtlichen Streitverfahren durch den dort unterlegenen Gegner der Insolvenzmasse ersetzt wird, ist ohne Belang; auch bei einem Ersatz dieser Kosten ist der Abzug der Beträge nach § 5 vorzunehmen und die Leistung an die Masse daneben zu berücksichtigen.2
2 Anders Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 87.
Rdnr. 211 Die Beauftragung von mit dem Insolvenzverwalter wirtschaftlich verbundener Gesellschaft wird teilweise kritisiert, da dies dem Insolvenzverwalter ermögliche, indirekte Vergütungen zu erhalten. Dies ist falsch, da ein Insolvenzverwalter grundsätzlich berechtigt ist, auch ihm nahestehende Personen und Unternehmen zu beauftragen, soweit er dabei seinen Anzeigepflichten1 gegenüber dem Insolvenzgericht ordnungsgemäß nachkommt. Kann ein Insolvenzverwalter eine besondere Aufgabe entsprechend § 5 selbst übernehmen, darf er sie auch auf nahestehende Personen übertragen.2 Macht ein Insolvenzverwalter von dieser Möglichkeit Gebrauch, sollte dies kein Grund für Kritik sein.
2 BGH v. 11.11.2004 - IX ZB 48/04, NZI 2005, 103 = ZInsO 2004, 1348
c. Ausnahme: Begrenzung auf den Überschuss einer Unternehmensfortführung, § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b)
Rdnr. 212 Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) ist nichtig. Sie hierzu die Ausführungen zur Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2, oben Rdnr. 91b ff. bzw. den Beitrag zu Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 InsVV als PDF. In der nachfolgenden Kommentierung wird diese Rechtsansicht außer Acht gelassen, damit Rechtsanwender, welche die Regelungen des § 1 Abs. 2 gleichwohl anwenden wollen oder müssen, in sachgerechter Weise diese Normierungen umsetzen können.
Rdnr. 213 Für den Fall einer Unternehmensfortführung während des Insolvenzverfahrens sieht § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) eine weitere Ausnahme für die Behandlung sonstiger Masseverbindlichkeiten vor. Eine Unternehmensfortführung wird nur dann möglich sein, wenn auch die hierdurch verursachten Verbindlichkeiten für Warenlieferungen, Dienstleistungen, Energie, Kommunikation, Versicherungen usw. während des Insolvenzverfahrens befriedigt werden. Diese Verbindlichkeiten der Insolvenzmasse sind sonstige Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO und entsprechend § 53 InsO vorab zu berichtigen. Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall, dass der Insolvenzverwalter eine Fortführung des schuldnerischen Unternehmens durchgeführt hat. Hat beispielsweise ein neben dem Insolvenzverwalter stehender Zwangsverwalter die Möglichkeit wahrgenommen, auf dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstück die Geschäftstätigkeit des Insolvenzschuldners fortzusetzen, liegt eine Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. b) nicht vor. Dies schließt angesichts des Ausnahmecharakters des § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. b) eine Anrechnung von Ausgaben einer Unternehmensfortführung grundsätzlich aus, so dass nicht zu entscheiden ist, ob eine bestimmte Ausgabe eventuell dem Insolvenzverwalter aus einem tatsächlichen Handeln oder aus rechtlichen Gründen zuzurechnen wäre.
Rdnr. 214 Ohne die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) würde eine Unternehmensfortführung mit ihrer regelmäßigen Veräußerung zuvor eingekaufter Ware bzw. der Berechnung von Dienstleistungen, welche vom Insolvenzschuldner an die eigenen Mitarbeiter zu vergüten ist, zu einem Anschwellen des formalen Wertes der Insolvenzmasse im Sinne des § 1 Abs. 1 und damit der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung führen, ohne dass dies wirtschaftlich gerechtfertigt wäre. Selbst ein Einkauf von Waren zu einem Preis von 100.000 € und einem Weiterverkauf zu diesem Einkaufspreis, welcher wirtschaftlich betrachtet zu keiner Wertveränderung der Insolvenzmasse führt, würde nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 zu einer Erhöhung der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung um diese 100.000 € führen, sähe § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) nicht eine Ausnahme für die Ausgaben während einer Unternehmensfortführung vor. Unter eine Unternehmensfortführung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) fallen alle Tätigkeiten, welche aus dem Blickwinkel eines Unbeteiligten eine Fortsetzung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin darstellen, soweit sich diese Tätigkeit nicht allein in einem Verkauf von Massegegenständen beschränkt, sondern mit einem Hinzukauf von Material, Waren usw. verbunden ist. Ein sog. Insolvenzverkauf ist daher nur dann als eine Unternehmensfortführung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 Buchst. b) zu behandeln, wenn hierzu durch den Insolvenzverwalter Material und Waren angeschafft werden, welche direkt oder indirekt in diesem Insolvenzverkauf veräußert werden sollen.1 Die evtl. von dem Insolvenzverwalter selbst vorgebrachte Beurteilung für oder gegen eine Bewertung seiner Tätigkeiten als Unternehmensfortführung in diesem Sinne sind bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Buchst. b) vorliegen, zu berücksichtigen.
Kernentscheidung
Auch eine sogenannte Ausproduktion oder Auslaufproduktion stellt eine Unternehmensfortführung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) dar.
BGH v. 07.10.2010 - IX ZB 115/08, ZInsO 2010, 2409
BGH v. 27.09.2012 - IX ZB 243/11, ZInsO 2013, 840
(anders jedoch MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 36)
aa) Berücksichtigung sämtlicher Ausgaben während und für die Betriebsfortführung
Rdnr. 215 Entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) sind sämtliche aus der Fortführung des Unternehmens resultierenden Ausgaben und nicht etwa nur ein Teil dieser Betriebsausgaben zu berücksichtigen.1 Daher sind auch die jeweiligen Brutto-Beträge anzusetzen. Maßgebend ist allein, ob tatsächlich Ausgaben während und für die Betriebsfortführung angefallen sind.1 Es ist daher auf den Leistungszeitpunkt und nicht etwa auf die Rechnungsstellung abzustellen. Ob die entsprechende Leistung noch im Eröffnungsverfahren genutzt wird oder faktisch für das eröffnete Insolvenzverfahren Verwendung finden soll, ist unbeachtlich, da auch eine Anschaffung von "Vorräten" eine Ausgabe der Unternehmensfortführung darstellt. Soweit es sich um Verbindlichkeiten handelt, die aus Dauerschuldverhältnissen entstehen, die noch vom Schuldner begründet worden und nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu Masseverbindlichkeiten geworden sind, weil deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss, gilt grundsätzlich nichts anderes.1 Auch oktroyierte Masseverbindlichkeiten für Leistungen, die für die Unternehmensfortführung tatsächlich in Anspruch genommen wurden, sind als Ausgaben zu berücksichtigen.2 Eingegangene Verbindlichkeiten sind hierbei zu berücksichtigen, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese Verbindlichkeiten bereits berechnet bzw. erfüllt worden sind.3 Hierbei ist auch die Einkommensteuer einzurechnen, die durch die Fortführung des Unternehmens als Masseverbindlichkeit entsteht.4 Gleiches gilt für den an den Insolvenzschuldner gezahlten Lohn.5 Auch Ausgaben für Anschaffungen zur Betriebsfortführung sind in Abzug zu bringen.4 Auch die im Zuge einer Betriebsfortführung vereinnahmten Umsatzsteuern sind in die Überschussrechnung einzustellen.6 Im Rahmen der Überschussermittlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b ist für die angeschafften Wirtschaftsgüter keine Abschreibung wie im Steuerrecht im Sinne einer Absetzung für Abnutzung vorzunehmen.4 Entscheidend ist allein der tatsächliche Geldfluss, also eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung. Der noch vorhandene Wert der angeschafften Wirtschaftsgüter kommt bei dem in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigenden Wert des Unternehmens zum Ansatz, je nach den Umständen zum Fortführungs- oder Zerschlagungswert.4 Die Einnahmen- und Ausgaben des Eröffnungsverfahren haben bei der Ermittlung des Ergebnisses der Betriebsfortführung des eröffneten Insolvenzverfahrens außer Betracht zu bleiben.7 Entscheidend ist die Zuordnung von Verbindlichkeiten zu dem Verfahrensabschnitt, in welchem sie begründet worden sind; auf die tatsächliche Begleichung kommt es nicht an.8 Jedoch sind die im Eröffnungsverfahren begründeten, aber bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichenen Masseverbindlichkeiten regelmäßig vom Wert der Insolvenzmasse abzusetzen (soweit andernfalls der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters mehr als der im Eröffnungsverfahren erzielte Fortführungsüberschuss zugrunde gelegt würde).9
2 BGH v. 16.10.2008 - IX ZB 179/07, NZI 2009, 49 = ZInsO 2008, 1262; BGH v. 04.05.2006 - IX ZB 202/05, NZI 2006, 595 = ZInsO 2006, 703; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 94
3 MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 35
4 BGH v. 18.12.2014 - IX ZB 5/13, DZWIR 2015, 327 = NZI 2015, 187 = ZInsO 2015, 221; LG Regensburg v. 07.12.2012 - 2 T 322/11 (Vorinstanz zu BGH IX ZB 5/13)
5 BGH v. 18.12.2014 - IX ZB 5/13, DZWIR 2015, 327 = NZI 2015, 187 = ZInsO 2015, 221; BGH v. 04.05.2006 - IX ZB 202/05, NZI 2006, 595 = ZInsO 2006, 703
6 BGH v. 07.10.2021 - IX ZB 42/20, NZI 2022, 233 = ZInsO 2022, 167
7 BGH v. 02.03.2017 - IX ZB 90/15, Rdnr. 8, NZI 2017, 544 = ZInsO 2017, 1051
8 Keller, EWiR 2017, 376
9 BGH v. 02.03.2017 - IX ZB 90/15, NZI 2017, 544 = ZInsO 2017, 1051; BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 23/16, ZInsO 2017, 982
Beispiel zur Behandlung von nicht oder nicht vollständig befriedigten Masseverbindlichkeiten des Eröffnungsverfahrens in der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzverwalters eröffneten Verfahrens:
Am Ende der vorläufigen Verwaltung ist ein Vermögen des Insolvenzschuldners im Wert von 100.000 € vorhanden. In diesem Betrag wurden weder Einnahmen noch Ausgaben aus einer Unternehmensfortführung berücksichtigt.
Der vorläufige Verwalter hatte im Eröffnungsverfahren das schuldnerische Unternehmen fortgeführt. Hierdurch konnten Erlöse im Wert von 55.000 € erzielt werden. Diese 55.000 € sind in den vorgenannten 100.000 € nicht enthalten.
Durch die Unternehmensfortführung entstanden einerseits Kosten i.H.v. 25.000 €, welche bereits im Verfahren ausgeglichen wurden. Bei Beendigung der vorläufigen Verwaltung wies dementsprechend das Sonderkonto für die Unternehmensfortführung einen Bestand von 30.000 € auf.
Weitere Verbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung i.H.v. 30.000 € konnten während des Eröffnungsverfahrens noch nicht beglichen werden.Für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist von einer Berechnungsgrundlage von 100.000 € auszugehen.
Dem darüber hinaus bestehenden Kontoguthaben aus der Unternehmensfortführung in Höhe von 30.000 € sind die noch offenen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung in Höhe von ebenfalls 30.000 € gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) InsVV gegenzurechnen.Der Insolvenzverwalter des eröffneten Insolvenzverfahrens findet dementsprechend eine Insolvenzmasse mit einem Wert von 130.000 € vor, welche sich aus dem einen Konto mit 100.000 € und dem Sonderkonto für die Unternehmensfortführung mit 30.000 € zusammensetzt.
Im Laufe des Verfahrens wird er jedoch gemäß § 55 Abs. 2 InsO die noch verbliebenen sonstigen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung während des Eröffnungsverfahrens i.H.v. 30.000 € befriedigen müssen.
Auch wenn diese Masseverbindlichkeiten nicht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) InsVV bei der Bemessung der Insolvenzmasse des eröffneten Insolvenzverfahrens anzurechnen sind, ist nach der Entscheidung des BGH1 die Insolvenzmasse um diesen Betrag zu kürzen. Im Ergebnis beträgt der Wert der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters des eröffneten Insolvenzverfahrens dann nicht 130.000 €, sondern wegen des Abzugs der noch offenen 30.000 € aus dem Eröffnungsverfahren nur 100.000 €.___________________________________________________
Das gleiche Beispiel noch einmal, aber diesmal betragen die noch offenen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung im Eröffnungsverfahren nicht 30.000 €, sondern nur 15.000 €.
Dann sind auch nur diese 15.000 € abzuziehen, wodurch von den ursprünglichen 130.000 € noch 115.000 € als Berechnungsgrundlage der Vergütungen des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzverwalters des eröffneten Verfahrens verbleiben.___________________________________________________
Wenn die offenen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung des Eröffnungsverfahrens den noch vorhandenen Überschuss übersteigen, ist darauf zu achten, dass die nachträgliche Saldierung entsprechend der Rechtsprechung des BGH nicht dazu führt, dass der Wert aus der sonstigen Insolvenzmasse beeinträchtigt wird.
Betragen die noch offenen sonstigen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung des Eröffnungsverfahrens in Abwandlung des Beispiels nicht nur 30.000 €, sondern 55.000 €, so wirkt sich dies wie folgt auf die Berechnungsgrundlage der Vergütungen der beide Insolvenzverwalter aus:
Der bei Eröffnung des Verfahrens vorhandene Fortführungsüberschuss von 30.000 € ist um die im eröffneten Insolvenzverfahren beglichenen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung des Eröffnungsverfahrens gemäß § 55 Abs. 2 InsO von hier 55.000 € zu reduzieren. Die Reduzierung ist jedoch limitiert auf den Betrag des Überschusses, also auf hier 30.000 €.
Die vom Insolvenzverwalter bei Eröffnung vorgefunden Insolvenzmasse von 130.000 € ist daher in diesem Fall nicht um 55.000 € zu reduzieren, sondern nur um 30.000 €, da nur dies der Fortführungsüberschuss aus dem Eröffnungsverfahren ist. (Dass den Insolvenzgläubigern dadurch nicht nur 30.000 €, sondern tatsächlich 55.000 € weniger für Ihre Befriedigung zur Verfügung stehen, ist für die Bemessung der Vergütung des Insolvenzverwalters ohne Belang.)Um die Berechnung entsprechend der Rechtsprechung des BGH korrekt vornehmen zu können, haben der Insolvenzverwalter und das Insolvenzgerichte darauf zu achten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter den Wert der Fortführungseinnahmen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) InsVV, die Fortführungsausgaben während des Eröffnungsverfahrens in diesem Sinne sowie die im Eröffnungsverfahren begründeten aber noch offenen, erst in eröffneten Insolvenzverfahren zu befriedigenden Forschungsausgaben genau und unterscheidbar darstellt. Der Insolvenzverwalter des eröffneten Insolvenzverfahrens hat die Zahlungen auf Masseverbindlichkeiten aus einer Unternehmensfortführung klar danach zu unterscheiden, ob diese Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren oder dem eröffneten Verfahren stammen. Die Verrechnung entsprechend der Rechtsbrechung des BGH ist im Vergütungsantrag deutlich und nachvollziehbar darzustellen.
1 BGH v. 02.03.2017 - IX ZB 90/15, NZI 2017, 544 = ZInsO 2017, 1051; BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 23/16, ZInsO 2017, 982
Rdnr. 216 Die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) ist nicht über ihren Anwendungsbereich hinaus zu Lasten des Insolvenzverwalters auszudehnen. Diese Ausnahme betrifft nur die Fälle einer Unternehmensfortführung während des Insolvenzverfahrens und auch nur die Behandlung der Ein- und Ausgaben dieser Unternehmensfortführung. Die Vergütung des Insolvenzverwalters ist dabei nicht als Ausgabe der Unternehmensfortführung zu behandeln, auch wenn der Insolvenzverwalter über einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 Buchst. b) hierfür eine besondere Vergütung erhält.1
Kernentscheidung
Wird ein Unternehmen des Insolvenzschuldners nicht fortgeführt, sind die aus der vorherigen unternehmerischen Tätigkeit herrührenden Kündigungsfristlöhne nicht entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) von der Masse abzuziehen.
BGH v. 16.10.2008 - IX ZB 179/07, NZI 2009, 49 = ZInsO 2008, 1262
Rdnr. 217 Es obliegt es dem Insolvenzverwalter, eine Abgrenzung der für die Unternehmensfortführung erforderlichen Kosten gegenüber denjenigen vorzunehmen, die nicht im Zusammenhang mit der Betriebsfortführung entstanden sind.1 Dies kann z.B. hinsichtlich Steuerberatungshonorare, Grundsteuern oder Kosten einer Wasserversorgung problematisch sein.1 Auch die Kosten des Insolvenzschuldners selbst können zu berücksichtigen sein.2 Tatsächlich schwierig kann es sein, die Beträge der Einkommensteuer darzustellen, die durch die Fortführung des Unternehmens als Masseverbindlichkeit entsteht und dementsprechend in der Überschussberechnung zu berücksichtigen sind.3 Macht ein Insolvenzverwalter von einem Kündigungsrecht nach § 109 InsO keinen Gebrauch gemacht, sind die Kosten des Miet- bzw. Pachtverhältnisses den Kosten einer Unternehmensfortführung zuzurechnen.4 Hatte der Insolvenzverwalter hinsichtlich einzelner Kosten der Unternehmensfortführung (beispielsweise für Miet- und Pachtzinsen für einen bestimmten Zeitraum) mit dem späteren Erwerber des Unternehmens vereinbart, dass dieser die Insolvenzmasse als Teil seiner Zahlungspflichten im Rahmen des Unternehmenserwerbs von diesen Verpflichtungen frei hält, so ist im Einzelfall je nach tatsächlichen Ablauf der Zahlungen eine Anrechnung auf die Fortführungseinnahmen entsprechend § 1 Abs. 4 S. 2 Buchst. b) vorzunehmen: Hatte der Insolvenzverwalter die Miet- und Pachtzinsen aus der Insolvenzmasse für den Zeitraum der Unternehmensfortführung geleistet, sind diese auch dann als Ausgaben der Unternehmensfortführung zu werden, wenn der Insolvenzmasse später als Bestandteil der Verpflichtungen des Erwerbers ein entsprechender Geldbetrag zufließt, da dieser Geldbetrag keine Einnahme der Unternehmensfortführung sondern nur eine Folge der Vereinbarung aus der Unternehmensübertragung ist. Musste die Insolvenzmasse nicht in Anspruch genommen werden da der Erwerber entsprechend seiner Verpflichtung direkt an den Vermieter bzw. Verpächter gezahlt hat, sind auch keine (fiktiven) Ausgaben der Unternehmensfortführung zu verbuchen. Gleichzeitig liegen aber auch hier keine Einnahmen im Rahmen der Unternehmensfortführung vor. Der Wert der entsprechenden Verpflichtung des Erwerbers ist jedoch in die Bewertung des Wertes der Insolvenzmasse einzubeziehen, ohne dass es buchungstechnisch zu einem entsprechenden Zufluss auf einem Massekonto gekommen sein muss.
2 BGH v. 04.05.2006 - IX ZB 202/05, NZI 2006, 595 = ZInsO 2006, 703
3 BGH v. 18.12.2014 - IX ZB 5/13, DZWIR 2015, 327 = NZI 2015, 187 = ZInsO 2015, 221; LG Regensburg v. 07.12.2012 - 2 T 322/11 (Vorinstanz zu BGH IX ZB 5/13)
4 BGH v. 24.05.2005 - IX ZB 6/03, NZI 2005, 567 = ZInsO 2005, 760
Kernentscheidung
a) Arbeitet der Schuldner in dem vom Insolvenzverwalter fortgeführten Betrieb weiter mit und erhält er im Gegenzug aus der Insolvenzmasse finanzielle Zuwendungen, ist zu vermuten, dass damit seine Mitarbeit abgegolten worden ist und es sich nicht um Unterhalt handelt.
b) Will der Insolvenzverwalter, der den Betrieb des Schuldners fortführt, vermeiden, dass die finanziellen Zuwendungen an den im Betrieb weiter mitarbeitenden Schuldner das als Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters einzustellende Betriebsergebnis schmälern, muss er die Vermutung widerlegen, dass mit den Zuwendungen der Arbeitseinsatz des Schuldners vergütet wird.BGH v. 04.05.2006 - IX ZB 202/05, NZI 2006, 595 = ZInsO 2006, 703
Rdnr. 218 Ob die Unternehmensfortführung auf einem Beschluss der Gläubigerversammlung beruht oder nicht, ist für die Berechnung nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) ohne Belang. Eine zeitliche Abgrenzung zwischen den Zeiträumen vor und nach dem Beschluss der Gläubigerversammlung gemäß § 157 Satz 1 InsO findet in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) keine Grundlage. Vielmehr ist eine einheitliche Berechnung für den gesamten Zeitraum der Unternehmensfortführung vorzunehmen.1
bb) Notwendigkeit einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung
Rdnr. 219 In Insolvenzverfahren, in denen das schuldnerische Unternehmen zeitweise fortgeführt worden ist, hat der Insolvenzverwalter zum Zwecke der Ermittlung, welcher Wert evtl. für die Berechnung der Verwaltervergütung entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) berücksichtigt werden kann, eine die Unternehmensfortführung betreffende Ein- und Ausgabenrechnung vorzulegen.1 In diese Berechnung sind die vereinnahmten Umsatzsteuern aufzunehmen.2 Ergibt die Ein- und Ausgabenrechnung einen Überschuss der Einnahmen aus der Unternehmensfortführung gegenüber den Ausgaben für diese Unternehmensfortführung, ist dieser Überschuss - und nicht etwa die Einnahmen insgesamt - in die Berechnung des Wertes der Insolvenzmasse nach § 1 Abs. 1 aufzunehmen.3 Übersteigen die Kosten der Unternehmensfortführung deren Einnahmen, sind keinerlei Einnahmen der Unternehmensfortführung in die Berechnungsgrundlage nach § 1 Abs. 1 aufzunehmen. Die die Einnahmen übersteigenden Ausgaben wirken darüber hinaus nicht auf die Berechnungsgrundlage nach § 1 Abs. 1 ein. Auf eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn die Geschäftstätigkeit der Insolvenzschuldnerin umfangreich gewesen ist.4 Probleme der Praxis, in welchen nicht alle einzelnen Vorgänge detailliert abgebildet werden können, kann durch geeignete Zusammenfassungen begegnet werden. Ein vollständiger Verzicht ist dagegen in keinem Fall zulässig, da er das Verwalterhandeln vollkommen intransparent machen würde. Dementsprechend ist im Fall einer Betriebsfortführung eine gesonderte Aufstellung der damit verbundenen Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich auch in den Fällen von dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter vorzulegen, in denen die Betriebsfortführung mit einem Verlust endet.5
2 BGH v. 07.10.2021 - IX ZB 42/20, NZI 2022, 233 = ZInsO 2022, 167
3 BGH v. 01.07.2010 - IX ZB 208/08, NZI 2010, 942
4 In der Praxis anders das AG Essen v. 30.09.2010 - 160 IN 107/09, welches ohne Begründung hierzu bei einer Unternehmensfortführung über 13 Monate mit mehr als 25.000 Arbeitnehmern, 133 Betriebsstätten und einem Berechnungswert von rund 1 Milliarde € ohne eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung im Vergütungsantrag und ohne etwaige Vergleichsrechnungen "die Vergütung und die Auslagen des/der Insolvenzverwalters/in" um 400 % mit der Begründung "Im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit der Geschäftsführung in diesem Verfahren ist die Festsetzung des 5-fachen Regelsatzes und damit auf den Betrag von 27.151.250,00 EUR gerechtfertigt" erhöhte. Mit einer solchen Begründung kann jede noch so hohe oder niedrige Festsetzung begründet werden.
5 BGH v. 19.12.2019 - IX ZB 72/18, NZI 2020, 246 = ZInsO 2020, 321
Kernentscheidungen
Im Zuge der Betriebsfortführung vereinnahmte Umsatzsteuern sind in die mit dem Vergütungsantrag vorzulegende Überschussrechnung einzustellen.
BGH v. 07.10.2021 - IX ZB 42/20, NZI 2022, 233 = ZInsO 2022, 167
___________________________________________________Der Vergütungsantrag des (vorläufigen) Insolvenzverwalters hat im Fall einer Betriebsfortführung eine gesonderte Aufstellung der damit verbundenen Einnahmen und Ausgaben zu enthalten (Anschluss an BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007 - IX ZB 106/06, Rn. 15, NZI 2007, 341 = ZInsO 2007, 436). Dies gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in denen die Betriebsfortführung mit einem Verlust endet.
BGH v. 19.12.2019 - IX ZB 72/18, NZI 2020, 246 = ZInsO 2020, 321
Beispielsentscheidung
Ein Vergütungsfestsetzungsantrag muss die zur Überprüfung erforderlichen Angaben enthalten. Den Antragsteller trifft die komplette Darlegungs- und Feststellungslast. Kann ein Überschuss aus der Betriebsfortführung mangels Vorlage von Belegen nicht geprüft werden, ist ein etwaiger Überschuss aus der Fortführung nicht in die Berechnungsgrundlage einzustellen.
AG Cottbus v. 12.06.2023 - 63 IN 358/02, ZInsO 2023, 1794
Rdnr. 220 In die Einnahmen- und Ausgabenrechnung sind alle Geschäftsvorfälle des Zeitraums der Unternehmensfortführung, insbesondere das eröffnete Verfahren getrennt vom Eröffnungsverfahren, aufzunehmen, auch wenn diese evtl. noch nicht fakturiert worden sind.1 Sollte der Insolvenzverwalter nicht von sich aus in der Lage sein, die Höhe der noch nicht gegen die Masse fakturierten Forderungen zu bestimmen, hat er diese spätestens anlässlich seiner Vergütungsabrechnung zu erfragen oder notfalls nachvollziehbar zu schätzen.1 Tatsächlich schwierig kann es sein, die Beträge der Einkommensteuer darzustellen, die durch die Fortführung des Unternehmens als Masseverbindlichkeit entsteht und dementsprechend in der Überschussberechnung zu berücksichtigen sind.2 Ausgaben, die bei einer ordnungsgemäßen Unternehmensfortführung angefallen wären, welche der Insolvenzverwalter jedoch unter Verletzung der ihm obliegenden Pflichten vermieden hat, sind hierbei nicht fiktiv zu berücksichtigen.3
2 BGH v. 18.12.2014 - IX ZB 5/13, DZWIR 2015, 327 = NZI 2015, 187 = ZInsO 2015, 221; LG Regensburg v. 07.12.2012 - 2 T 322/11 (Vorinstanz zu BGH IX ZB 5/13)
3 BGH v. 22.02.2007 - IX ZB 106/06, NZI 2007, 341 = ZInsO 2007, 436; MünchKommInsO-Riedel, 3. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 38
cc) Behandlung von Kündigungsfristlöhnen u.a. Sowieso-Kosten
Rdnr. 221 Arbeitnehmer einer Insolvenzschuldnerin, die während der Kündigungsfristen des § 113 InsO im Rahmen der Unternehmensfortführung beschäftigt werden, sind als Ausgaben im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) zu behandeln.1 Dieser Grundsatz gilt auch für andere, sog. Sowieso-Kosten, also Kosten, die unabhängig davon zu begleichen sind, ob das Unternehmen fortgeführt wurde oder nicht. Immer dann, wenn die Gegenleistung dieser Kosten für die Unternehmensfortführung genutzt wird und damit als Bestandteil der Kosten einer Unternehmensfortführung außerhalb des Insolvenzverfahrens zu betrachten wäre, sind diese Kosten auch in ein Insolvenzverfahren als Kosten im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) zu behandeln. Kosten für Arbeitnehmer, die durch den Insolvenzverwalter nicht im Rahmen einer Unternehmensfortführung beschäftigt werden, sind keine nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) zu berücksichtigende Kosten.2
2 BGH v. 16.10.2008 - IX ZB 179/07, NZI 2009, 49 = ZInsO 2008, 1262; Graeber, InsbürO 2009, 30, 31; Hess, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 58
Kernentscheidung
Führt ein Insolvenzverwalter das Unternehmen des Schuldners fort, fällt in die Berechnungsgrundlage für seine Vergütung nur der Überschuss nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) Kündigungsfristlöhne sind hierbei als Ausgaben zu behandeln, wenn sie für Leistungen erbracht wurden, die für die Unternehmensfortführung verwendet wurden.
Wird ein Unternehmen des Insolvenzschuldners nicht fortgeführt, sind die aus der vorherigen unternehmerischen Tätigkeit herrührenden Kündigungsfristlöhne nicht entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) von der Masse abzuziehen.
BGH v. 16.10.2008 - IX ZB 179/07, NZI 2009, 49 = ZInsO 2008, 1262
dd) Behandlung der Duldung einer Fortführung durch den Insolvenzschuldner
Rdnr. 222 Duldet der Insolvenzverwalter, dass der Insolvenzschuldner selbst das Unternehmen fortführt, ist diese Situation als Unternehmensfortführung i.S. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. b) zu behandeln. Eine Duldung einer Unternehmensfortführung liegt dann nicht mehr vor, wenn der Insolvenzverwalter, nachdem die Gläubigerversammlung die Schließung des Unternehmens des Insolvenzschuldners beschlossen hatte, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, die Fortführung des Unternehmens zu beenden.1 Arbeitet der Schuldner selbst in dem vom Verwalter fortgeführten Betrieb weiter mit und erhält er im Gegenzug aus der Insolvenzmasse finanzielle Zuwendungen, ist zu vermuten, dass damit seine Mitarbeit abgegolten wird, die Zahlung also Lohnersatzfunktion hat. Dementsprechend muss in zumindest analoger Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b diese Lohnersatzleistung bei der Berechnung des Überschusses als Ausgabe in Abzug gebracht werden, weil sie durch die Unternehmensfortführung veranlasst ist.2
2 BGH v. 18.12.2014 - IX ZB 5/13, DZWIR 2015, 327 = NZI 2015, 187 = ZInsO 2015, 221; BGH v. 04.05.2006 - IX ZB 202/05, NZI 2006, 595 = ZInsO 2006, 703
Kernentscheidung
Eine Unternehmensfortführung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV liegt auch dann vor, wenn der Insolvenzverwalter die Fortführung durch den Schuldner wenigstens duldet.
ee) Behandlung mehrerer Unternehmungen des Insolvenzschuldners
Rdnr. 223 Ein Insolvenzschuldner kann seine unternehmerische Tätigkeit auch auf unterschiedliche Bereiche erstrecken und dabei zwei oder mehr Unternehmen nach außen hin führen. Auch wenn sich dies für den Rechtsverkehr nicht als eine einheitliche unternehmerische Tätigkeit darstellt, sind die unterschiedlichen unternehmerischen Tätigkeiten des Insolvenzschuldners sowohl wirtschaftlich betrachtet als auch für die Belange des Insolvenzverfahrens als eine einheitliche unternehmerische Tätigkeit zu behandeln. Sämtliche Einnahmen aus allen Tätigkeitsgebieten sind Bestandteil der einheitlichen Insolvenzmasse eines Insolvenzverfahrens und dementsprechend auch ohne Unterscheidung nach ihrer Herkunft gem. § 1 zu behandeln.
Rdnr. 224 Dementsprechend ist im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) keine Unterscheidung nach verschiedenen Unternehmensteilen oder Unternehmenstätigkeiten vorzunehmen.1 Auch dann, wenn bei einer getrennten Erfassung einzelne Unternehmensteile in der Einnahmen- / Ausgabenrechnung einen Fortführungsüberschuss ausweisen, ist dieser nicht für die Ermittlung des Berechnungswerts gem. § 1 zu berücksichtigen, wenn der Verlust einer anderen Unternehmenstätigkeit des Insolvenzschuldners diesen Überschuss übersteigt. Sämtliche Einnahmen und Ausgaben aller Unternehmensbereiche des Insolvenzschuldners sind im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) gemeinsam zu erfassen. Nur der durch alle Einnahmen und alle Ausgaben resultierende Überschuss ist in der Berechnungsgrundlage nach § 1 zu berücksichtigen. Dies gilt auch bei einer Kombination zwischen einer Unternehmensfortführung und einer Häuserverwaltung, wenn die Häuserverwaltung als unternehmerische Tätigkeit des Insolvenzschuldners anzusehen ist. Dies dürfte bei juristischen Personen immer der Fall sein, da bei ihnen die Möglichkeit einer quasi privaten Tätigkeit wie der einer natürlichen Person nicht besteht. Der Geschäftszweck einer juristischen Person geht immer auf eine unternehmerische Tätigkeit. Dies kann evtl. bei Vereinen u.a. anders zu betrachten sein. Ähnlich wie bei einer steuerrechtlichen Betrachtung sind die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder eines unternehmerischen Insolvenzschuldners insgesamt zu betrachten. Dies kann dazu führen, dass eine erfolgreiche Fortführung eines begrenzten Unternehmensteils durch nicht vermeidbare Verluste eines anderen Unternehmensteils konsumiert werden. Dies ist im Rahmen der Ermittlung des Wertes der Berechnungsgrundlage hinzunehmen, da hierdurch Diskussionen vermieden werden, ob einzelne, voneinander unterscheidbare Unternehmen bzw. Unternehmensteile bestehen. In einem Insolvenzverfahren ist insoweit wie auch außerhalb des Insolvenzverfahrens das Gesamtergebnis maßgeblich. Die Belastungen des Insolvenzverwalters aus der Unternehmensfortführung sind in angemessener Weise durch einen Zuschlag gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. b) zu berücksichtigen, welcher die Besonderheiten des einzelnen Verfahrens (unterschiedliche Betriebsteile, unterschiedliche Fortführungszeiträume bezüglich dieser Betriebsteile, erfolgreiche / nicht erfolgreiche Fortführung einzelner Betriebsteile usw.) zu gewichten hat. Siehe hierzu die Ausführungen zum Zuschlag für eine Unternehmensfortführung, § 3 Rdnr. 78 ff.
ff) Abgrenzung der Unternehmensfortführung im Eröffnungsverfahren von der des eröffneten Verfahrens
Rdnr. 225 Bei der Erstellung der Einnahmen- / Ausgabenrechnung ist streng darauf zu achten, dass die jeweiligen Beträge dem richtigen Verfahrensteil zugeordnet werden, da die Höhe der Vergütungen des vorläufigen Verwalters und des Insolvenzverwalters hiervon beeinflusst werden können. Dies wird auch nicht etwa dadurch wieder ausgeglichen, dass der vorläufige Verwalter identisch ist mit dem Insolvenzverwalter des eröffneten Verfahrens und daher die Gesamtsumme beider Vergütungen hiervon nicht beeinflusst werden würde. Je nach Konstellation des Verfahrens kann die Zuordnung einer Einnahme oder Ausgabe entweder in das Eröffnungsverfahren oder das eröffnete Verfahren den Gesamtbetrag beider Vergütungen aufgrund der degressiven Gestaltung des § 2 Abs. 1 und der zu berücksichtigenden Zu- und Abschläge nach § 3 erhöhen oder herabsetzen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben führt daher in der Regel zu unangemessenen Massebelastungen bzw. unangemessenen Vergütungsherabsetzungen. Daher ist nicht nur in den Verfahren mit einem Verwalterwechsel darauf zu achten, dass die entsprechenden Beträge dem richtigen Verfahrensabschnitt zugeordnet werden.
Rdnr. 226 Die Zuordnung insbesondere noch offener Geschäftsvorfälle ist nach dem Zeitpunkt des Entstehens und nicht nach dem der Fälligkeit vorzunehmen. Liefert der Insolvenzschuldner im Eröffnungsverfahren ist die dadurch entstandene Forderung dem Eröffnungsverfahren zuzuordnen, auch wenn die Rechnungsstellung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte, die Forderung entsprechend auch erst im eröffneten Verfahren fällig und beglichen wurde. Gleiches gilt für die aus der Unternehmensfortführung stammenden Forderungen gegen den Insolvenzschuldner. Betrifft eine solche Einnahmen- oder Ausgaben-Forderung eine Leistung über einen Zeitraum, der sowohl in das Eröffnungsverfahren als auch das eröffnete Verfahren fällt, ist diese Forderung mangels besserer Aufteilungsmaßstäbe entsprechend der zeitlichen Anteile dem jeweiligen Verfahrensabschnitt zuzuordnen. Handelt es sich um Lieferungen, bei denen nicht klar ist, in welchem Verfahrensabschnitt welche Teillieferung erfolgte, ist die Zuordnung entsprechend einer Schätzung des Insolvenzverwalters vorzunehmen.
gg) Behandlung der durch die Unternehmensfortführung verursachten Einkommenssteuerverbindlichkeit
Rdnr. 227 Grundsätzlich werden bei der Festlegung der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters Masseverbindlichkeiten gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 nicht in Abzug gebracht. Von dieser Regel gibt es zwei Ausnahmen. Eine davon ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b der Fall, dass das Unternehmen des Schuldners fortgeführt wird. Hier ist nur der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt. Damit werden zweierlei Ziele verfolgt. Zum einen wird durch die Berücksichtigung des bei der Unternehmensfortführung entstandenen Überschusses eine Erfolgsorientierung der Verwaltervergütung erreicht. Zum anderen soll verhindert werden, dass bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage lediglich die während der Betriebsfortführung erzielten Einnahmen einbezogen werden, ohne die zur Erzielung dieser Einnahmen notwendigen Ausgaben zu berücksichtigen. Der zu berücksichtigende Überschuss wird dadurch berechnet, dass die Ausgaben von den Einnahmen abgezogen werden. Bei den Ausgaben muss es sich, wie sich schon aus § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 ergibt, um Masseverbindlichkeiten handeln. Aus der Vorschrift ergibt sich aber kein Anhaltspunkt dafür, dass nur ein Teil dieser Ausgaben berücksichtigt werden soll. Maßgebend ist allein, ob die Ausgaben durch die Unternehmensfortführung veranlasste Masseverbindlichkeiten sind.1 Deshalb sind auch solche Ausgaben bei der Ermittlung des Überschusses abzusetzen, die auch ohne eine Betriebsfortführung als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen gewesen wären (sogenannte oktroyierte Masseverbindlichkeiten), wenn und soweit die Gegenleistung tatsächlich für die Unternehmensfortführung in Anspruch genommen worden ist.2 Es kommt nicht darauf an, ob mit den fortführungsbedingten Ausgaben der Gewinn erwirtschaftet wird.3 Das ist bei vielen Ausgaben, etwa bei der Lohnsteuer und den Sozialversicherungsbeiträgen für die Mitarbeiter, der Umsatzsteuer, sofern eine solche anfällt, und bei Abgaben und Ausgleichszahlungen nicht der Fall. Ohne die Befriedigung der entsprechenden, meist öffentlich-rechtlichen Forderungen kann aber das Unternehmen nicht fortgeführt und demgemäß auch kein Gewinn erzielt werden. Für die Einkommensteuerschuld, die durch die Fortführung des Unternehmens in der Insolvenz als Masseverbindlichkeit entsteht, gilt nichts anderes.3 Nur was nach Begleichung auch der Einkommensteuerschuld an Überschuss aus der Unternehmensfortführung verbleibt, steht auch tatsächlich im Insolvenzverfahren für die Begleichung anderer Masseverbindlichkeiten und der Insolvenzforderungen zur Verfügung. Dass die Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Verwalters unterschiedlich ausfällt, je nachdem, wie erfolgreich sich die Unternehmensfortführung gestaltet und welche Verluste anfallen, ist systembedingt. Wird durch die Unternehmensfortführung insgesamt Verlust erzielt, wird dadurch jedenfalls die sonstige Berechnungsgrundlage nicht geschmälert.2
2 BGH v. 18.12.2014 - IX ZB 5/13, DZWIR 2015, 327 = NZI 2015, 187 = ZInsO 2015, 221; BGH v. 16.10.2008 - IX ZB 179/07, NZI 2009, 49 = ZInsO 2008, 1262
3 BGH v. 18.12.2014 - IX ZB 5/13, DZWIR 2015, 327 = NZI 2015, 187 = ZInsO 2015, 221; LG Regensburg v. 07.12.2012 - 2 T 322/11 (Vorinstanz zu BGH IX ZB 5/13)
Kernentscheidung
Bei der Überschussberechnung hinsichtlich der Fortführung des Unternehmens des Schuldners ist als Ausgabe auch die Einkommensteuer in Abzug zu bringen, die durch die Fortführung des Unternehmens als Masseverbindlichkeit entsteht.
BGH v. 18.12.2014 - IX ZB 5/13, DZWIR 2015, 327 = NZI 2015, 187 = ZInsO 2015, 221
hh) Behandlung von nicht oder nicht vollständig befriedigten Masseverbindlichkeiten der Unternehmensfortführung
Rdnr. 228 In einem Insolvenzverfahren kann es dazu kommen, dass nicht alle Masseverbindlichkeiten vollständig befriedigt werden. Sowohl im Falle einer notwendigen Einstellung mangels Masse gemäß § 207 InsO als auch bei einer Masseunzulänglichkeit entsprechend § 208 InsO wird der Insolvenzverwalter die von ihm verursachten Verbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung, welche gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) auf die Einnahmen anzurechnen sind, nicht vollständig oder überhaupt nicht befriedigen können. Fraglich ist, ob und in welcher Weise sich diese Besonderheit auf die Vergütung des Insolvenzverwalters auswirkt.
Rdnr. 229 Nach der Formulierung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) ist ein Einnahmenüberschuss aus der Unternehmensfortführung um die Ausgaben der Unternehmensfortführung zu reduzieren. In dem Fall, dass der Insolvenzverwalter Verbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung entsprechend den Regelungen der §§ 207 bis 208 InsO nicht aus der vorhandenen, unzulänglichen Insolvenzmasse befriedigen muss und auch nicht dazu berechtigt wäre, kommt es faktisch dazu, dass die entsprechenden Verbindlichkeiten nicht oder nur teilweise zu Ausgaben der Unternehmensfortführung führen. Dies steht der Situation gleich, dass der Insolvenzverwalter diese Verbindlichkeiten gar nicht erst hat entstehen lassen oder er Maßnahmen treffen konnte, aufgrund derer die entsprechenden Ausgaben letztlich vermieden werden konnten. Dies führt letztlich dazu, dass wirtschaftlich betrachtet die Unternehmensfortführung einen höheren Überschuss erzielen konnte, was im Rahmen eines normalen Verfahrens zu einer besseren Befriedigung der Insolvenzgläubiger geführt hätte. Diese Verbesserung der allgemeinen Situation der Insolvenzgläubiger rechtfertigt eine Erhöhung der Regelvergütung des Insolvenzverwalters, indem der höhere Fortführungsüberschuss einen höheren Berechnungswert für die Ermittlung der Regelvergütung nach § 2 bewirkt.
Rdnr. 230 Der Umstand, dass aufgrund einer Masselosigkeit gemäß § 207 InsO oder einer Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO aus einer grundsätzlich bestehenden Verpflichtung aus einer Masseverbindlichkeit aus der Unternehmensfortführung keine Ausgabe geworden ist, ist im Rahmen der Berechnung der Verwaltervergütung ohne Belang. Der Verordnungsgeber der InsVV hat insoweit die Reduzierung des Fortführungsüberschusses nicht von dem Entstehen von Verbindlichkeiten abhängig gemacht, sondern auf die entstandenen Ausgaben, das heißt die befriedigten Verbindlichkeiten abgestellt. Hiervon ist auch im Falle einer Masselosigkeit oder einer Masseunzulänglichkeit keine Ausnahme vorgesehen. Dies kann sicherlich darauf beruhen, dass der Verordnungsgeber diese Situation nicht erkannt und daher auch keine Regelung außerhalb der §§ 207 bis 208 InsO hierzu getroffen hat. In dieser Situation besteht kein Bedarf, zulasten der Verwaltervergütung das Kriterium der Ausgaben in § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) in Verbindlichkeiten umzudeuten. Vielmehr ist in dieser Situation zu berücksichtigen, dass aufgrund der nicht Befriedigung dieser Masseverbindlichkeiten ein erhebliches Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters gemäß § 61 InsO besteht. Sollte im Einzelfall eine Haftung des Insolvenzverwalters bejahen sein, würde dies im Ergebnis eine Befriedigung dieser Masseverbindlichkeiten bewirken, was zu einer normalen Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) führt. Besteht eine solche Haftungsverpflichtung des Insolvenzverwalters jedoch nicht, besteht auch keine Rechtfertigung, diese besondere Situation durch eine zu weite Auslegung des Begriffs Ausgaben zu behandeln. Masseverbindlichkeiten aus einer Unternehmensfortführung, welche in einem Insolvenzverfahren nicht zu befriedigen sind, stellen keine zu berücksichtigenden Ausgaben im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) dar.
ii) Behandlung von nicht oder nicht vollständig befriedigten Masseverbindlichkeiten des Eröffnungsverfahrens in der Vergütung des Insolvenzverwalters des eröffneten Verfahrens
Rdnr. 231 In die Einnahmen- und Ausgabenrechnung der Unternehmensfortführung des eröffneten Insolvenzverfahrens sind gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) nur die im eröffneten Verfahren selbst entstandenen Geschäftsvorfälle aufzunehmen. Die aus der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren herrührenden, aber erst im eröffneten Verfahren eingezogenen Forderungen und beglichenen Verbindlichkeiten sind dem Eröffnungsverfahren zuzuordnen und bei der Berechnung der Vergütung für die vorläufige Insolvenzverwaltung den in diesem Verfahrensabschnitt erzielten Fortführungsüberschuss unter Berücksichtigung der in diesem Abschnitt noch offenen Forderungen und Verbindlichkeiten einzubeziehen. Diese Forderungen und Verbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren haben bei der Ermittlung des Ergebnisses der Betriebsfortführung im eröffneten Verfahren außer Betracht zu bleiben.1 Gleichwohl ist nach Ansicht des BGH der Wert der Masse um den Betrag der aus dem Eröffnungsverfahren herrührenden fortführungsbedingten Masseverbindlichkeiten zu vermindern, soweit andernfalls der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters mehr als der im Eröffnungsverfahren erzielte Fortführungsüberschuss zugrunde gelegt würde.2
2 BGH v. 02.03.2017 - IX ZB 90/15, Rdnr. 8, NZI 2017, 544 = ZInsO 2017, 1051; BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 23/16, ZInsO 2017, 982. Gegen BGH: LG Berlin v. 17.05.2021 – 84 T 152/19, ZInsO 2021, 1248
Kernentscheidung
Führt der vorläufige Insolvenzverwalter den Betrieb des Schuldners fort, ist auch der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters nur der daraus erzielte Überschuss zugrunde zu legen; im Eröffnungsverfahren begründete, aber bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichene Masseverbindlichkeiten sind regelmäßig vom Wert der Insolvenzmasse abzusetzen.
BGH v. 02.03.2017 - IX ZB 90/15, NZI 2017, 544 = ZInsO 2017, 1051
BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 23/16, ZInsO 2017, 982
Rdnr. 232 "(1)Die Zuordnung der erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens befriedigten Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung des vorläufigen Insolvenzverwalters zum Fortführungsergebnis des Eröffnungsverfahrens hat jedoch nicht zur Folge, dass diese Verbindlichkeiten für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters entsprechend dem in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 niedergelegten Grundsatz ohne Bedeutung wären.1 Die Berücksichtigung der Verbindlichkeiten als Abzugsposten bei der Berechnung des vom vorläufigen Verwalter im Eröffnungsverfahren erzielten Überschusses schöpft den Sachverhalt nicht aus. Der Sache nach handelt es sich bei der Begleichung der aus dem Eröffnungsverfahren übernommenen Masseverbindlichkeiten wie auch bei dem Einzug der Forderungen um die Abwicklung der Betriebsfortführung des vorläufigen Verwalters. Die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) bringt zum Ausdruck, dass im Falle einer Betriebsfortführung nur der dabei erzielte Überschuss bei der Berechnung der Vergütung des Verwalters berücksichtigt werden soll. Dem widerspräche es, offen gebliebene fortführungsbedingte Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren bei der Berechnung der Vergütung des im eröffneten Verfahren tätigen Verwalters unberücksichtigt zu lassen. Die Aufspaltung der durchgängigen Betriebsfortführung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in zwei getrennte Abschnitte hätte dann zur Folge, dass das Überschussprinzip nur noch teilweise, nämlich hinsichtlich der Vergütung des vorläufigen Verwalters verwirklicht würde. Der Verwalter im eröffneten Verfahren würde hingegen unabhängig vom Ergebnis seiner Betriebsfortführung davon profitieren, dass die im Eröffnungsverfahren begründeten Masseverbindlichkeiten teilweise unerfüllt blieben und sich dadurch die von ihm verwaltete Masse um mehr als den im Eröffnungsverfahren erzielten Fortführungsüberschuss erhöhte. Der vorläufige Verwalter hätte es in der Hand, die Begleichung von Masseverbindlichkeiten gezielt zurückzustellen und dadurch die Berechnungsgrundlage für die Vergütung im eröffneten Verfahren zu erhöhen. Wirtschaftlich betrachtet setzt der Insolvenzverwalter die Betriebsfortführung des vorläufigen Verwalters weiter fort. Er übernimmt das vom vorläufigen Verwalter erzielte Betriebsergebnis. Deshalb ist es sachgerecht, offen gebliebene Masseverbindlichkeiten nicht allein bei der Überschussermittlung der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren zu berücksichtigen, sondern auch bei der Bewertung der vom Insolvenzverwalter verwalteten Masse. Der Wert der Masse ist um den Betrag der aus dem Eröffnungsverfahren herrührenden fortführungsbedingten Masseverbindlichkeiten zu vermindern, soweit andernfalls der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters mehr als der im Eröffnungsverfahren erzielte Fortführungsüberschuss zugrunde gelegt würde.1 Nur eine solche Betrachtung wird dem mit der Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) verfolgten Zweck gerecht, die Verwaltervergütung im Falle der Betriebsfortführung an deren Erfolg zu orientieren und nicht allein auf die erzielten Einnahmen abzustellen." Soweit der BGH.
Beispiel zur Behandlung von nicht oder nicht vollständig befriedigten Masseverbindlichkeiten des Eröffnungsverfahrens in der Vergütung des Insolvenzverwalters des eröffneten Verfahrens:
Am Ende der vorläufigen Verwaltung ist ein Vermögen des Insolvenzschuldners im Wert von 100.000 € vorhanden. In diesem Betrag wurden weder Einnahmen noch Ausgaben aus einer Unternehmensfortführung berücksichtigt.
Der vorläufige Verwalter hatte im Eröffnungsverfahren das schuldnerische Unternehmen fortgeführt. Hierdurch konnten Erlöse im Wert von 55.000 € erzielt werden. Diese 55.000 € sind in den vorgenannten 100.000 € nicht enthalten.
Durch die Unternehmensfortführung entstanden einerseits Kosten i.H.v. 25.000 €, welche bereits im Verfahren ausgeglichen wurden. Bei Beendigung der vorläufigen Verwaltung wies dementsprechend das Sonderkonto für die Unternehmensfortführung einen Bestand von 30.000 € auf.
Weitere Verbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung i.H.v. 30.000 € konnten während des Eröffnungsverfahrens noch nicht beglichen werden.Für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist von einer Berechnungsgrundlage von 100.000 € auszugehen.
Dem darüber hinaus bestehenden Kontoguthaben aus der Unternehmensfortführung in Höhe von 30.000 € sind die noch offenen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung in Höhe von ebenfalls 30.000 € gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) InsVV gegenzurechnen.Der Insolvenzverwalter des eröffneten Insolvenzverfahrens findet dementsprechend eine Insolvenzmasse mit einem Wert von 130.000 € vor, welche sich aus dem einen Konto mit 100.000 € und dem Sonderkonto für die Unternehmensfortführung mit 30.000 € zusammensetzt.
Im Laufe des Verfahrens wird er jedoch gemäß § 55 Abs. 2 InsO die noch verbliebenen sonstigen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung während des Eröffnungsverfahrens i.H.v. 30.000 € befriedigen müssen.
Auch wenn diese Masseverbindlichkeiten nicht gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) InsVV bei der Bemessung der Insolvenzmasse des eröffneten Insolvenzverfahrens anzurechnen sind, ist nach der Entscheidung des BGH1 die Insolvenzmasse um diesen Betrag zu kürzen. Im Ergebnis beträgt der Wert der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des Insolvenzverwalters des eröffneten Insolvenzverfahrens dann nicht 130.000 €, sondern wegen des Abzugs der noch offenen 30.000 € aus dem Eröffnungsverfahren nur 100.000 €.Das gleiche Beispiel noch einmal, aber diesmal betragen die noch offenen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung im Eröffnungsverfahren nur 15.000 €.
Dann sind auch nur diese 15.000 € abzuziehen, wodurch von den ursprünglichen 130.000 € noch 115.000 € als Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters verbleiben.Wenn die offenen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung des Eröffnungsverfahrens den noch vorhandenen Überschuss übersteigen, ist darauf zu achten, dass die nachträgliche Saldierung entsprechend der Rechtsprechung des BGH nicht dazu führt, dass der Wert aus der sonstigen Insolvenzmasse beeinträchtigt wird.
Betragen die noch offenen sonstigen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung des Eröffnungsverfahrens in Abwandlung des Beispiels nicht nur 30.000 €, sondern 55.000 €, so wirkt sich dies wie folgt auf die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters aus:
Der bei Eröffnung des Verfahrens vorhandene Fortführungsüberschuss von 30.000 € ist um die im eröffneten Insolvenzverfahren beglichenen Masseverbindlichkeiten aus der Unternehmensfortführung des Eröffnungsverfahrens gemäß § 55 Abs. 2 InsO von hier 55.000 € zu reduzieren. Die Reduzierung ist jedoch limitiert auf den Betrag des Überschusses, also auf hier 30.000 €.
Die vom Insolvenzverwalter bei Eröffnung vorgefunden Insolvenzmasse von 130.000 € ist daher in diesem Fall nicht um 55.000 € zu reduzieren, sondern nur um 30.000 €, da nur dies der Fortführungsüberschuss aus dem Eröffnungsverfahren ist. (Dass den Insolvenzgläubigern dadurch nicht nur 30.000 €, sondern tatsächlich 55.000 € weniger für Ihre Befriedigung zur Verfügung stehen, ist für die Bemessung der Vergütung des Insolvenzverwalters ohne Belang.)Um die Berechnung entsprechend der Rechtsprechung des BGH korrekt vornehmen zu können, haben der Insolvenzverwalter und das Insolvenzgerichte darauf zu achten, dass der vorläufige Insolvenzverwalter den Wert der Fortführungseinnahmen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) InsVV, die Fortführungsausgaben während des Eröffnungsverfahrens in diesem Sinne sowie die im Eröffnungsverfahren begründeten aber noch offenen, erst in eröffneten Insolvenzverfahren zu befriedigenden Forschungsausgaben genau und unterscheidbar darstellt. Der Insolvenzverwalter des eröffneten Insolvenzverfahrens hat die Zahlungen auf Masseverbindlichkeiten aus einer Unternehmensfortführung klar danach zu unterscheiden, ob diese Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren oder dem eröffneten Verfahren stammen. Die Verrechnung entsprechend der Rechtsbrechung des BGH ist im Vergütungsantrag deutlich und nachvollziehbar darzustellen.
1 BGH v. 02.03.2017 - IX ZB 90/15, NZI 2017, 544 = ZInsO 2017, 1051; BGH v. 06.04.2017 - IX ZB 23/16, ZInsO 2017, 982
Rdnr. 233 Dieser Ansatz des Bundesgerichtshofs ist verständlich und wirtschaftlich nachvollziehbar. Er findet jedoch keinen Anhalt im Gesetz und auch nicht in der InsVV. Entsprechend § 63 Abs. 1 S. 2 InsO bemisst sich die Vergütung des Insolvenzverwalters nach dem Wert der Insolvenzmasse. Die in einem Verfahren entstehenden Masseverbindlichkeiten sind gerade aus dieser Insolvenzmasse zu befriedigen. Die Insolvenzordnung unterscheidet dabei sauber zwischen Insolvenzmasse und Masseverbindlichkeiten. Insolvenzmasse ist dabei nicht etwa der Wert, der nach der Befriedigung von Masseverbindlichkeiten verbleibt. Dementsprechend hat sich die Vergütung eines Insolvenzverwalters nach der auch von der InsVV zu beachtenden Vorgabe des § 63 Abs. 1 S. 2 InsO nach einem Wert zu bemessen, der nicht durch Masseverbindlichkeiten, sei es aus dem Eröffnungsverfahren oder dem eröffneten Insolvenzverfahren, vermindert wird. Auch die InsVV sieht eine solche Minderungsmöglichkeit nicht vor. Sie könnte dies auch nicht, da eine solche Regelung in der Verordnung gegen die bindende Vorgabe der Insolvenzordnung verstoßen würde. In der Folge wäre eine solche Regelung in der InsVV als nichtig anzusehen. Umso erstaunlicher ist es, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung eine Reduzierung des Wertes der Berechnungsgrundlage eines Insolvenzverwalters um die Beträge offener Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren vorgibt, ohne sich daran zu stören, dass diese Lösung der gesetzlichen Vorgabe in § 63 Abs. 1 S. 2 InsO widerspricht und auch keinen Anhalt in der InsVV findet. Auch wenn dieser Lösungsansatz des BGH wirtschaftlich betrachtet sinnvoll sein mag, hat die Rechtsanwendung von den gesetzlichen Vorgaben auszugehen, darüber hinaus die Regelungen der InsVV zu beachten und nur dann eventuelle Lücken durch eine gesetzeskonforme Auslegung zu füllen, wenn solche Lücken klar festzustellen sind. Bei der Frage, inwieweit es sich nicht befriedigte Masseverbindlichkeiten des Eröffnungsverfahrens auf die Vergütung des Insolvenzverwalters des eröffneten Insolvenzverfahrens auswirken, besteht eine solche Lücke nicht. Zwar mag das gesetzes- und verordnungskonforme Ergebnis als unerwünscht anzusehen sein, doch ist in einer solchen Situation eine gesetzeswidrige Rechtsauslegung nicht zulässig. Bei eventuellen Bedenken hinsichtlich einer Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung sieht die Rechtsordnung vor, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen wäre. Ansonsten haben sich die Gerichte auch an eine als schlecht befundene gesetzliche Regelung zwingend zu halten. Zwar hat die InsVV als Verordnung nicht einen entsprechenden zwingenden Charakter, doch ist auch bei einer vollständigen oder teilweisen Nichtanwendung der InsVV auf die Ergebnisse der Anwendung des Gesetzes, hier § 63 Abs. 1 S. 2 InsO zurückzugreifen. Die Entscheidung des BGH verlässt diesen Raum und ist daher aus systematischen Gründen abzulehnen und in der Praxis nicht anzuwenden.1
jj) Abgrenzung der Einnahmen aus der Unternehmensfortführung von den Verwertungseinnahmen
Rdnr. 234 In die für den Zeitraum der Unternehmensfortführung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) vorzunehmende Ein- und Ausgabenrechnung sind auf der Seite der Einnahmen nur diejenigen Zuflüsse zu berücksichtigen, die der Unternehmensfortführung entspringen und welche nicht als Ergebnis der Verwertung der Insolvenzmasse anzusehen sind. Dementsprechend sind nicht pauschal alle Einnahmen während des Zeitraumes der Unternehmensfortführung als Fortführungseinnahmen zu behandeln. In gleicher Weise, wie abwicklungsbedingte Kosten nicht in das Ergebnis der Unternehmensfortführung einfließen dürfen1, sind auch die Abwicklungs- bzw. Verwertungseinnahmen außer Betracht zu lassen.
Rdnr. 235 Fortführungseinnahmen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) sind nur die Zuflüsse, welche durch die Fortführung des Unternehmens zusätzlich entstanden sind und welche nicht entstanden wären, wenn eine solche Unternehmensfortführung nicht erfolgt wäre.1 Einnahmen aus einem Abverkauf von Lagerbeständen oder der Einzug von Forderungen, welche zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. im Fall der vorläufigen Verwaltung zum Zeitpunkt der entsprechenden Anordnung bereits vorhanden waren, sind keine Einnahmen im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b), welche in die entsprechende Einnahmen- und Ausgabenrechnung aufzunehmen wären.2 Diese sind dem Ergebnis der Verwertung zuzurechnen, ohne dass eine Berücksichtigung der damit zusammenhängenden Kosten bzw. Masseverbindlichkeiten vorgenommen werden könnte. Im Ergebnis wirken sich diese Einnahmen positiv auf die Höhe der Berechnungsgrundlage aus, ohne durch einen Verlust aus der Unternehmensfortführung ausgeglichen zu werden.3 Der Insolvenzverwalter hat daher bereits während der Unternehmensfortführung peinlich genau darauf zu achten, die Einnahmen, die der Verwertung der Insolvenzmasse zuzuordnen sind, von denjenigen Einnahmen, die durch die Unternehmensfortführung generiert wurden, getrennt zu erfassen, damit im Rahmen der Abrechnung am Ende des Insolvenzverfahrens nachvollziehbar dargelegt werden kann, welche Einnahmen in die Berechnung entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) einzustellen und welche Einnahmen mit welcher Begründung dort außer Betracht zu lassen sind. Etwaige Mängel in der Nachvollziehbarkeit gehen im Zweifel zulasten des Insolvenzverwalters, d.h., dass Einnahmen aus dem Zeitraum der Unternehmensfortführung im Zweifel als Einnahmen der Unternehmensfortführung und nicht der Verwertung zu behandeln sind.
2 Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 56; Leonhardt/Smid/Zeuner-Amberger, InsVV, 1. Aufl. 2014, § 1 Rdnr. 100; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 94
3 Lorenz/Klanke, InsVV, 3. Aufl. 2017, § 1 Rdnr. 56
Rdnr. 236 Im Eröffnungsverfahren wird es relativ einfach festzustellen sein, ob das Unternehmen des Insolvenzschuldners zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits eingestellt gewesen ist oder noch fortgeführt wird. Der bestellte vorläufige Insolvenzverwalter hat gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO das schuldnerische Unternehmen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einer ausdrücklichen Zustimmung zu einer Stilllegung fortzuführen. Dementsprechend bereitet die Feststellung einer Unternehmensfortführung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. b) im Eröffnungsverfahren keine Schwierigkeiten. Im eröffneten Insolvenzverfahren hat der Insolvenzverwalter gemäß § 158 Abs. 1 InsO dann, wenn er das Unternehmen vor einer Entscheidung der Gläubigerversammlung gemäß § 157 InsO stilllegen möchte, eine Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen oder gemäß § 158 Abs. 2 InsO den Schuldner zu unterrichten. Über die Notwendigkeit einer Entscheidung der Gläubigerversammlung bzw. einer Unterrichtung des Schuldners wird eine Stilllegung durch den Insolvenzverwalter zumindest im Zeitraum bis zum Berichtstermin davon abhängig gemacht, dass der Insolvenzverwalter die Stilllegungsabsicht nach außen kundtut. Dies ist für die Abgrenzung der Unternehmensfortführung von Handlungen des Insolvenzverwalters, die denen in der Unternehmensfortführung ähneln, jedoch allein der Verwertung der Insolvenzmasse dienen, notwendig und daher vom Insolvenzverwalter zu fordern. Möchte ein Insolvenzverwalter Einnahmen bzw. Ausgaben nicht als solche einer Unternehmensfortführung behandelt wissen, da er von einer Beendigung der Unternehmensfortführung ausgeht, hat er seine Entscheidung zur Stilllegung des Unternehmens in geeigneter Weise zu dokumentieren und das Insolvenzgericht, einen Gläubigerausschuss und den Insolvenzschuldner zeitnah hiervon zu informieren. Die Stilllegung kann auch einzelne Betriebsteile bzw. einzelne Betriebsstellen betreffen. Solche Teil-Stilllegungen sind neben einer vollständigen Stilllegung aller unternehmerischen Tätigkeiten möglich und zulässig. Sämtliche Einnahmen und Ausgaben ab dem Zeitpunkt der Stilllegung sind nicht mehr entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. b) zu behandeln.
5. Behandlung von Massekrediten und Vorschüssen, § 1 Abs. 2 Nr. 5
Rdnr. 237 Die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ist teilweise nichtig. Sie hierzu die Ausführungen zur Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2, oben Rdnr. 91b ff. bzw. den Beitrag zu Nichtigkeit des § 1 Abs. 2 InsVV als PDF. In der nachfolgenden Kommentierung wird diese Rechtsansicht außer Acht gelassen, damit Rechtsanwender, welche die Regelungen des § 1 Abs. 2 gleichwohl anwenden wollen oder müssen, in sachgerechter Weise diese Normierungen umsetzen können.
Rdnr. 238 Massekredite bzw. Vorschüsse, die zur Vermeidung einer Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 InsO bewirken zwar eine Erhöhung des vom Insolvenzverwalter zu verwaltenden Vermögens, sind jedoch bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 außer Betracht zu lassen.1 Dabei spielt die Höhe des Vorschusses oder seine Notwendigkeit für die Durchführung des Verfahrens keine Rolle. Diese Beträge gehören wirtschaftlich nicht zum Vermögen des Insolvenzschuldners, stehen nicht für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger zur Verfügung, sondern werden zweckgebunden allein für eine Ermöglichung einer Durchführung des Insolvenzverfahrens geleistet. Entsprechend dieser Wertung sieht § 1 Abs. 2 Nr. 5 vor, dass darauf zu achten ist, dass die Verfahrensvorschüsse oder Zuschüsse zur Erfüllung von Insolvenzplänen bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage außer Betracht zu bleiben haben. Gleiches gilt für Darlehen, die zur Erfüllung des Insolvenzplans zur Verfügung gestellt werden.2 Massedarlehen, welche der Insolvenzverwalter aufnimmt werden mit Ihrer Auskehrung Bestandteil der Insolvenzmasse und sind daher in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen.3 Der mit ihnen verbundene Rückzahlungsanspruch ist eine Masseverbindlichkeit und nur dann gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b) als Ausgabe einer Unternehmensfortführung zu berücksichtigen, wenn das Darlehen zum Zwecke der Unternehmensfortführung aufgenommen wurde.
2 BGH v. 17.03.2011 - IX ZB 145/10, NZI 2011, 445 = ZInsO 2011, 839
3 Hess, Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2013, § 1 InsVV Rdnr. 73; Eickmann/Prasser in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 26. Lfg. Stand 8/06, § 1 Rdnr. 54
Rdnr. 239 Massekredite bzw. Vorschüsse, welche nicht an die Bank bzw. den Vorschussleistenden zurückgeführt werden müssen, sondern zur Deckung der Verfahrenskosten sowie sonstiger Masseverbindlichkeiten genutzt werden, sind vergütungsrechtlich wie Insolvenzmasse in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen1, so die Befriedigung der sonstigen Masseverbindlichkeit nicht als Rückzahlung des Massekredites bzw. des Vorschusses erfolgt. Da die Kosten des Verfahrens nach § 54 InsO sowie die sonstigen Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO gemäß § 53 InsO aus der Insolvenzmasse zu berichtigen sind, werden auch Beträge aus dem Vermögen Dritter verfahrens- und vergütungsrechtlich wie Bestandteile der Insolvenzmasse behandelt, wenn diese wie die Insolvenzmasse verwendet und nicht an den Dritten zurückgeleistet werden. Spätestens durch den dauerhaften Verbleib dieser Beträge "im Verfahren" und der Verwendung als Insolvenzmasse zur Deckung der Kosten des Verfahrens nach § 54 InsO sowie der sonstigen Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO gehen diese Beträge aus einem gesonderten, von der Insolvenzmasse des § 35 InsO losgelösten Vermögen in die Insolvenzmasse über, anderenfalls diese Beträge nicht zur Begleichung der Kosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten genutzt werden dürften. Entsprechend dieser Verwendung als Insolvenzmasse sind diese Beträge auch in der Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung zu berücksichtigen. Hierdurch wird nicht nur eine Befriedigung der evtl. auch erhöhten Verwaltervergütung ermöglicht, ohne die Insolvenzgläubiger oder die Insolvenzschuldnerin zu belasten, sondern auch eine Deckung der Gerichtskosten des § 54 Nr. 1 InsO. Dem Insolvenzgericht auf diesem Wege eine Deckung der Gerichtskosten zu ermöglichen, den gleichrangigen Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters durch eine Nichtberücksichtigung der hierfür notwendigen Beträge jedoch nicht auf der entsprechend erhöhten Berechnungsgrundlage zu berechnen, wäre widersprüchlich und hätte im Ergebnis keine angemessene Vergütungsfestsetzung im Sinne des § 63 Abs. 1 InsO zur Folge.
Rdnr. 240 Zahlungen des Insolvenzschuldners selbst in die Insolvenzmasse bzw. an den Insolvenzverwalter werden von § 1 Abs. 2 Nr. 5 nicht erfasst, unabhängig davon, ob diese aus dem unpfändbaren Vermögen des Insolvenzschuldners oder aus dem freigegebenen Vermögen erfolgen.1 Unbeachtlich ist auch, ob damit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ermöglicht, ein Insolvenzplan finanziert oder eine vorzeitige Entschuldung erreicht werden soll. Alle Zahlungen des Insolvenzschuldners an den Insolvenzverwalter mit dem Ziel, die Verfahrenseröffnung zu ermöglichen, Massekosten- und Masseverbindlichkeiten zu decken, einen Insolvenzplan erfolgreich durchzuführen und/oder eine vorzeitige Restschuldbefreiung zu erreichen2, werden Bestandteil der Insolvenzmasse des Verfahrens und sind daher in der Berechnungsgrundlage der Vergütung eines Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Dass diese Zahlungen anders als die normale Insolvenzmasse zu verwenden und daher als Sondermasse zu behandeln sind, ändert daran nichts. Auch wenn eine solche Zahlung zielgerichtet für die Abdeckung der Kosten des Verfahrens gem. § 54 InsO zu verwenden sind, handelt es sich um Zahlung in die Insolvenzmasse, da gem. § 53 InsO diese Kosten aus der Insolvenzmasse zu berichtigen sind. Dies wird jedoch nun vom BGH3 anders gesehen. Dieser versteht die Formulierung "von einer anderen Person als dem Schuldner" nicht in dem üblichen Sinne, nach der mit "Person" im Sinne der InsVV eine Person im rechtlichen Sinne, also ein Mensch als natürliche Person oder eine juristische Person gemeint ist. Vielmehr sei nach BGH mit "Person" i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 5 nur das insolvenzbefangene Vermögen gemeint und das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners danach "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift.4 Die hiermit vom BGH vorgenommene Aufwertung von Vermögenspositionen zu "Personen" i.S.d. InsVV widerspricht dem allgemeinen Recht. Vermögen, dass eine konkreten Person, hier einem Menschen, als Vermögensinhaber zugeordnet ist, kann keinesfalls als eigenständige Person neben diesem Menschen anerkannt werden. Diese Auslegung geht über das zulässige Maß hinaus und ist bereits aus diesem Grunde vollständig abzulehnen. Sie mißachtet auch, dass der Verordnungsgeber rückwirkend zum 01.10.2021 die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 zu Lasten der Insolenzverwalter geändert hat. Dabei sah der allein zuständige Verordnungsgeber keine Veranlassung, diese Regelung darüber hinaus in der nun vom BGH gewünschten Weise zu verändern. Damit verläßt der BGH den Bereich der Rechtsprechung und versucht sich in unzulässiger Weise an die Stelle des Verordnungsgebers zu setzen. Die Ansicht des BGH "Entsprechend § 1 Abs. 2 Nr. 5 Fall 1 InsVV haben Vorschüsse, die aus anderem Vermögen als dem insolvenzbefangenen geleistet werden, bei der Bemessung der Berechnungsgrundlage außer Betracht zu bleiben." übersieht, dass Vorschüsse in diesem Sinne ausnahmslos nur aus anderen Vermögen als dem insolvenzbefangenen (= Insolvenzmasse) geleistet werden können. Über das insolvenzbefangene Vermögen ist einzig und allein der Insolvenzverwalter verfügungsbefugt, welcher aber technisch gesehen auch keine Teile der Insolvenzmasse in die Insolvenzmasse leisten kann. Die vom BGH formulierte Einschränkung "aus anderem Vermögen als dem insolvenzbefangenen" zeigt, dass dies der BGH nicht erkannt hat. Und er geht über die vom Verordnungsgeber klar und deutlich festgelegte Beschränkung "von einer anderen Person als dem Schuldner" in unzulässiger Weise hinaus. Denn es geht einzig und allein darum, wer die Leistung vorgenommen hat. Und das "insolvenzfreie Vermögen" hat unabhängig davon, ob es eine Person sein kann oder nicht, keine Leistung vorgenommen; dies kann nur der Schuldner oder eine andere, real existierende Person sein.
2 Zur Ausweitung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 bereits vor Normierung Graeber, NZI 2020, 921. Darstellung aller Änderungen der InsVV 2020/2021 sowie den praktischen Auswirkungen: Graeber, NZI 2021, 370
3 BGH v. 11.11.2021 - IX ZB 38/20, NZI 2022, 92 = ZInsO 2022, 274
4 So die Idee von Zimmer, InsVV, 2. Aufl. 2021, § 1 Rdnr. 148, welche der BGH mit der Entscheidung v. 11.11.2021 - IX ZB 38/20, NZI 2022, 92 = ZInsO 2022, 274, übernommen hat. Ähnlich Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl. 2019, § 1 Rdnr. 98.
Kernentscheidung
Leistet ein Schuldner, dem die Verfahrenskosten bei Eröffnung gestundet worden sind, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus seinem insolvenzfreien Vermögen Zahlungen mit dem Zweck, Vorschüsse auf die Verfahrenskosten zu erbringen, bleiben diese bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage außer Betracht.
BGH v. 11.11.2021 - IX ZB 38/20, NZI 2022, 92 = ZInsO 2022, 274
6. Behandlung von Zahlungen zum Zwecke der Einreichung einer vorzeitigen Restschuldbefreiung, § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F., in den nach dem 30. September 2020 beantragten Insolvenzverfahren
Rdnr. 241 Mit Wirkung für die nach dem 30. September 2020 beantragten Insolvenzverfahren wurde die Formulierung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 zur vergütungsrechtlichen Sonderbehandlung von Zahlungen zum Zwecke der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder zur Erfüllung eines Insolvenzplans ergänzt.1 Nunmehr sind auch Zahlungen Dritter, die eine Erteilung einer Restschuldbefreiung vor Ablauf der Abrechnungsfrist bewirken sollen, nicht in der Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Diese Regelung ist aufgrund des Verstoßes gegen § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO als nichtig anzusehen. Hierzu wird auf die Ausführungen oben VIb, Rdnr. 91b ff. verwiesen. Für die weitere Kommentierung wird eine Rechtmäßigkeit dieser Neuregelung unterstellt.
Rdnr. 242 Die Begründung des Entwurfes dieser Regelung führt hierzu aus: „Es wäre angesichts der Überschaubarkeit des mit der Vereinnahmung des Zuschusses verbundenen Aufwands für den Verwalter oder Treuhänder nicht gerechtfertigt und aus Sicht des Zuwendenden auch nicht nachvollziehbar, wenn der Zuschuss eine Erhöhung der Vergütung nach sich zöge und den Zweck des Zuschusses vereiteln würde.“ Diese Begründung ist nur wenig überzeugend. Einerseits widerspricht diese Sonderregelung zur Behandlung von Beiträgen, die zu einer Erhöhung der Insolvenzmasse führen, der gesetzlichen Vorgabe für die Bemessung einer Verwaltervergütung auf der Basis des ungekürzten Wertes der Insolvenzmasse in § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO . Dieser Widerspruch wurde auch nicht etwa durch eine Änderung bzw. Anpassung der Insolvenzordnung aufgehoben. Die insoweit zu leistenden Beträge können im Einzelfall hoch ausfallen, was in paralleler Weise das Haftungsrisiko des Insolvenzverwalters anhebt. Dies wird jedoch in keinster Weise berücksichtigt. Selbst bei großen Zahlungen soll der Insolvenzverwalter notfalls auf eine Mindestvergütung verwiesen werden, wobei auch nicht etwa die Auslagenpauschale der tatsächlich höheren Insolvenzmasse angepasst wird. Von der in solchen Fällen bestehenden Möglichkeit eines ausgleichenden Abschlags im Sinne von § 3 Abs. 2 zur Berücksichtigung der in solchen Fällen verringerten Belastung für die Realisierung der Insolvenzmasse wurde abgesehen. Dies verhindert eine einzelfallgerechte Bemessung einer angemessenen Vergütung in Verfahren, in denen sich die Insolvenzmasse vollständig oder zu einem großen Teil aus einer freiwilligen Zahlung Dritter speist. Andererseits wäre auch eine Erhöhung der Gerichtskosten in gleicher Weise nicht gerechtfertigt und aus der Sicht des Zuwendenden nicht nachvollziehbar. Diese Konsequenz hat der Verordnungsgeber jedoch nicht gezogen, obwohl seitens des Gerichts mit der Veränderung des Wertes der Insolvenzmasse durch diese Zahlung nicht einmal auch nur ein überschaubarer Aufwand zusätzlich entstanden ist, sondern vielmehr keinerlei zusätzlicher Aufwand. Gleichwohl sieht es der Verordnungsgeber als notwendig und gerechtfertigt an, die Hürde für die Erreichung einer vorzeitigen Restschuldbefreiung dadurch anzuheben, dass die Gerichtskasse von dieser freiwilligen Zahlung profitieren soll.
Rdnr. 243 Der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F. ist auf Insolvenzverfahren beschränkt, deren Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach dem 30. September 2020 beim Insolvenzgericht eingegangen ist. Sollte das Insolvenzgericht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beispielsweise einen Gläubigerantrag mit einem Eigenantrag verbunden haben, ist das Eingangsdatum des Verfahrens maßgeblich, dessen Aktenzeichen für das verbundene Verfahren durch das Insolvenzgericht als führend bestimmt worden ist. Eine analoge Anwendung dieser neuen Regelung auf ältere Insolvenzverfahren ist nicht zulässig.
Rdnr. 244 Der tatsächliche Anwendungsbereich ist angesichts der Fassung des § 300 InsO n.F. auf Insolvenzverfahren beschränkt, in denen eine Zahlung durch Dritte in die Masse erfolgt, um eine Befriedigung der Gläubiger zu ermöglichen. Zwar geht die Begründung zur Änderung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 davon aus, dass der Anwendungsbereich neben der vollständigen Befriedigung der Gläubiger auch Fälle umfasst, in denen keine Forderung angemeldet worden ist. Letzteres beruht jedoch auf einer erkennbaren Unkenntnis des Verordnungsgebers von der kalkulatorischen Praxis der InsVV. Ein Insolvenzverwalter erhält in jedem Fall eine Mindestvergütung, welche gemäß § 2 Abs. 2 minimal 1.400 € netto beträgt. Dies ist um die Auslagenpauschale, die Umsatzsteuer und die Gerichtskosten sowie gegebenenfalls um sonstige Masseverbindlichkeiten zu erhöhen. Die Gesamtsumme muss aus der Insolvenzmasse und durch eine freiwillige Zahlung gedeckt sein, anderenfalls eine vorzeitige Restschuldbefreiung auch in Verfahren, in denen keine Forderung angemeldet wurde, nach dem Wortlaut des § 300 Abs. 2 InsO n.F. nicht zulässig ist. 1 Werden die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten aus der vom Insolvenzverwalter realisierten Masse gedeckt, bedarf es keiner Zahlung im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F., welcher insoweit ins Leere läuft. Erfolgt eine solche Deckung nicht oder nur zum Teil und wird diese durch eine Zahlung eines Dritten bewirkt, bleibt es bei der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters gemäß § 2 Abs. 2. Die Zahlung und damit auch die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 5 n.F. hat in diesen Fällen keine Auswirkung auf die Vergütung des Insolvenzverwalters. Erst wenn der zu zahlende Betrag die Grenze von 3.500 € übersteigt, wäre die Vergütung des Insolvenzverwalters nicht mehr als Mindestvergütung gemäß § 2 Abs. 2, sondern als Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1 zu berechnen. Allerdings entstehen bei einer Masse von 3.500 € Gerichtskosten i.H.v. 420 € sowie eine Bruttovergütung des Insolvenzverwalters i.H.v. 1.915,90 €, mithin Kosten im Sinne von § 54 InsO i.H.v. 2.335,90 €. Für sonstige Masseverbindlichkeiten verbleiben in einem solchen Fall immerhin noch 1.164,10 €. Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen, bei denen keine Forderung angemeldet werden, weisen solche sonstigen Masseverbindlichkeiten kaum einmal auf.
Rdnr. 245 In Verfahren, in denen eine vorzeitige Restschuldbefreiung über eine freiwillige Zahlung eines Dritten in die Insolvenzmasse bewirkt wird, muss im Einzelfall ausgerechnet werden, wie sich die Vergütung des Insolvenzverwalters berechnet. Tabellen können hierfür nicht vorgegeben werden, da in jedem Fall geprüft werden muss, ob der Insolvenzverwalter entweder eine Vergütung auf der Basis der Insolvenzmasse ohne die freiwillige Zahlung oder eine Mindestvergütung gemäß § 2 Abs. 2 erhält.
Rdnr. 246 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass in Verfahren, in denen eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger möglich ist, nicht nur die Forderungen im Sinne von § 38 InsO, sondern auch die Forderungen im Sinne von § 39 InsO befriedigt werden sollen. Ist eine Befriedigung der Forderungen gem. § 38 absehbar, hat das Gericht die Gläubiger zur Anmeldung von Forderungen gemäß § 39 InsO aufzufordern.
Rdnr. 247 Die Auswirkungen auf die Vergütung kann in solchen Fällen erheblich sein. Hierzu zwei Beispiele:
Beispiel 1: Summe der Forderungen gemäß § 38, § 39 InsO 100.000 €
Gerichtskosten in einem solchen Fall: 4.575 €
Verwaltervergütung in einem solchen Fall: 38.601,51 € brutto
Es werden daher insgesamt 143.176,51 € benötigt. Aus diesem Betrag berechnet sich die Gerichtskosten und die Verwaltervergütung. Eventuelle sonstige Masseverbindlichkeiten müssten hinzugerechnet werden, was eventuell die Gerichtskosten und auch die Verwaltervergütung erhöht.Wurde dieser Betrag vollständig von einem Dritten geleistet und dementsprechend die Vergütung des Insolvenzverwalters ohne diesen Wert berechnet, ergibt sich folgendes:
Gerichtskosten nunmehr: 3.387 €
Mindestvergütung des Insolvenzverwalters: 1.915,90 €
Es werden nur noch 105.302,90 € benötigt.Dadurch, dass in der 1. Variante die Vergütung des Insolvenzverwalters höher ausfällt, erhöht sich im Ergebnis der Betrag der Gerichtskosten um 1.188 €.
In der 2. Variante profitiert die Gerichtskasse ebenfalls von der freiwilligen Zahlung, da sie 3.387 € und nicht nur die Basisgebühr von 114 € abrechnen kann.
Der Nachteil des Insolvenzverwalters beträgt 36.685,61 € brutto.
Für die Erreichung des Ziels der vorzeitige Restschuldbefreiung müssen aufgrund der Wirkung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 n.F. 37.873,61 € weniger geleistet werden.
Beispiel 2: Summe der Forderungen gemäß § 38, § 39 InsO 3.500 €
Gerichtskosten in einem solchen Fall: 798 €
Verwaltervergütung in einem solchen Fall: 5198,23 € brutto
Es werden daher insgesamt 9.496,23 € benötigt. Aus diesem Betrag berechnet sich die Gerichtskosten und die Verwaltervergütung.Wurde dieser Betrag vollständig von einem Dritten geleistet und dementsprechend die Vergütung des Insolvenzverwalters ohne diesen Wert berechnet, ergibt sich folgendes:
Gerichtskosten nunmehr: 546 €
Mindestvergütung des Insolvenzverwalters: 1.915,90 €
Es werden nur noch 5.961,90 € benötigt.Dadurch, dass in der 1. Variante die Vergütung des Insolvenzverwalters höher ausfällt, erhöht sich im Ergebnis der Betrag der Gerichtskosten um 252 €.
In der 2. Variante profitiert die Gerichtskasse ebenfalls von der freiwilligen Zahlung, da sie 546 € und nicht nur die Basisgebühr von 114 € abrechnen kann.
Der Nachteil des Insolvenzverwalters beträgt 3.282,33 € brutto.
Für die Erreichung des Ziels der vorzeitige Restschuldbefreiung müssen aufgrund der Wirkung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 n.F. 3.534,33 € weniger geleistet werden.
Rdnr. 248 In den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F. fallen nur Zahlungen von einer anderen Person als dem Insolvenzschuldner selbst. Hat der Insolvenzschuldner einen solchen Betrag aus seinem pfändungsfreien Vermögen oder dem Vermögen aus einer freigegebenen selbstständigen Tätigkeit erbracht und an den Insolvenzverwalter geleistet, findet die Sonderregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F. keine Anwendung. Eine eventuelle analoge Anwendung ist nicht zulässig, da der Verordnungsgeber diese Sonderregelung allein auf Zahlungen von anderen Personen als dem Insolvenzschuldner selbst begrenzt hat.
Rdnr. 249 Erfolgte die Zahlung in tatsächlicher Weise beispielsweise dergestalt, dass eine andere Person dem Schuldner einen Geldbetrag in bar übergeben hat, welcher vom Schuldner an den Insolvenzverwalter weitergeleitet wurde, ist zu prüfen, ob die Übergabe nicht bereits zu einer Mehrung der Insolvenzmasse geführt hat. Ist der Geldbetrag bei erfolgter Zahlung bzw. Übergabe an den Schuldner aufgrund der Wirkung des § 35 Abs. 1 InsO als Insolvenzmasse anzusehen, kommt eine Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F. in Betracht. Ist dies nicht der Fall und erhielt der Insolvenzverwalter hierdurch rechtlich keinen Zugriff auf den Geldbetrag, löst eine nachfolgende freiwillige Zahlung des Schuldners an den Insolvenzverwalter die Wirkung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F. nicht aus.
Rdnr. 250 Die Zahlung eines Dritten in die Insolvenzmasse ist zudem nur dann im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F. relevant, wenn diese Zahlung die vorzeitige Restschuldbefreiung zum Ziel hat. Stellt die Zahlung die Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner oder einer anderen Person dar, fehlt es an dem Zweck im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 5 n.F., auch wenn faktisch hierdurch eine vorzeitige Restschuldbefreiung bewirkt wird. Der mit der Zahlung beabsichtigte Zweck ist aus den Umständen des Einzelfalls und gegebenenfalls die Erklärungen der Beteiligten zu bestimmen.
Rdnr. 251 Die Erreichung des Zweckes einer vorzeitigen Restschuldbefreiung ist nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F. Zahlungen, die mit diesem Zweck durch Dritte geleistet werden, sind gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 n. F. auch dann nicht in der Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen, wenn es nicht zu einer vorzeitigen Restschuldbefreiung kommt. Die Frage, ob die durch Dritte freiwillig geleisteten Beträge im weiteren Verfahren auch dann, wenn eine vorzeitige Restschuldbefreiung nicht erteilt wurde, wie Insolvenzmasse zu behandeln ist oder nicht, hängt davon ab, mit welchen Erklärungen der Dritte die Leistung vornahm. Insoweit ist es zulässig, die Leistung unter der Bedingung, dass hierdurch eine vorzeitige Restschuldbefreiung bewirkt wird, vorzunehmen. Tritt dann die Bedingung nicht ein, wäre der entsprechende Betrag zurückzuleisten. Erfolgte die Leistung unbedingt, fließt der entsprechende Betrag in die Insolvenzmasse. Durch die Zweckbestimmung mit Hinblick auf die vorzeitige Restschuldbefreiung würde ein solcher Betrag auch dann nicht in der Vergütung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen sein, wenn das Ziel der vorzeitigen Restschuldbefreiung nicht erreicht wird.
Rdnr. 252 § 1 Abs. 2 Nr. 5 n.F. hat keinerlei Auswirkungen auf die Vergütung eines Treuhänders in einem Entschuldungsverfahren gem. § 293 InsO, § 14 InsVV. Die Berechnungsgrundlage der Treuhändervergütung bestimmt sich gem. § 14 Abs. 1 ausschließlich nach der Summe der Beträge, die auf Grund der Abtretungserklärung des Schuldners gem. § 287 Abs. 2 InsO oder auf andere Weise zur Befriedigung der Gläubiger des Schuldners beim Treuhänder eingehen. § 1 Abs. 2 Nr. 5 behandelt nur die Berücksichtigung bestimmter Teile der Insolvenzmasse, während die Vergütungsbemessung bei einem Treuhänder ohne Bezug auf die (frühere) Insolvenzmasse erfolgt.
7. Prozessfinanzierung
Rdnr. 253 Eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens scheitert in vielen Fällen an einer unzureichenden Liquidität der Insolvenzmasse, obwohl Forderungen in ausreichender Höhe festgestellt werden können. Da eine Durchsetzung von Ansprüchen der Insolvenzschuldnerin zumeist nur über einen kostenträchtigen Zivilrechtsweg möglich erscheint, die Insolvenzmasse jedoch keine Liquidität besitzt, die hierfür notwendigen Gerichtskosten usw. vorzufinanzieren, unterbleiben zum Teil Insolvenzeröffnungen, obwohl bei einer erfolgreichen Forderungsrealisierung eine hohe Befriedigung der Insolvenzgläubiger erwartet werden könnte. Dem Insolvenzverwalter ist eine Vorfinanzierung der in jedem Fall risikobehafteten Gerichtsverfahren nicht nur nicht zuzumuten, sondern eine Vorfinanzierung aus dem Vermögen des Insolvenzverwalters dürfte aufgrund der dadurch bewirkten Vermischung der Eigeninteressen des Insolvenzverwalters mit denen der Insolvenzgläubiger untunlich sein. Unterlassen die Insolvenzgläubiger eine eigene Vorfinanzierung der Forderungsrealisierung kommt eine Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht in Betracht. Diese Problematik wiederholt sich auch in einem eröffneten Insolvenzverfahren, wenn der Masse die für die notwendigen Gerichtsverfahren benötigten Mittel fehlen.
Rdnr. 254 Diese Problematik kann dadurch aufgelöst werden, dass der Insolvenzverwalter einen professionellen Prozessfinanzierer dazu gewinnt, das Risiko aller oder einzelner Gerichtsverfahren im Rahmen der Masserealisierung und Forderungsverwertung zu übernehmen. Dies ist ohne umfangreiche Vorarbeiten des Insolvenzverwalters nicht möglich, da dem Prozessfinanzierer die notwendigen Informationen über den Bestand und die effektive Durchsetzbarkeit der schuldnerischen Ansprüche in nachvollziehbarer und überzeugender Weise zuzuarbeiten sind. Zum Ausgleich für die Übernahme der Prozessfinanzierung erhält der Prozessfinanzierer einen Anteil an dem Ergebnis des jeweiligen Gerichtsverfahrens.
Rdnr. 255 Auf die Berechnungsgrundlage der Verwaltervergütung wirkt sich die Abtretung eines Teils des Massezuflusses auf dem vom Prozessfinanzierer ermöglichten Beitreibungsprozess dergestalt aus, dass der an den Prozessfinanzierer abzuführende Teil auch dann nicht als Teil der Insolvenzmasse und damit der Berechnungsgrundlage anzusehen ist, wenn der entsprechende Betrag aus der Insolvenzmasse an den Prozessfinanzierer geleistet wird. Zwar handelt es sich formal in diesem Fall um eine gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 irrelevante Masseverbindlichkeit, welche die Berechnungsgrundlage nicht mindern sollte, doch ist in diesem Fall nicht außer Betracht zu lassen, dass es ohne eine Prozessfinanzierung nicht zu einem Massezufluss gekommen wäre.1
Rdnr. 256 Ohne den erfolgreichen, vom Prozessfinanzierer ermöglichten Beitreibungsprozess hätte der entsprechende Anspruch des Insolvenzschuldners nicht realisiert werden können. Damit wäre der Anspruch im Ergebnis als wertlos auszubuchen gewesen; ein Zufluss zur Insolvenzmasse hätte nicht stattgefunden. Dadurch, dass der Prozessfinanzierer das wirtschaftliche Risiko des Beitreibungsprozesses gegen eine angemessene Beteiligung am Ergebnis dieses Verfahrens übernommen hat, konnte überhaupt eine Anspruchsdurchsetzung erfolgen und ein Massezufluss bewirkt werden. Der Massezufluss ist jedoch von Anfang an begrenzt auf den um den Anteil des Prozessfinanzierers reduzierten Rest. Damit ist es gerechtfertigt, den ursprünglich mangels Durchsetzbarkeit wertlosen Anspruch auch nur in der Höhe in der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, in dem er tatsächlich der Insolvenzmasse zufließt. Der an den Prozessfinanzierer abzuführende Betrag ist nicht in der Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen.1
Kernentscheidung
Hat der Insolvenzverwalter einem Prozessfinanzierer einen Teil der streitigen Forde-rung abgetreten oder sich verpflichtet, einen bestimmten Teil des Erlöses an den Prozessfinanzierer auszuzahlen, erhöht nur der Teil des Erlöses die Berechnungsgrundlage, welcher der Insolvenzmasse nach Abzug der dem Prozessfinanzierer zustehenden Beträge zufließt.
BGH v. 16.12.2021 - IX ZB 24/21, NZI 2022, 279 = ZInsO 2023, 1551
X. Bestimmung der Berechnungsmasse bei mehreren Insolvenzverwaltern
Rdnr. 257 Nach dem System der Insolvenzordnung sollte es ein Nebeneinander mehrerer Insolvenzverwalter nicht geben.1 Daher dürfte es bei der Vergütungsbemessung nicht zu Problemen dadurch kommen, dass mehrere Insolvenzverwalter gleichzeitig zu honorieren sind.
Rdnr. 258 Ein Nacheinander mehrerer Insolvenzverwalter in einem Insolvenzverfahren ist dagegen aus mehreren Gründen möglich. Neben der Neuwahl eines Insolvenzverwalters durch die Gläubigerversammlung gem. § 57 InsO und der auf eine Entlassung eines Insolvenzverwalters nach § 59 InsO folgenden Bestellung eines neuen Insolvenzverwalters könnte auch aus § 56a Abs. 3 InsO ein Verwalterwechsel entstehen. In allen Fällen einer vorherigen Beendigung des Verwalteramts bzw. einer Übernahme des Verwalteramts während eines laufenden Verfahrens ist entsprechend § 1 Abs. 1 Satz 2 zum Zwecke der Berechnung der Verwaltervergütung der Wert der Insolvenzmasse zum Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens zu schätzen.1
Rdnr. 259 Endet das Amt eines Insolvenzverwalters und wird das Verfahren nachfolgend durch einen anderen Insolvenzverwalter fortgesetzt, ist für die Berechnung der angemessenen Vergütung des ausscheidenden Insolvenzverwalters die Insolvenzmasse maßgeblich, auf welche sich die Schlussrechnung dieses Insolvenzverwalters bezieht. Der vor Beendigung des Verfahrens ausscheidende Insolvenzverwalter hat er für den Zeitpunkt seines Ausscheidens eine Schlussrechnung zu legen.1 Das Ergebnis zu dem viel späteren Ende des Verfahrens kann und muss dieser Insolvenzverwalter nicht heranziehen, da er hierzu außerstande wäre.1 Auch das Insolvenzgericht hat in einem solchen Fall nicht die Aufgabe, den Wert der Masse zu diesem ungewissen Zeitpunkt zu schätzen und den Schätzwert bei der Vergütungsfestsetzung zugrunde zu legen.1
Rdnr. 260 Die Berechnungsgrundlage eines ausgeschiedenen Insolvenzverwalters bestimmt sich dabei nicht allein nach dem Wert der von diesem Insolvenzverwalter erzielten Einnahmen zuzüglich der aus dem Eröffnungsverfahren übernommen Vermögensbestandteilen, da sonst die Bestandteile der Masse, die der ausgeschiedene Insolvenzverwalter bis zur Beendigung seines Amtes nicht verwertet hat, die jedoch seiner Verwaltung unterlagen, unberücksichtigt bleiben müssten.1 Es ist daher keine "Teil-Masse" für den ausgeschiedenen Insolvenzverwalter zu berechnen. Der Umstand, dass das Amt dieses Insolvenzverwalters vorzeitig endete, ist nicht durch eine zwingende Änderung der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, sondern regelmäßig durch eine Reduzierung des Regelsatzes gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. c).2
2 BGH v. 10.11.2005 - IX ZB 168/04, NZI 2006, 165 = ZInsO 2006, 29; BGH v. 16.12.2004 - IX ZB 301/03, NZI 2005, 161 = ZInsO 2005, 85
Rdnr. 261 Massezuflüsse sind in die Berechnungsgrundlage der Vergütung eines ausgeschiedenen Insolvenzverwalters einzustellen, falls jene ausschließlich Folge seiner Tätigkeit sind.1 Es reicht dabei nicht aus, dass der ausgeschiedene Insolvenzverwalter einen späteren Massezufluss lediglich in die Wege geleitet hat, dieser dann aber erst durch Bemühungen seines Nachfolgers abgeschlossen worden ist. Beispielsweise zählen Sicherheiten, die erst nach dem Ausscheiden des ersten Insolvenzverwalters infolge von Verhandlungen mit den Sicherungsnehmern, die der erste Insolvenzverwalter noch abgeschlossen hat, freigegeben werden, zu dem von ihm verwalteten Vermögen.1 Hat ein ausgeschiedene Insolvenzverwalter einen Anfechtungsrechtsstreit nach §§ 129 ff. InsO durchgefochten und zahlt der Anfechtungsgegner nach dem Verwalterwechsel, ist dieser Massezufluss ebenfalls dem ausgeschiedenen Insolvenzverwalter zuzurechnen.1
Rdnr. 262 Ist die bis zur Festsetzung der Vergütung des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters erfolgte Masseanreicherung nicht - oder nicht nachweisbar - ausschließlich auf seine Bemühungen zurückzuführen, erscheint es vielmehr als möglich, dass auch Bemühungen des neuen Insolvenzverwalters dazu beigetragen haben, kann der dadurch bewirkte Massezufluss bei der Berechnungsgrundlage für die Vergütung des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters nicht berücksichtigt werden.1 Die - möglicherweise sehr arbeitsintensiven - Bemühungen des ausgeschiedenen Insolvenzverwalters um eine Masseanreicherung können einen Zuschlag gemäß § 3 begründen.1
Rdnr. 263 Für die Vergütung eines Insolvenzverwalters ist allein die Tätigkeit in der Zeit maßgebend, in der er als solcher bestellt war.1
Beispielsentscheidung
1. Zur Berechnung der Vergütung eines abgewählten Insolvenzverwalters.
2. In die Berechnungsgrundlage der Vergütung eines abgewählten Insolvenzverwalters kann i.a.R. eine USt-Erstattung, die aufgrund des der Insolvenzmasse bzgl. seiner Vergütung zustehenden Vorsteuerabzugsrechts mit Sicherheit zu erwarten ist, nicht einbezogen werden.
3. Zur Scheinbestandteilseigenschaft von Gebäuden auf fremdem Grund, deren Verbindung mit dem Grundstück aufgrund mietvertraglicher Regelung (vermeintlich) nur zu einem vorübergehenden Zweck erfolgt ist.
4. Hat ein Insolvenzverwalter die Masse durch eine von ihm begangene unerlaubte Handlung gemehrt, kann es gerechtfertigt sein, den hierauf entfallenden Mehrbetrag nicht in die Berechnungsgrundlage seiner Vergütung einzubeziehen. Für die Annahme, der Insolvenzverwalter habe eine masseanreichernde unerlaubte Handlung begangen, wird i.d.R. aber eine rechtskräftige Verurteilung des Insolvenzverwalters wegen einer solchen vorliegen müssen.AG Norderstedt v. 18.06.2021 – 66 IN 70/13, ZInsO 2021, 1987
XI. Bestimmung der Berechnungsmasse des Sonderinsolvenzverwalters
Rdnr. 264 Die Vergütung eines Sonderinsolvenzverwalters erfolgt grundsätzlich auf der Grundlage der InsVV. Lediglich für den Fall, dass sich die Aufgabe des Sonderinsolvenzverwalters darauf beschränkt, einzelne Ansprüche zu prüfen, zur Tabelle anzumelden oder anderweitig rechtlich durchzusetzen und seine Tätigkeit deshalb auch gemäß § 5 Abs. 1 einem Rechtsanwalt hätte übertragen werden dürfen, soll die Vergütung eines Sonderinsolvenzverwalters nach Ansicht der Rechtsprechung nicht höher festgesetzt werden, als sie nach § 5 beansprucht werden könnte, wenn der Sonderinsolvenzverwalter nach dieser Vorschrift für eine Tätigkeit als Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer zu vergüten gewesen wäre.1 Dies erscheint angesichts des über diese Tätigkeit hinausgehenden Verantwortungs- und Haftungsbereichs eines Sonderinsolvenzverwalters unangemessen zu sein.
Rdnr. 265 Die Berechnungsmasse der Vergütung eines Sonderinsolvenzverwalters wird nur dann von dem gesamten Wert der Insolvenzmasse bestimmt, wenn diese dem ausschließlichen Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Sonderinsolvenzverwalters zugeordnet wird. Dann läge jedoch keine Sonderinsolvenzverwaltung mehr vor, sondern vielmehr eine Auswechselung des Insolvenzverwalters. Bei einem angemessenen Umgang mit dem Institut der Sonderinsolvenzverwaltung ergibt sich bereits aus dem Beschluss des Insolvenzgerichts über die Anordnung der Sonderinsolvenzverwaltung, welche Rechte, Gegenstände usw. aus dem Verfügungsbereich des Insolvenzverwalters herausgenommen wurde und dem Sonderinsolvenzverwalter als Grundlage seiner Tätigkeit zugeordnet wurden. Deren Wert bestimmt die Berechnungsgrundlage der Vergütung des Insolvenzverwalters; sowohl für eine Vergütung entsprechend der InsVV als auch der nach dem RVG.
Änderungen und Ergänzungen
Diese Kommentierung der InsVV wird laufend aktualisiert und ergänzt.
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I. Berechnungsbasis der Vergütung eines Insolvenzverwalters
II. Bestimmung der Berechnungsmasse im Regelverfahren, § 1 Abs. 1 Satz 1
III. Bestimmung der Berechnungsmasse bei einer Beendigung des Verfahrens durch einen Insolvenzplan, § 1 Abs. 1 Satz 2
IV. Bestimmung der Berechnungsmasse bei vorzeitiger Beendigung des Verfahrens, § 1 Abs. 1 Satz 2
V. Umgang mit Massezuflüssen nach Erstellung einer Schlussrechnung
VI. Bestimmung der Berechnungsmasse bei Erteilung einer Restschuldbefreiung vor Beendigung des Verfahrens
VII. Bestimmung der Berechnungsmasse bei einer vorzeitigen Erteilung einer Restschuldbefreiung gem. § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO in der Fassung ab 1. Juli 2014
VIII. Nichtigkeit der Regelungen des § 1 Abs. 2
IX. Einzelheiten zur Bestimmung der Berechnungsmasse, § 1 Abs. 2
X. Bestimmung der Berechnungsmasse bei mehreren Insolvenzverwaltern
XI. Bestimmung der Berechnungsmasse des Sonderinsolvenzverwalters